Ausstellung in PaderbornDem Kölner Meister Rubens über die Schulter schauen

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„Verkündigung an Maria“, um 1620

  • Im ostwestfälischen Paderborn muss das Volksfest in diesem Jahr ausfallen.
  • Die Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ kann ein wenig darüber hinwegtrösten.
  • Denn dort werden nicht nur die Werke des Kölner Meisters vorgestellt , sondern auch Einblicke in Schaffensprozesse gegeben. Man kann Rubens quasi über die Schulter schauen.

Es ist ein Stich ins Herz von Paderborn: Die Kirmes und das Schützenfest in der jetzt laufenden Libori-Woche fallen aus. Was das bedeutet? „Die Apokalypse ist nichts dagegen“, meint Christoph Stiegemann. Allerdings könnte die Ausstellung, die der Direktor des Diözesanmuseums jetzt anbietet, manchen Einwohner über den Ausfall hinwegtrösten. Denn „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ zeigt, dass das „Wetterleuchten“ des Großmeisters aus Antwerpen bis nach Paderborn ausstrahlte. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Peter Paul Rubens (1577-1640) wurde in Siegen geboren und wuchs in Köln auf, ehe die Familie nach Antwerpen zog, wo der Handel boomte und die Kunst blühte. In Paderborn ist die Lichtgestalt nie gewesen. Wohl aber zogen der Maler Antonius Willemssens (1625-1691) und der Bildhauer Ludovicus Willemssens (1630-1702) von der Schelde an die Pader. Die Brüder hatten im Rubens-Umfeld gelernt und gearbeitet. Sie nahmen den Paderborner Auftrag an, den mittelalterlich vollgestellten Dom im Stil der Zeit zu belüften, für neue Weite und stimulierende Ausstattung zu sorgen. Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen wollte die katholische Kirche ihre Identität gegenüber der protestantischen Reformation stärken. Zum anderen sehnten sich die Überlebenden des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) nach Sinnenfreude. So kam der flämische Barock, wie ihn Rubens geprägt hat, nach Westfalen.

Die Vergänglichkeit des Barock

Dem Barock ist bei aller Pracht und filmreifen Action, bei allem Triumph und Taumel immer auch die Vergänglichkeit eingeschrieben. Diese Lebenssicht hat in Paderborn eine brutale Bestätigung im 20. Jahrhundert gefunden: Die drei Barockaltäre der Brüder Willemssens, die einst den Dom schmückten, wurden bei einem Bombenangriff am 27. März 1945 fast vollständig zerstört.

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Peter Paul Rubens, Selbstbildnis, um 1625/30

Anhand der damals vom Boden aufgesammelten Fragmente ist nun eine Rekonstruktion des 16 Quadratmeter großen Gemäldes „Anbetung der Hirten“ von 1655 zu sehen. Leerstellen gibt es auf diesem Bildnis zuhauf – auch beim Schriftzug „Gloria“, von dem nur die beiden ersten Buchstaben erhalten sind. Ein eindrucksvoller, auch berührender Rettungsversuch 75 Jahre nach Kriegsende.

Eine marktbeherrschende Stellung

Die Kuratoren bekennen sich ausdrücklich dazu, keine „Hochleistungsschau“ zu präsentieren. Hier reiht sich nicht ein großformatiges Rubens-Gemälde an das andere. Solche Werke lieferte der professionell betriebene Atelierbetrieb in Antwerpen eine Weile lang Woche für Woche. Im Katalog ist die Rede von einer marktbeherrschenden Stellung, weit über die Spanischen Niederlande hinaus. Rubens selbst schrieb in einem Brief 1618: „Um die Wahrheit zu sagen, bin ich mit öffentlichen und Privataufträgen dermaßen überbürdet und im Voraus verpflichtet, dass ich für einige Jahre hinaus nicht über meine Person verfügen kann.“

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Peter Paul Rubens: Beweinung Christi, um 1612

Allein „Die Beweinung Christi“ von 1612, die aus Liechtenstein ausgeliehen werden konnte, gehört in die Kategorie der Monumentalwerke. Exemplarisch wird hier deutlich, wie sehr es dem Künstler darum ging, das Publikum emotional ins Geschehen hineinzuziehen. So stehen wir am Fußende des quer übers Bild ausgestreckten Leichnams Jesu und schließen auf diese Weise den Kreis der Trauernden, die am Kopfende und an den Seiten pralle Tränen weinen.

Fokus auf der Entstehung der Werke

Die Ausstellung entwickelt ihre Reize jenseits der Großformate. Vor allem richtet sie das Augenmerk auf die Werkentstehung, die „prima idea“ eines Gemäldes. Dazu dienen die Ölskizzen, die Rubens für die Auftraggeber als Angebot und für die Mitarbeiter als Vorlage geschaffen hat. Als eines der schönsten Exponate gilt der Entwurf zur „Kreuztragung“, der aus der dänischen Nationalgalerie in Kopenhagen stammt. Auch die „Modelli“ der „Verkündigung an Maria“ und der „Anbetung der Hirten“ aus Wien sind präzise-vitale Arbeiten im kleinen Format. In solchen Skizzen sei es möglich, schreibt Nils Büttner im Katalog, dem Maler „gleichsam bei der Arbeit und beim künstlerischen Denken über die Schulter zu schauen“.

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Ein Fragment der „Kreuzigung Christi“, vom zerstörten Seitenaltar des Paderborner Doms

Weiter beleuchtet die Ausstellung den grenzüberschreitenden Kultur-Transfer, nun zeitbewusst mit dem Begriff der „Migrationsbewegungen“ bedacht. Auch wird der Barock als „Gesamtkunstwerk“ aufgefächert. Gemälde, Stiche, Buchillustrationen und Skulpturen verbünden sich zum großen Welttheater.

Tapisserie aus dem Kölner Dom

Selbstverständlich gehören auch Bildteppiche dazu. Die ausgestellte Tapisserie „Sieg der eucharistischen Wahrheit über die Häresie“, die aus dem Kölner Dom stammt, ist in der Werkstatt von Frans van den Hecke in Brüssel nach Entwürfen von Rubens hergestellt worden.

Daten zur Schau

„Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ im Diözesanmuseum Paderborn (gleich neben dem Dom). Geöffnet: Di.-So. 10 bis 18 Uhr, bis 25. Oktober 2020. Eintritt: 9 Euro (erm. 7 Euro). Der Katalog aus dem Verlag Michael Imhof kostet im Museum 39,50 Euro und im Buchhandel 49,95 Euro.

Schließlich wird in einem Epilog nach barocken Spuren und Stimmungen in der zeitgenössischen Kunst gefahndet. Da kann man vielfach fündig werden. Auch bei Gerhard Richters Farbwirbel „Ausschnitt (Makart)“ und bei Rune Mields, die drei Skelette zu Bachs Kantate „Komm, du süße Todesstunde“ lächeln lässt.

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Schon im Mai sollte diese finale Schau des Museumsdirektors eröffnet werden. Doch die Pandemie sorgte dafür, dass Christoph Stiegemann seinen für Juni geplanten Ruhestand verschieben musste. Als Zeichen der Solidarität bezeichnet er es, dass fast alle Exponate die coronabedingten Engpässe überwunden haben.

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