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PhilharmoniePianistin Yuja Wang geschmeidig und mit etwas zu viel Zurschaustellung

3 min

Yuja Wang

  1. Die chinesische Pianistin Yuja Wang beim WDR-Konzert unter Jakub Hrusa

Köln – Ein weiblicher Lang Lang? Nun, ganz so platt, wie es scheinen mag, ist diese Assoziation nicht. Wie jener kommt Yuja Wang aus China, und mit dem Amerikaner Gary Graffman im amerikanischen Philadelphia hatten sie auch den nämlichen Lehrer. Beide neigen zu jener offensiven Selbstinszenierung, in der es nicht nur um Kunst, sondern auch um Zirkus geht. Wobei Yuja Wang da von Natur aus noch mehr Möglichkeiten als der Kollege hat. Beim WDR-Konzert in der Philharmonie unter dem Tschechen Jakub Hrusa am Pult etwa erschien sie jetzt mit einem offenherzigen Kleid, das – nun ja – deutlich mehr ent- als verhüllte. Muss das sein, mag man fragen, vergisst diese Frage allerdings schnell über der Tatsache, dass Yuja Wang wie Lang Lang recht gut Klavier spielen kann – um es einmal so zu sagen.

Tatsächlich gewinnt hier wie dort technische Bravour eine Dimension, die auch das im engeren Sinn Künstlerische in einen anderen Orbit befördert. In diesem Fall gewann die Präsentation von Prokofjews nicht ganz leichtem fünftem Klavierkonzert eine spielerisch-lächelnde Überlegenheit, die in jeder Hinsicht staunen machte. Der Ton Yuja Wangs ist auf Anhieb trocken, pointiert, schnörkelfrei, aber nie substanzlos oder langweilig – bei Champagner wäre die Beschreibung „trocken“ ja ebenfalls kein negatives Gütesiegel. Auch ihr Oktavendonner kommt schlank, ohne Dresche oder arbeitsame Schweißtropfen. Sprungtechnik und Artikulationskontrolle sind phänomenal, der rhythmische Impuls ist kraftvoll und vital, rechte und linke Hand verfügen über eine große agogische Unabhängigkeit voneinander. Und sie hat halt viele Valeurs drauf. Zuweilen gibt dieser motorische Prokofjew nämlich auch den Rachmaninow oder lugt zum Jazz hinüber – und da zieht Yuja Wang gleich geschmeidig und völlig selbstverständlich mit.

Wenn wir einen – nicht skepsis-, sondern neugiergeleiteten – Wunsch äußern dürfen, dann diesen: dass die Chinesin in der Philharmonie mal ein Programm spielt, bei dem es auf Technik und äußere Zurschaustellung nicht (so sehr) ankommt. Leider blieb sie diese Nagelprobe auch bei den virtuosen Zugaben schuldig – Horowitz’ „Carmen“-Fantasie und Liszts „Gretchen am Spinnrad“-Bearbeitung.

Für das Orchester, das beim Konzert stellenweise zu laut begleitet hatte, kam die große Stunde nach der Pause mit Strauss’ „Heldenleben“. Hrusa – inzwischen geschätzter Dauergast beim WDR – nahm den Anfang merkwürdig unheroisch, gedämpft, gemächlich. Aber es stimmt natürlich: Strauss geht nicht gleich in die Vollen, sondern startet in einem neutralen Forte – das dreifache Fortissimo kommt erst ein paar Seiten später. So konnte man jedenfalls genau – fast wie beim „Meistersinger“-Vorspiel – den wuchernden Kontrapunkt in der Tiefe der Partitur verfolgen. Insgesamt entstand so eine gut ausgeleuchtete, den großen Bogen dramaturgisch überzeugend ziehende Interpretation, die freilich auch durch die Spielqualität des Orchesters für sich einnahm. Dieses Lob gilt nicht so sehr dem Konzertmeister, der bei der Darstellung der „Gefährtin“ die Ausdrucksprofile durchaus noch hätte schärfen können, als vielmehr zumal für die Bläser, unter denen hier stellvertretend die stark beschäftigten Hörner genannt seien.