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Vor 75 JahrenDie Potsdamer Konferenz: Neuordnung mit faulen Kompromissen

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Händeschütteln vor der Kamera: der britische Premierminister Winston Churchill, der amerikanische Präsident Harry S. Truman und der sowjetische Diktator Josef Stalin (v. l.)

  1. Ab dem 17. Juli 1945 trafen sich Großbritannien, die USA und die Sowjetunion zur Potsdamer Konferenz. Drei Supermächte entschieden über die Zukunft Europas.
  2. Die Runde der markierte das Ende des zweiten Weltkriegs und den Beginn des Kalten Kriegs.
  3. Die Spannungen zwischen der Sowjetunion und dem Westen deuteten sich schon in Potsdam an. Die Neuordnung des Kontinents war eine mit faulen Kompromissen.

Sieben Meter Durchmesser, das war selbst für drei Supermächte zu viel. Die Moskauer Handwerker mussten den überdimensionierten Sitzungstisch verkleinern, an dem die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 Platz nehmen sollten: die Repräsentanten der USA, des Vereinigten Königreichs und der Sowjetunion, die nach dem Sieg über Hitlers Armee die Zukunft Deutschlands und Europas, im Grunde aber des ganzen Erdballs verhandelten.

Im Gegensatz zum Sitzungstisch blieb der aus Geranien zusammengesetzte rote Stern unangetastet, den die Russen im Garten von Schloss Cecilienhof gepflanzt hatten. Und noch während Harry S. Truman, Josef Stalin und Clement Attlee feilschten, gingen im fernen Japan über Hiroshima und Nagasaki amerikanische Atombomben nieder. Das Ende des Zweiten Weltkriegs war der Beginn des Kalten Kriegs.

Berlin war zu zerstört

Ursprünglich hatte die Konferenz in Berlin stattfinden sollen – bereits gedruckte Pässe annoncierten das Ereignis als „Berlin Conference of the three Allied Powers“. Allerdings war die Hauptstadt des untergegangenen Deutschen Reichs zu zerstört, um den prominenten Besuch zu beherbergen. Irgendeine englische oder amerikanische Stadt mit „anständigen Unterkünften“ schlug Winston Churchill vor, der zu Beginn noch teilnahm, bevor ihn seine Landleute als „Kriegspremier“, untauglich für den Frieden, in den Juli-Wahlen hinwegfegten. Anständige Unterkünfte fanden die Delegierten dann in der Filmstadt Babelsberg und in den Villen am Griebnitzsee; der Tagungsort selbst, Schloss Cecilienhof, war einst mitten im Ersten Weltkrieg erbaut worden, als Domizil für den ältesten Sohn des letzten deutschen Kaisers, Kronprinz Wilhelm, der sich am Ende des Zweiten Weltkriegs nach Süddeutschland abgesetzt hatte.

Zwei Tage Pause in Potsdam

Bis zum 25. Juli 1945 fanden auf der Potsdamer Konferenz neun Sitzungen statt. Danach wurden die Verhandlungen für zwei Tage unterbrochen, weil im Vereinigten Königreich ein neues Unterhaus gewählt wurde. Am 28. Juli kehrte Clement Attlee als Nachfolger von Winston Churchill nach Potsdam zurück. Er hatte bereits zuvor an den Verhandlungen teilgenommen.

Die Oberhäupter der drei Supermächte verhandelten natürlich nicht alleine. Churchill, Attlee, Truman und Stalin wurden von den Außenministern Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion begleitet. So brachte Wahlsieger Attlee am 28. Juli den neuen Außenminister Ernest Bevin mit. Ebenfalls dabei waren die Stabschefs und andere Berater der Staaten. (tli)

Im Krieg hatte der Kampf gegen Nazideutschland die Großmächte zusammengeschweißt, spätestens in Potsdam aber wurde deutlich, dass hier grundverschiedene Gesellschaftsentwürfe, Ideologien und auch Politikertypen aufeinanderprallten. Der amerikanische Präsident Truman, der den nach langer Krankheit gestorbenen Roosevelt erst kurz zuvor abgelöst hatte und wenig von dessen außenpolitischer Erfahrung besaß, reiste an Bord des Kreuzers „Augusta“ nach Europa und wurde von einem Matrosen zu seiner Meinung nach Stalin gefragt: „Ich meine, er ist ein Hundesohn, und ich nehme an, er denkt das gleiche von mir.“

Einander freundschaftlich übers Ohr hauen

Im Londoner Unterhaus hatte Churchill noch vor Beginn der Konferenz die im Krieg geschmiedete Allianz gegen Hitler beschworen, doch als die Verhandlungen begannen, wurde rasch deutlich, dass die drei Giganten nach Potsdam gekommen waren, „im Bemühen, einander freundschaftlich übers Ohr zu hauen“, wie es der Publizist Charles L. Mee formulierte. Hauptstreitpunkte waren Polen und die ehemaligen deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße, aber auch die Vertreibung der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, die unter sowjetischer Ägide längst begonnen hatte, sowie Reparationen und die Frage der Einheit Deutschlands, zu der man sich feierlich bekannte. Nach Potsdam kam es zu zwei deutschen Staaten – das die Konferenz beschließende Potsdamer Abkommen wurde erst mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der deutschen Wiedervereinigung endgültig Makulatur.

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Während die Amerikaner den „Generalissimus“ Stalin zu Zugeständnissen bei den Reparationen bewegen wollten, gaben sie im Gegenzug bei den Demarkationslinien nach – wobei die Sowjets vielfach bereits vollendete Tatsachen geschaffen hatten. Über den faulen Kompromissen, die dazu geschlossen wurden, lagen aber die Schatten des noch nicht beendete Heißen Krieges im Fernen Osten und des sich abzeichnenden Kalten Krieges, der die Welt in den kommenden Jahrzehnten im Griff halten sollte. Als die Großen Drei in Potsdam abreisten, war wohl allen klar, dass die gemeinsame Besatzungspolitik des vom Alliierten Rat regierten Deutschland gescheitert war. Nun würde die „eiserne Faust“ herrschen, von der Präsident Truman auf dem Nachhauseweg träumte.