Rheinoper DüsseldorfManfred Trojahns „Septembersonate“ pendelt zwischen matt und mau

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Eine ganz in Weiß gekleidete Frau reitet ein weißes Krokodil. Ein Mann guckt erstaunt.

Juliane Banse (Ellice Staverton) und Roman Hoza (Osbert II) in der Düsseldorfer Inszenierung von Manfred Trojahns „Septembersonate“.

An der Rheinoper feierte Manfred Trojahns Oper über die Midlife-Crisis eines Künstlers Premiere. Musikalisch glich der Abend einem Pausenfüller.

Der September verspricht noch einige sommerliche Tage, doch werden diese unaufhaltsam kürzer, denn der Herbst rückt nah. In der Mitte des Lebens noch voll Tatendrang, Arbeit und Erfolg stellt man mit wachsendem Bewusstsein für die eigene Endlichkeit einst getroffene Entscheidungen infrage: Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich damals…? An der Schwelle des Jahres- und Lebenslaufs von Sommer zu Herbst spielt „Septembersonate“, die neueste Oper von Manfred Trojahn nach der autobiografisch geprägten Erzählung „The Jolly Corner“ (1908) von Henry James.

Die Hauptfigur Osbert (spielstark Holger Falk) hat seine reiche New Yorker Familie verlassen, um im Ausland ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden. Jahrzehnte später kehrt er als Erbe zurück und trifft seine Jugendfreundin Ellice wieder. Diese ist Schauspielerin und lässt Osbert darüber sinnieren, was für ein Leben er geführt hätte, wäre er ins Unternehmen der Eltern eingestiegen und mit Ellice ein Paar geworden. Das Geschehen schwankt fortan zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. Es gibt Erinnerungen an Vergangenes, gegenwärtige Gedanken und Sehnsüchte, sowie auf die Zukunft gerichtete Hoffnungen und Ängste. Reales Leben und fiktionales Rollenspiel von Dramatiker und Schauspielerin lassen sich immer weniger unterscheiden.

Johannes Erath inszeniert die strahlende Juliane Banse als männliche Projektionsfläche

Johannes Erath inszeniert Ellice (strahlend: Juliane Banse) auf durchweg nachtschwarzer Bühne mit blütenweißem Abendkleid und weißblondem Haar. Sie ist weniger eine reale Frau mit Persönlichkeit und Biografie denn Projektionsfläche für die Fantasien des alternden Mannes. Prompt erscheint sie auch im blauen Röckchen als Unschuld vom Lande, als leicht bekleidetes Revue-Girl und schließlich im Video als Fetisch Marilyn Monroe auf dem U-Bahn-Schacht. Die Bühnenbilder und Kostüme von Heike Scheele allegorisieren das Gedankenspiel alternativer Lebensentwürfe mit labyrinthisch sich umkreisenden Treppenabschnitten, die keinen durchgehenden Lebensweg bilden.

Trojahns Musik wirkt streckenweise eher beiläufig. Dagegen werden bestimmte Situationen expressiv ausgedeutet. Osberts Vorstellung, nach vielen Jahren wieder sein Elternhaus zu betreten, begleitet ein mattes Fagottsolo, womöglich als Personifikation der spießig-alten Haushälterin (Susan Maclean). Ein tändelndes Cellosolo versinnbildlicht das ebenso bequeme wie langweilig vertröpfelnde Leben mit Karriere, Buchhaltung, Smalltalk, Kricket. Die Düsseldorfer Symphoniker agieren punktgenau unter Leitung von Vitali Alekseenok. Das kleinbesetzte Ensemble illustriert die Unentschiedenheit der wirklichen und möglichen Lebensläufe mit auf der Stelle pendelnden Bewegungen oder jeweils anders tickenden Repetitionen.

Der 1949 geborene Komponist gliedert das eineinhalbstündige „Kammerspiel“ in sechs Szenen. Zuspielungen dumpfer Herzschläge dienen als billiger Pausenfüller für Umbauten und Kostümwechsel. Erst die letzten beiden Szenen schließen dramatisch aneinander an. Den egomanisch auf sich und sein Künstlertum fixierten Schriftsteller zeigen Videoprojektionen (Bibi Abel) eingepfercht in einer mit Fotos ausgekleideten Kiste. Sein selbstverliebter Monolog „ich, ich, ich“ mündet in ein verzweifeltes Streitduett mit seinem Alter Ego (Roman Hoza).

Am Ende sorgen silberhelles Glockenspiel und zwischen Dur und Moll changierende Akkorde für eine irreale Traumsphäre. Dazu sieht man im Video Osbert und Ellice als Paar in der Düsseldorfer Oper das Ende derselben Aufführung wie das Publikum erleben. Doch bleibt offen, was diese Vision zeigt. Die verpasste Lebensalternative? Den vergeblichen Wunschtraum? Das wirkliche Leben?


„Septembersonate“, Rheinoper Düsseldorf. Weitere Vorstellungen am 3., 14. und 27. Januar.

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