Satire „King of Stonks“So abgedreht haben Sie Matthias Brandt noch nie gesehen

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Felix Armand (Thomas Schubert, sitzend) und Magnus A. Cramer (Matthias Brandt) 

Düsseldorf – Irgendwann steht Magnus – der große Vorname ist Programm – A. Cramer, viel zu braun gebrannt, mit falschen, viel zu weißen und zu großen Zähnen im Kostüm des Düsseldorfer Karnevalsprinzen im Garten seiner Villa und fährt seine Frau an: „Das ist ja jetzt auch nicht so, als wäre ich irgendein verrückter Sonnenkönig, der jeglichen Bezug zur Realität verloren hat.“ Und man weiß nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll, dass dieser Clown, dieser Inbegriff eines größenwahnsinnigen Hochstaplers, sich das offensichtlich selbst glaubt.

Es braucht schon einen Schauspieler wie Matthias Brandt um dieser Figur, die ganz leicht eine reine Karikatur hätte werden können, doch noch genug Facetten zu geben, damit sie die sechs Folgen der neuen Netflix-Serie „King of Stonks“ als Hauptfigur tragen kann.

Mut zur Hässlichkeit

Brandt stürzt sich mit dem Mut zur Hässlichkeit in das Abenteuer, aus dem Skandal um den deutschen Finanzdienstleister Wirecard eine Serie zu machen, die die Mechanismen dieser Branche gnadenlos aufdeckt – und zugleich einfach sehr gut unterhält.

Brandt spiel den CEO von CableCash, dessen einziges Talent sein unerschütterlicher Glaube an die Unerschütterlichkeit seiner Firma ist, auch wenn deren Geschäftsgebaren höchst dubios sind, um es mal vorsichtig zu formulieren.

Der verlorene Sohn

An seiner Seite steht Felix Armand (Thomas Schubert), er ist der, der die Fäden in der Hand hält und alle größeren und kleiner Katastrophen abwendet, seien es Konflikte mit der italienischen Mafia oder der deutschen Politik. Armand hat die Firma groß gemacht und sollte eigentlich neben Cramer CEO, also Chef des Ganzen, werden, doch in einer Schlüsselszene zu Beginn bringt Cramer diesen um seinen wohlverdienten Lohn und macht ihn zum COO (Chief Operating Officer).

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Man will diesen Felix so unsympathisch wie Cramer finden, schließlich ist auch er ein Lügner und Betrüger, doch der Österreicher Thomas Schubert spielt ihn als verlorenen Sohn auf der Suche nach Anerkennung. Da fällt es schwer, ihn zu verachten.

Dritte im Bunde ist Short Sellerin Sheila (Larissa Sirah Herden), die mit dem Niedergang der Firma das große Geld verdienen will und sich dafür an Felix heranmacht. Aber wer hier wen aufs Kreuz legt, bleibt bis zum Schluss offen.

Es müssen nur alle fest genug daran glauben

„Der Wert einer Sache bemisst sich daran, dass jemand bereit ist, dafür zu bezahlen“, erklärt Felix irgendwann seiner Assistentin (ebenfalls großartig: Altine Emini) das Grundprinzip des Kapitalismus. Und wenn alle nur fest genug daran glauben, dass CableCash Abermillionen wert ist, dann ist genau das der Fall.

Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann von der bildundtonfabrik haben mit dem ebenfalls in Köln beheimateten Regisseur Jan Bonny für Netflix eine schnelle, schlaue Satire geschaffen, die gnadenlos den Finger in die Wunde legt. Hoffnung gibt es keine: Gier ist geil, toxische Männlichkeit führt zum Erfolg, die Digital-Ministerin (Eva Löbau) ist vollkommen ahnungslos („Deutschland kann mehr als Datenschutz“) und auch sonst sind alle so berauscht von der Erfolgsstory made in Germany, dass niemand so genau hinschaut.

Dabei erliegt „King of Stonks“ nicht der Gefahr, heimliche Bewunderung für die Chuzpe dieser Hochstapler zu transportieren. Helden sucht man in diesem Spiel vergeblich, hier hat jeder Dreck am Stecken.

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