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Sinnfrage Fanny Ardant„Geheime Affären? Kein Problem“

Lesezeit 5 Minuten

Fanny Ardant

Frau Ardant, Ihre Figur in Ihrem neuen Film „Die schönen Tage“ bricht aus ihrer Ehe und ihrem Alltag aus und angelt sich einen jungen Liebhaber. Was halten Sie davon?

Fanny Ardant Ich finde es gut! Eine Affäre ist keine Sünde, sondern wie ein Vitamin für eine Beziehung. Das zeigt sich ja auch im Film. Die ganzen Vorurteile gegen Affären sind dagegen Blödsinn. Untreue ist nur dann schlecht, wenn der Partner öffentlich erniedrigt wird. Aber solange sie geheim bleibt – kein Problem. Wenn sich Paare einander sagen: „Wir gehen ganz offen miteinander um“, dann sind sie Idioten.

Finden Sie sich also in dieser Figur wieder?

Fanny Ardant Sie ist anders als ich, aber ich liebe vieles an ihr. Zum Beispiel, dass sie sich eine richtige Existenz mitsamt Familie, Haus und einem gut dotierten Job als Zahnärztin aufgebaut hat. Sie lässt sich nicht gehen. Und dass sie sich nicht damit zufrieden gibt. Sie sagt sich: „Was für ein blödes Leben, ich habe keine Lust, mich um die Zähne der Bourgeoisie zu kümmern.“ Sie lässt sich nicht kleinkriegen, sondern von ihrem inneren Dämon vorwärtstreiben.

Sie haben aber kein Bedürfnis, Ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen?

Fanny Ardant Im Gegensatz zu dieser Frau darf ich spielen und auf der Bühne stehen. Das ist mir ein großes Vergnügen und verschafft mir genügend Adrenalin. Langeweile gibt es da nicht. Aber ich gebe zu: Manchmal träume ich davon, zu verschwinden.

Privat Fanny Ardant (64) ist eine französische Schauspielerin. Sie war die letzte große Liebe des Regisseur François Truffaut, mit dem sie Josephine, eine von insgesamt drei Töchtern hat. Kurz nach der Geburt des Mädchens 1983 verstarb Truffaut tragischerweise an einem Gehirntumor, was Ardant in eine tiefe Krise stürzte.

Karriere Ihren Durchbruch feierte sie 1981 mit Gérard Depardieu in „Die Frau nebenan“. Nachdem es still um sie geworden war, kehrte sie 1996 mit „Auch Männer mögen’s heiß“ überraschend komisch zurück. Später glänzte sie in der Krimikomödie „8 Frauen“ und im Erotikdrama „Nathalie“. Derzeit ist sie in „Die schönen Tage“ zu sehen.

Wohin?

Fanny ArdantT Früher wollte ich zu den Rebellen der kolumbianischen Farc. Ich bot mich im Austausch für die kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt an, als sie noch in Geiselhaft war. Sie klagte immer, dass sie nach Hause wollte. Aber all die wohlmeinenden Leute nahmen mich nicht ernst: „Wie können Sie sich über die arme Frau lustig machen?“ Doch das wäre etwas gewesen – ich mit diesen schönen Männern im Dschungel.

Aber ganz ehrlich – was wäre für Sie eine echte Alternative zur Schauspielerei?

Fanny Ardant Es gäbe nur einen einzigen Job, den ich mir sonst vorstellen kann: Ich wäre gerne Friseurin – aber nicht in Paris, weil die Frauen da alle so gemein sind. Ich würde in ein winziges Dorf auf Sizilien gehen, wo ich allen die Haare schneide, bis hin zu den Mafiosi. Farbe würde ich auch machen. Ich könnte das auch, sogar Männerfrisuren, die viel schwieriger sind.

Gibt es denn Gemeinsamkeiten zwischen Schauspielerinnen und Friseurinnen?

Fanny Ardant Durchaus. Das Leben ist eine sehr schmerzvolle Angelegenheit, und wenn ich spiele, dann versuche ich meinen Zuschauern etwas von ihrem Schmerz zu nehmen. Wenn wiederum Frauen in meinen Salon kommen, dann sind sie ganz fertig und erschöpft, und sobald ich mit ihnen fertig bin, sind sie wie ausgewechselt.

Was muss ein Regisseur tun, damit Sie als Schauspielerin wie ausgewechselt sind?

Fanny Ardant Gar nicht viel. Die großen Regisseure sprechen nicht viel. Es reicht, wenn sie mir sagen, wohin und wie ich mich in einer Szene bewegen soll. Die Emotionen können sie nicht aus mir herausprügeln. Als ich mit François Truffaut „Die Frau nebenan“ drehte, bestand die Arbeit darin, dass er Gérard Depardieu und mir jeden Sonntag neue Seiten Text zum Lernen gab, und am Montag drehten wir. Als ich zu Truffaut sagte, dass ich keine Fragen hätte, war er richtig angetan. Wenn du zu viel sprichst, dann zerstörst du etwas. Franco Zeffirelli, mit dem ich „Callas Forever“ machte, sah das genauso. Am Schluss sagte er einfach: „Das haben alles nur Sie gemacht.“ Das einzige, was ich brauche, ist das Vertrauen des Regisseurs. Das verleiht mir Flügel und ich steige in Bereiche hoch, die ich nie für möglich gehalten hätte.

Was waren denn die glücklichsten Zeiten Ihrer Karriere?

Fanny Ardant Ich kann es Ihnen jetzt nicht sagen. Ich habe zwar ein sehr gutes Gedächtnis – so wie das Verrückte haben. Oder Elefanten. Aber Sie müssen warten, bis ich auf dem Totenbett liege. Dann werde ich es Ihnen verraten.

Sie denken aber hoffentlich noch nicht an den Tod. Schließlich sind Sie erst 64 Jahre alt. Da könnten noch etliche Jahrzehnte vor Ihnen liegen.

Fanny Ardant Aber ich habe keine Lust, 120 Jahre alt zu werden. Und ich halte auch nichts davon, irgendetwas gegen den Alterungsprozess zu tun. Dieses ständige Gesundheitsdenken ist doch nur eine Form von Faschismus. Warum soll ich dauernd daran denken, was ich essen und trinken soll oder dass ich Sport machen muss? Das ergibt keinen Sinn.

Aber dann bleiben Sie vielleicht bis ins hohe Alter fit und kregel...

Fanny Ardant Ach, was soll’s. Ich möchte sowieso umgebracht werden. Am besten mit einem guten Messer.

Normalerweise fürchtet sich jeder vor so etwas.

Fanny Ardant Ich mich nicht, obwohl es sicher einfacher wäre, wenn man mich erschießt. Aber ein Messer ist viel dramatischer. Mir geht es um Intensität. Wenn mir eines Tages die Stunde schlägt, dann will ich sagen: „Es war ein aufregendes Leben. Mit viel Adrenalin.“ Das ist echte Qualität. Preise oder Auszeichnungen interessieren mich nicht. Wer sich so definiert, ist arm dran. Ich will mit dem Gefühl gehen: „Ich habe gelebt, und das gut. Jetzt ist es vorbei. Voilà.“

Das Gespräch führte Rüdiger Sturm