So gut war die 2. Kölner Literaturnacht„Wir lassen hier die Buxe runter“

Anja Rützel (l.), Markus Kavka und Sabine Heinrich sprachen über Boybands im Rahmen der 2. Literaturnacht.
Copyright: Uwe Weiser
Köln – Die Literaturstadt Köln lebt. Wer hätte daran gezweifelt. Aber angenehm ist es gleichwohl, dies im Rahmen der „Kölner Literaturnacht“ nachhaltig bestätigt zu finden. Mit einem vielfältigen Programm, das dafür sorgte, dass jede Entscheidung für ein Angebot auch eine gegen verlockende Alternativen war.
16 Uhr
Los geht es mit der Zukunft der Literatur! In der Zentralbibliothek stellt Patrick Findeis die „Kölner Schreibschule für Jugendliche“ vor, die von der SK Stiftung gefördert wird. Dieser „Freiraum für Autorinnen und Autoren“ öffnet sich mehrmals im Jahr. Mit Erfolg, wie einige der bislang rund 200 Teilnehmenden auf dem Podium bekräftigen. So liest Gesa Jessen aus dem Manuskript „Ein lautes Lied“, das im Verlag Matthes & Seitz erscheinen soll. Darin der Satz: „Es schreiben die Einsamen.“
17 Uhr
Über ein Flachdach im ersten Stock geht es weiter in den Hinterhofsalon an der Aachener Straße. Der Verein Weltlesebühne würdigt hier in vier Etappen die Kunst des Übersetzens. Jetzt sind Gundula Schiffer und Heike Patzschke am Start, die eine überträgt Lyrik aus dem Hebräischen und die andere aus dem Japanischen. Das ist ein intensives Speeddating mit fremden Sprachen. Im Raketentempo bietet das Duo einen Überblick über die jeweilige Literaturgeschichte und sattelt noch Lesungen und Werkstattberichte drauf. Dann schaut Gundula Schiffer auf die Uhr. Sie muss weiter. Wir auch.
18 Uhr
Der Verein für Literaturförderung gastiert im Arttheater. Ziemlich gut die Einführung, die Özlem Özgül Dündar für Alexander Estis parat hat: Er sei zu bescheiden, um all die Preise zu nennen, die er nicht erhalten habe. Das ist schon eine Kostprobe aus Estis„ „Handwörterbuch der russischen Seele“. Eine der dort versammelten Miniatursatiren lautet: „Sibirien ist schön – es ist umso schöner, je freiwilliger du dort hingehst.“
19 Uhr
Entschieden ernster geht es im Cinenova zu. Noch hat sich die lange Schlange vor dem Tisch, an dem Seyda Kurt ihr Buch „Radikale Zärtlichkeit – Warum Liebe politisch ist“ (Harper Collins) signiert, nicht aufgelöst, da beginnt die Vorstellung der Kölner Literaturzeitschriften. Ihr schöner Titel: „Print ist nicht tot, riecht nur komisch“. Vertreten sind „KLiteratur“, „Kurze“ von der KHM, „schliff“ von der Uni und „And She Was Like: BÄM!“. Die jeweilige Auflage, das sagen die Verantwortlichen im Gespräch mit Yannic Han Biao Federer, sei übersichtlich. Doch der Spaß, eine solche „Spielwiese“ und eine solche Bühne zu pflegen, sei erheblich.
20 Uhr
Was man nicht alles verpassen kann – wir sagten es schon. Jetzt könnten wir beispielsweise im Deutzer Bürgerzentrum sein, wo Anke Glasmacher, Agnieszka Lessmann und Wolfgang Schiffer ihre Bücher aus dem Elif-Verlag vorstellen. Aber das ist nicht zu schaffen. Denn gerade haben wir noch einmal im Artheater bei Adrian Kasnitz, Christoph Danne und Peter Rosenthal vorbeigeschaut. Sie erzählen auch von dem Ort, an dem sie sich gerade befinden: Ehrenfeld. Und was ist mit den anderen Stadtteilen?
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20.30 Uhr
Im „Grünen Saal“ der Comedia in der Südstadt wird Zollstock gewürdigt. Dafür sorgt die Buchhandlung Weyer, die „Zwei aus Zollstock“ aufbietet – Bastian Schneider und Bernhard Benedixen. Schneider liest aus dem Band „Paris im Titel“ (Sonderzahl). In diesen Kleinstgeschichten geht es zuweilen weit über Zollstock hinaus. Weil sich Schneider gerne von Straßennamen inspirieren lässt, kommt es zu einer kauzigen Meditation über Subbelrath. Wir fassen zusammen: Subbelrath ist Subbelrath und will nichts anderes sein als Subbelrath.
21 Uhr
Dann drückt Sabine Heinrich im „Roten Saal“ der Comedia mächtig aufs Stimmungspedal. „Wirklich abgefahren“ sei es, dass so viel Publikum gekommen sei, um Anja Rützel über Take That und Markus Kavka für Depeche Mode schwärmen zu hören. Sie verspricht: „Wir lassen hier alle die Buxe runter.“ Das hatten Rützel und Kavka – sozusagen – schon in den beiden Fan-Büchern gemacht, die in der Musik-Reihe von Kiepenheuer & Witsch erschienen sind. Nun wird der „ultimative Battle der Boybands“ (Rützel) auf der Bühne ausgefochten – mit Witz und Fachkenntnis.
21.30 Uhr
Am Ende landen wir bei den Comics im Literaturhaus. Leo Leowald sagt: „Die Comicszene Köln war bis vor kurzem eine Behauptung, aber jetzt manifestiert sich das.“ Nämlich in dem druckfrischen Band „Mit Comics durch Köln“ (Emons). Im Literaturhaus wird er begleitet von Stefanie Schrank, die „Erotic Pop Classics“ zeichnet und singt, sowie von 18metzger, der herrliche Absurditäten aus dem Band „Totes Meer“ (Ventil Verlag) preisgibt. Einmal heißt es: „Wir haben Lesebrillen – was sonst so los ist, können wir nur raten.“ Wenn das mal kein Motto ist für alle, die der Literatur verbunden sind.
Das war die Literaturnacht, ausgerichtet vom Verein Literaturszene Köln. Eine großartige Bühne, die das Kleine und das Große zeigt. Für die Veranstalter hält Literaturhaus-Leiterin Bettina Fischer fest, wie wichtig es für Autorinnen und Autoren war, „endlich wieder präsent zu sein und gemeinsam aufzutreten“. Soll dieser Schwung beibehalten werden, bedarf es zwingend der Förderung durch die Stadt. Auf jeden Fall hat die Literaturszene schon ihre Pläne geschmiedet. Im kommenden Jahr soll die Kinder- und Jugendliteratur gefeiert werden und im Jahr 2023 die nächste „Literaturnacht“. Biennal soll es dann immer weitergehen – so weit wie der ehrenamtliche Einsatz trägt und die städtische Unterstützung anhält.