So wird der „Tatort“Alles andere als normale Krimikost

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Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) findet sich im Limbus wieder. Der Herr, der hier das Sagen hat, sieht Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) zum Verwechseln ähnlich.

Münster – Auf Nichts ist mehr Verlass. Selbst nicht mehr auf den „Tatort“ aus Münster, der bisher stets der Inbegriff amüsanter Schmunzelkrimis gewesen ist. Doch nun überraschen die Westfalen ihre große Fangemeinde mit einer todernsten, aber zum Glück nicht bierernsten Folge, die der gebürtige Hannoveraner Max Zähle nach einem Drehbuch des Grimmepreisträgers Magnus Vattrodt inszeniert hat. Und die Folge ist alles andere als normale Krimikost.

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Gleich der Beginn von „Tatort: Limbus“ (8. November, 20.15 Uhr, ARD) ist für Münsteraner Verhältnisse ungewöhnlich dramatisch. Auf dem Weg nach Holland, wo der Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) ein paar Wochen an einem Buch über seine Arbeit und den dabei allgegenwärtigen Tod schreiben möchte, kommt er mit seinem Wagen aus unerklärlichen Gründen von der Straße ab. Das Auto überschlägt sich mehrfach. Mühsam kann sich der offenbar überraschend unverletzt gebliebene Boerne befreien. Wenig später sind schon Rettungswagen und Polizei am Unfallort, auch Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) kommt kurz danach.

Unglaubliche Wendung

So weit, so normal. Aber dann nimmt die Handlung eine unglaubliche Wendung, eine, die man vielleicht in einem ersponnenen Tukur-„Tatort“ erwarten würde, aber nicht in einer Folge aus dem westfälisch-soliden Münster. Doch keine Angst: Die beiden Quotenhelden der ARD singen nicht plötzlich wie ihr künstlerisch feinsinniger Kollege Tukur, das bleibt den Zuschauern erspart. Stattdessen verwandelt sich der verunglückte Boerne in einen Geist. In eine für andere unsichtbare Erscheinung, die vergeblich versucht, mit ihren Rettern Kontakt aufzunehmen. Während gleichzeitig der reale Boerne schwer verletzt geborgen und ins Krankenhaus gebracht wird, wo er auf der Intensivstation im Koma liegt.

Boerne gibt es in diesem Krimi also gleich im Doppelpack: als Menschen, der mit dem Tode ringt, und als Geist, der im Limbus landet. In einem Zwischenreich zwischen Himmel und Hölle, in dem ein humorloses Bürokratiemonster in Gestalt ausgerechnet von Thiel das Sagen hat. Zugegeben, das klingt ziemlich abgedreht, wird aber in diesem Film erstaunlich plausibel erzählt und auch visuell umgesetzt. Und bestätigt ganz nebenbei im weiteren Verlauf der Geschichte den Verdacht, dass auf Erden die Bürokratie der wahre Vorhof zur Hölle ist.

Boerne wird mit Formularen gequält

So weit, so richtig. Es ist wirklich spaßig, wie Boerne dann mit immer neuen auszufüllenden Formularen gequält wird, dabei nach einem Ausweg aus seiner prekären Lage sucht, zwischendurch für wenige Sekunden in diesem Zwischenreich sogar auf die ja zuletzt ermordete Thiel-Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) trifft. Und wie ihm sogar einige Male die Flucht gelingt – in die reale Welt, wo ihn aber keiner wahrnimmt. Geister haben es eben schwer auf dieser Welt. Dafür erfahren sie Dinge über sich, die sie als Menschen nie erfahren hätten. So hört Geist Boerne gerührt, wie liebevoll man trotz seiner Macken über ihn spricht.

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Dennoch ist und bleibt das Leben im Limbus der reinste Stress, der zuweilen sogar absurd kafkaeske Züge annimmt. Wenn zum Beispiel eine E-Mail, die er an seine Assistentin Silke Haller (Christine Urspruch) schickt, in 666 (!) Exemplaren bei ihr ankommt. Auch das ist ein hübscher Einfall, und davon gibt es wirklich reichlich in diesem Film. Aber da ein „Tatort“ nun einmal nach einer Krimihandlung verlangt, geschieht das, was stets in solch einem Film geschieht. Das bekannte Bauchgefühl meldet sich also bei dem realen Thiel und sagt ihm, dass irgendetwas an Boernes Unfall nicht stimmt.

Daraufhin beginnt er zu ermitteln, wird dabei unterstützt von seinem neuen Assistenten Mirko (Björn Meyer). Dass dabei einfach keine Spannung entsteht, ist eine große Schwäche dieses dennoch amüsanten todernsten Krimis.

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