So wird der „Tatort“ aus KölnAm Ende gibt es nur Verlierer

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Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) tragen eine Madonnen-Figur. Karin Bongartz (Barbara Nüsse) träg ihre Krone.

Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) lassen sich von Karin Bongartz (Barbara Nüsse) dazu überreden, die Madonna aus der Kirche zu ihr nach Hause zu bringen.

Im neuen „Tatort“ aus Köln ermitteln Ballauf und Schenk in der seltsamen Zwischenwelt des rheinischen Braunkohlereviers. 

Die Rasenflächen sind akkurat gestutzt, mit Steinen gefüllte Zäune unterteilen die Welt in Mein und Dein, irgendwo weht eine Deutschland-Fahne, ein Springbrunnen plätschert vor sich hin. Die Häuser in Neu-Bützenich sind groß und geräumig. Es könnte alles so schön sein in dem kleinen Ort am Rande des rheinischen Tagebaus. Doch das Spießer-Paradies ist nur eine seelenlose Ansammlung von Häusern.

In Alt-Bützenich sieht es allerdings nicht viel besser aus. Statt Hochglanz-Neubauten gibt es hier Leerstand und Tristesse. Das Dorf sollte weichen für den Tagebau, nun steht fest, dass es nicht abgebaggert wird. Doch wem hilft das, wenn fast niemand mehr hier wohnt? Eine Dorfgemeinschaft gibt es nicht mehr.

Jahrelanges Hoffen und Bangen

Welche Folgen der Tagebau für die Menschen in der Region hat, fängt „Abbruchkante“, der neue „Tatort“ aus Köln, in ausdrucksstarken Bildern (Regie: Torsten C. Fischer, Kamera: Theo Bierkens) ein. Das Kölner Autorenpaar Eva und Volker A. Zahn hat ein Drehbuch geschrieben, das natürlich auch den genreüblichen Mord beinhaltet, vor allem aber schauen sie darauf, was der drohende Verlust von Heimat und das jahrelange Hoffen und Bangen mit den Menschen macht.

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Die einen leben in einem schon seit vielen Jahren toten Dorf, die anderen in einer Siedlung vom Reißbrett, die aus anderen Gründen ebenso trostlos ist. Heimatlos ist auch das ältere Ehepaar Schnitzler (Peter Franke und Uta-Maria Schütze). Sie ließen sich vom Arzt des Ortes, Christian Franzen (Leopold von Verschuer), zum Verkauf ihres Hauses überreden.

In Neu-Bützenich sind sie aber nie angekommen. Als bekannt wird, dass ihr altes Dorf doch nicht abgebaggert wird, wollen sie gerne zurück, aber Franzen weigert sich, ihnen das Haus zurückzugeben. Das Paar will mit Schlaftabletten Suizid begehen, Inge stirbt, Peter Schnitzler überlebt. Der alte Mann wird von Schuldgefühlen geplagt. 

Wenige Wochen später wird Franzen in seinem Haus in Alt-Bützenich erschossen. Nicht nur Peter Schnitzler hasste den Arzt. Auch Franzens Frau Betje (Lou Strenger) ist unglücklich. Nur das gemeinsame Kind hielt sie noch in dem Dorf. Und Konrad Baumann (Jörn Hetschel), der mit seiner Frau Martina (Daniela Wutte) als einer der wenigen noch im alten Dorf ausharrt, war ebenfalls nicht gut auf ihn zu sprechen. Ihm gehörte die Tatwaffe, doch für den fraglichen Zeitraum hat er ein Alibi. 

Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) müssen in „Abbruchkante“ also raus aus ihrem angestammten Kölner Revier und rein ins Umland. Die Großstadt ist nah und scheint doch unendlich weit entfernt. Weil der Oldtimer, mit dem die beiden dieses Mal unterwegs sind, kein Licht hat, sitzen die Kommissare nachts in Alt-Bützenich fest. Und quartieren sich bei Karin Bongartz (Barbara Nüsse) ein.

Das kluge Erkunden von Einzelschicksalen

Deren Pension ist schon lange geschlossen, aber für das Ermittler-Duo macht sie eine Ausnahme. Ballauf freundet sich mit der älteren Dame an. Es ist das Gefühl der Einsamkeit, das beide verbindet. Für sie lässt sich Ballauf sogar auf einen Diebstahl ein. Gemeinsam mit Freddy Schenk und der ehemaligen Küsterin entwendet er aus der Kirche eine Madonnen-Figur. Alles für den guten Zweck natürlich.

Es ist noch nicht lange her, dass die Räumung Lützeraths für Schlagzeilen sorgte und es ist kein Wunder, dass man das Dorf und die Bilder immer im Kopf hat, während man diesen „Tatort“ schaut. Eindrucksvolle Luftaufnahmen zeigen das ganze Ausmaß der Zerstörung, die für den Abbau der Kohle in Kauf genommen werden.

Eva und Volker A. Zahn haben den richtigen Zugang zu diesem Thema gewählt. „Abbruchkante“ ist kein Lehrfilm über die Folgen des Tagebaus geworden, sondern das kluge Erkunden von Einzelschicksalen, erzählt mit feinem Humor und starken Darstellern. Am Ende gibt es in Neu- und Alt-Bützenich nur Verlierer. 


Das Erste zeigt den neuen Kölner „Tatort: Abbruchkante“ am Sonntag um 20.15 Uhr.

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