Sasha Waltz & Guests bringen „Beethoven 7“ ins Kölner Staatenhaus und versinnlichen die Musik, ohne sich je zu unterwerfen.
Tanz KölnAm Ende wird aus einem Scheitern ein Triumph

Sasha Waltz & Guests gastierten mit Beethoven 7 in Köln.
Copyright: Sebastian Bolesch
Beethoven zählt nicht gerade zu den Lieblings-Komponisten der Choreografinnen und Choreografen. Zu sperrig, zu unberechenbar, zu sehr Titan eben, vor dem alle anderen verzwergen. Einige Choreografen-Genies haben es natürlich trotzdem versucht. Hans van Manen gelang es, Martin Schläpfer eher nicht, trotz seines unbestreitbaren Talents als choreografischer Musik-Versteher. Und vor zwei Jahren nun sie: Sasha Waltz. Auch Waltz hat längst bewiesen, dass sie neben lustigem Tanztheater, fein ziselierten Architekturchoreografien und Tanzopern auch die von der Klassik so skeptisch beäugte Musik-Vertanzung beherrscht. So etwa mit einer klugen Choreografie zu Wolfgang Rihms Orchesterwerk „Jagden und Formen“, die auch den Komponisten selbst beglückte. Und ja: Auch ihr Beethoven überzeugt.
Bevor man allerdings auf dem Gipfel seiner 7. Sinfonie anlangt, muss man an diesem zweiteiligen Abend durch einen Abgrund. Durch eine Art Sci-fi-Apokalypse zu gewaltigen Elektro-Sound-Scores des chilenischen Komponisten Diego Noguera. Er steigert als DJ auf der Bühne seine mystischen Klanglandschaften, bis ein ohrenbetäubendes Wummern auch die Publikumssitze beben lässt und die Detonationen wirklich alle Körper im Saal erschüttern. Ein cooler Wow-Effekt, der klarstellt: Auch wir sind wie diese „bedrohte Spezies“ auf der Bühne.
Zur Apokalypse fällt Sasha Waltz erschreckend wenig ein
Was der allerdings dazu einfällt, ist auch erschütternd: Regelrecht unbeholfen wirken ballettöse Beinkicks der Tänzerinnen und Tänzer der Kompanie „Sasha Waltz & Guests“, geschnörkelte Fäuste, dramatisch hochgerissene Arme. Da hilft auch der gut inszenierte Bombast rundherum nichts - der dicke Rauch, der geräuschvoll durch zwei Nebelmaschinen zischelt, und die interessanten silbrig-blauen Kostüme mit anfangs reptilienhaften Masken, die an Aliens denken lassen. Angesichts dieser bizarren Weltendämmerung ist man wirklich erst mal am Endpunkt jeder Hoffnung.
Doch dann, nach einer Pause: Beethoven - und alles ist anders. Zwar scheinen die Boxen im Staatenhaus unter Nogueras Weltvernichtung gelitten zu haben - sie fiepen und knispeln eigensinnig weiter. Aber die 7. Sinfonie in der Aufnahme von Teodor Currentzis strahlt darüber hinweg, wirkt wie eine Reanimation nach dem Armageddon. Und Sasha Waltz zeigt sich nun als hoch inspirierte Schöpferin neuer Welten. Grandios, wie sie Beethovens Struktur in Körperarchitekturen übersetzt, wie sie die 13 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne orchestriert.
Links flirrt eine Gruppe lasziv, groovig, optimistisch. Rechts erdet eine andere mit langsamen Schreitbewegungen den Überschwang, im Hintergrund kreuzen sich einzelne Tänzerinnen und Tänzer, vervielfachen die Komplexität, auch wenn die Bewegungen nie mit Virtuosität auftrumpfen. Irgendwann schwenkt eine Tänzerin eine große silbrige Fahne. Die zarte Gaze tanzt ihre eigene Luft-Choreografie, schwebt wie der Geist der Revolution über den Köpfen der Kompanie. Hier wird Klang in atmende Körper übersetzt, hier versinnlicht Tanz die Musik, ohne sich je zu unterwerfen. Und aus einem Scheitern wird am Ende: ein Triumph. Wenn das nicht aus dem Geiste Beethovens ist.
Nächste Vorstellung bei Tanz Köln: 10., 11.10.2025 „CRWDSPCR, Twelve Ton Rose“ von Merce Cunningham und Trisha Brown im Depot 1.