Das letzte Tanz-Köln-Gastspiel der Saison brachte mit „Silent Tides/Passing“ echten Genuss-Tanz vom kanadischen Ballet BC.
Tanz KölnHier wird herrlich überspannt geliebt, gevögelt, gelitten und gelacht

Szene aus dem Tanzgastspiel „Passing/Silent Tides“ im Depot des Schauspiel Köln
Copyright: Luis Luque
Zum Abschluss der Spielzeit einfach mal was Schönes. Kein Tanz, der intellektuell oder ästhetisch herausfordert, gar provoziert. All das gab es in der vergangenen Spielzeit von Tanz Köln, mit brillanten Stücken, gerade von einer aufregenden Frauenriege, von Choreografinnen wie Gisèle Vienne, Sharon Eyal, Florentina Holzinger, Lucinda Childs, Tânia Carvalho … - auffallend und erfreulich, wie groß in Köln der Anteil der Tanzkünstlerinnen ist, trotz des sonst nach wie vor eher männlich dominierten Choreografen-Sektors.
Zum Schluss aber durften nun zwei Männer und sie brachten: Genuss-Tanz. Mit einer bezaubernden Kompanie, dem aus Kanada kommenden Ballet BC und seinen nicht nur tanz-, sondern auch theaterbegabten Mitgliedern. Und den zwei sensiblen Bewegungssprachen der Choreografen Medhi Walerski und Johan Inger.
Mann und Frau treten beide mit nacktem Oberkörper auf
Seit fünf Jahren leitet Walerski die zeitgenössische Kompanie. Er selbst war 15 Jahre lang Tänzer beim Nederlands Danse Theater, bekanntlich nicht die schlechteste Voraussetzung für eine erfolgreiche Choreografenkarriere. Und was bei den Niederländern funktioniert, funktioniert auch bei den Kanadiern in seinem Duo „Silent Tides“: Feinnervig-sinnliche Softness, die aufgebrochen wird von unberechenbaren, schnellen Schnörkeln und Schwenks. Mann und Frau treten beide mit nacktem Oberkörper auf.
Doch als ginge es darum, der heutzutage unweigerlich aufkommenden Skepsis (männlicher Choreograf inszeniert Tänzerin 'oben ohne') zu widersprechen, ist es sie, die die Wechsel zwischen Selbstbehauptung und Intimität diktiert, zwischen solistisch raumgreifenden Bewegungen und zärtlicher Nähe. Ein sehr fein auf Nuancen achtendes Duo, dem dann der Schwede Johan Inger seine Lust an der Übertreibung entgegensetzt.
„Passing“ heißt seine herrlich überspannte und trotzdem empfindsame Ensemble-Choreografie, in der er wohl unser ‚vorübergehendes‘ Erdendasein porträtiert. Oder besser: parodiert, denn bei näherer Betrachtung lässt sich das Leben doch wirklich nicht ernst nehmen. Entsprechend verrückt wird bei Inger geliebt, gevögelt, gelitten und gelacht - wobei exzessives Heulen und Lachen als von den Tänzerinnen und Tänzern selbst produzierte Soundkulisse dann auch schon mal die Musik zum Tanz ersetzt.
Ein Stück voller verblüffender Einfälle, dazu die ganze stilistische Varianz des zeitgenössischen Tanzes, mit Zitaten aus Urban Dance, Voguing, Folklore, Steptanz, Boogie-Woogie - verheißungsvoller als mit diesem Finale kann man wohl nicht zum Gastspielprogramm der nächsten Spielzeit einladen.