Tanzabend mit Bowie und BachMajor Tom auf Zeitreise in der Kölner Philharmonie

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"Star Dust" in der Kölner Philharmonie

  • Das amerikanische Complexions Contemporary Ballet tanzt nach Songs von David Bowie und nach Musik von Johann Sebastian Bach.
  • Die vielgesichtige Kunstfigur Bowie wird durch das brillante Ensemble eindrucksvoll zum Leben erweckt.
  • Das Fazit unserer Kritikerin: Eine gnadenlos umwerfende Show, die noch bis Sonntag in Köln gastiert.

Köln – Die Bühne der Kölner Philharmonie ist in ein goldenes Licht getaucht. Ein zarter Nebel badet darin.

Aus den Boxen schallen Kompositionen von Johann Sebastian Bach und seinem Sohn, Carl Philipp Emmanuel Bach, zu denen die 16 Tänzer und Tänzerinnen des Complexions Contemporary Ballet das Parkett mal als ganzes Ensemble, mal in Trios, mal in Duetten vermessen. Bis zum Sonntag gastiert die amerikanische Tanzcompany im Rahmen des 32. Kölner Sommerfestivals erstmals seit ihrem mittlerweile 25-jährigen Bestehen in Nordrhein-Westfalen.

Im Mittelpunkt ihrer von Dwight Rhoden choreografierten zweiteiligen Show „Star Dust. From Bach to Bowie“ steht David Bowie, das wohl schillerndste und facettenreichste Pop-Phänomen seiner Zeit. Doch zuerst reist der erste Teil des Programms zurück in den Barock.

Mit traumähnlicher Magie schweben die Tänzer und Tänzerinnen über die Bühne. Die Schönheit der Musik verbindet sich dort auf dem Parkett mit den zugleich kraft- wie gefühlvollen Bewegungen des Ensembles.

Sie zeichnen Bilder von Schwänen, die auf einem nebelverhangenem See im Mondlicht tanzen, von der Verzweiflung von zwei Liebenden, die sich trennen müssen. Die strengen Muster des Barock wie auch die des klassischen Balletts lösen sich auf, durchbrochen von modernen Einflüssen.

Doch am meisten fasziniert die tänzerische Dynamik des Ensembles: In ihrem Zusammenspiel fließen die 16 individuellen Stile zusammen, doch anstatt sich zu einem großen Ganzen zu verbinden, bleiben sie alle nebeneinander bestehen und ergänzen sich gegenseitig zu einer Synthese aus Individualität und Kollektivität.

Erst kommt Bach, dann wird es grellbunt

Dennoch erreicht die Darbietung erst im zweiten Teil ihren absoluten Höhepunkt. Als die Lichter auf der Bühne nach der Pause wieder angehen, scheint sich ein völliger Bruch zu dem vorher Gesehenen ereignet zu haben. Die sanften goldenen und silbernen Lichter sind verschwunden, stattdessen strahlt eine moderne Lichtshow aus den grellen Scheinwerfern.

Auch die goldenen und silbernen Kostüme der Tänzer und Tänzerinnen, die so knapp und dezent gehalten waren, dass man hätte meinen können, sie seien nackt gewesen, wurden eingetauscht gegen grellbunte Kostüme und schillerndes, glitzerndes Make-Up. Die Haare sind nicht länger in strengen Dutts gefangen, sondern fallen in Pferdeschwänzen locker den Nacken herab.

„In jedem von uns steckt ein bisschen Bowie,“ ist sich Rhoden sicher, und das beweisen dann auch die 16 Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne. Denn neben seiner Musik steht vor allen Dingen auch die facettenreiche Persönlichkeit der Pop-Ikone im Zentrum der Performance.

Ob als Ziggy Stardust oder in seinem Spiel mit normativen Geschlechterrollen, Bowie war eine Kunstfigur durch und durch. Und es ist eben diese vielgesichtige Figur, die nun im Tanz wieder zum Leben erweckt wird.

Die düstere Eleganz von „Lazarus“, die fremdartige Melancholie von „Space Oddity“ und der Geschichte des Major Tom, der Höhepunkt seiner Berliner Zeit, „Heroes“ – die Choreografien machen sich elf Songs aus Bowies Werk zu eigen und präsentieren sie ausnahmslos hingebungsvoll und leidenschaftlich. Aus jeder Bewegung spricht Bowies Musik.

Die beiden Gründer des Contemporary Complexions Ballet gehörten zu den ersten dunkelhäutigen Solisten in ihrer Heimat, den USA. Ihre eigenen Normen und Regeln durchbrechen zu müssen, diese Erfahrung spiegelt sich heute im kompromisslosen Mix aus Techniken, Stilen und kulturellen Einflüssen ihrer Choreografien. Es geht immer auch um die Überwindung von Grenzen.

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Das Complexions Contemporary Ballet in Aktion

Die Tänzer spielen durch Drag-Elemente und bewusst überzogene weibliche Körpersprache mit dem auch heute noch hartnäckig präsenten Bild von Männlichkeit. Zu „Rock’n’Roll Suicide“ etwa stolzieren sie in kniehohen, glänzenden Plateaustiefeln auf die Bühne.

Schade nur, dass die Tänzerinnen scheinbar in ihrer Weiblichkeit gefangen bleiben. Sie treten im zweiten Teil der Show eher in den Hintergrund und bleiben davon ausgeschlossen, die Bindungen ihrer eigenen Rolle zu transzendieren.

Dies bleibt die einzige Schwäche dieser ansonsten gnadenlos umwerfenden Show. Als sich nach „Young Americans“ der schwere Vorhang noch einmal öffnet, hält es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Es nimmt die Aufforderung aus den Boxen, „Let’s Dance“, beim Wort und klatscht und tanzt auf den Rängen, während die Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne sich in das Finale eines grandiosen Abends stürzen.

Infos: "Star Dust", Philharmonie, Köln, bis 21. Juli.  

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