„Tatort“-Kritik„Lakritz“ aus Münster – Gelungene Charakterstudie

Lesezeit 3 Minuten
Tatort Münster Lakritz 2

Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Frank Thiel (Axel Prahl, r.) untersuchen eine Dose Lakritz im Haus des Opfers.

Der Fall

Hannes Wagner, Marktmeister des Münsteraner Wochenmarkts, war am Tag nach der Feier zu seinem Dienstjubiläum ins Jenseits befördert. Seit 40 Jahren hatte er den Job gemacht und sich in dieser Zeit eine schier unüberschaubare Anzahl von Feinden verschafft. Denn Wagner nutzte seine Macht, begehrte Standlizenzen zu verteilen, gnadenlos zum eigenen Vorteil aus. Und er führte akribisch Buch über die Fehltritte der Honoratioren der Stadt, und erpresste diese mit seinem Wissen.

Für „Tatort“-Fans

tatort Logo 031218

An Weihnachten gibt es mehrere neue „Tatort“-Folgen

„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.

Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.

www.ksta.de/kultur

Die Auflösung

Bei der Ausgangslage gab es viele, die als Täter in Frage kamen. Doch Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) hatte Recht mit seinem früh geäußerten Verdacht, dass der angebliche Selbstmord der Frau des Lakritz-Herstellers Harald Maltritz (Walter Hess), an den er schon als Jugendlicher vor 40 Jahren nicht geglaubt hatte, und der neuerliche Mord zusammenhingen. Beide Opfer waren vergiftet worden. Doch anders als Boernes Vermutung war nicht Monikas Exmann Bernhard der Täter, sondern ihr Vater eigener Vater. Der hatte damals herausgefunden, dass seine Frau ihn verlassen wollte. Und nun war ihm aufgrund eines Fernsehinterviews bewusst geworden, dass es damals um Hannes Wagner ging. Da wurde Harald Maltritz nochmal zum Mörder.

Das Thema

Die eigene Jugend verklärt man in der Rückschau ja gerne. Wie schwierig die Pubertät war, wie groß die Kämpfe mit sich und anderen, wie anstrengend die eigene Unsicherheit, all das blendet man aus und will es am liebsten vergessen. Da ist auch Professor Karl-Friedrich Boerne keine Ausnahme. Doch im neuen „Tatort“ aus Münster musste sich der Mediziner seiner Vergangenheit stellen. Und das hatte mit der titelgebenden Lakritze zu tun. Deren Duft hatte ihn in die eigene Vergangenheit katapultiert.

In einem fast schon psychedelisch anmutenden Farbstrudel, den Regisseurin Randa Cahoud sehr schön inszeniert hatte, reisten Boerne und die Zuschauer also in die Pubertät des heute scheinbar allwissenden Rechtsmediziners. Und wir sahen einen schon damals besserwisserischen, aber auch ziemlich linkischen Teenager (sehr schön gespielt von Vincent Hahnen), der in die zwei Jahre älteren Tochter des örtlichen Lakritz-Herstellers Maltritz verliebt war. Die Episode wurde für den jungen Karl-Friedrich allerdings zum Desaster. Etwas über die Vergangenheit des Professors zu erfahren, war für die Zuschauer hingegen eine interessante Erfahrung.

Das könnte Sie auch interessieren:

Fazit

Der „Tatort“ aus Münster hat eine große Fangemeinde, tat sich allerdings in den vergangenen Jahren häufig schwer, die richtige Balance aus Klamauk und Krimi zu finden – und scheiterte allzu oft an dieser Aufgabe. Bei „Lakritz“ hat Autor Thorsten Wettcke aber viel richtig gemacht. Die Vergangenheitsbewältigung und Charakterstudie Boernes nahm er trotz der üblichen Frotzeleien mit Thiel ernst. Und auch die Beziehung der beiden erhielt neue, sehenswerte Facetten. Immerhin halfen sie sich gegenseitig, ihre Jugendtraumata zu überwinden. Auch wenn das bedeutete, dass Thiel Cola in einen 500-Euro-Rotwein kippte. Die Krimihandlung war zwar nicht sonderlich spannend, aber auch nicht nur Mittel zum Zweck.

Die Mischung stimmte bei „Lakritz“, auch wenn etwa Thiels grundloser Gesundheitstrip etwas arg unmotiviert daher kam. Aber abgesehen von solch kleinen Schwächen war dieser Film ein sehr unterhaltsamer und gelungener Krimi aus Münster, der den Fans sicher Spaß gemacht hat. Und gute Quoten gibt es für Thiel und Boerne ja sowieso immer.

KStA abonnieren