Til Schweiger über neuen Film„Schauspielen kann man nicht lernen“

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Til Schweiger am Set des Films Barfuß aus dem Jahre 2005

Til Schweiger am Set des Films Barfuß aus dem Jahre 2005

  • Nach seinen Erfolg mit „Klassentreffen 1.0“ kommt Til Schweiger jetzt mit der Fortsetzung „Die Hochzeit“ (ab 23. Januar) ins Kino.
  • Nach dem Flop von „Head Full of Honey“, der englischen Version seines Kinohits „Honig im Kopf“, ist er mit diesem „Feel-Good“-Movie wieder oben auf.

Wann haben Sie zum letzten Mal einen Pornofilm synchronisiert?

Til Schweiger: (Lacht) Ich habe zwischen 1990 und 1994 Pornos synchronisiert. Seitdem nicht mehr.

Ursprünglich wollten Sie Lehrer werden, haben sich dann aber für die Schauspielerei entschieden. Haben sich die Erwartungen, die Sie damals an den Beruf hatten, erfüllt?

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Meine Erwartungen haben sich vehement übererfüllt. Dazu muss ich sagen, dass ich eigentlich gar keine großen Erwartungen oder Träume hatte. Als ich auf die Schauspielschule ging, habe ich allenfalls davon geträumt, mal in einem „Schimanski-Tatort“ die Hauptrolle spielen zu können. Denn 1986 gab es eigentlich keine Filmindustrie in Deutschland. Vor allem für kommerzielle Filme, die vom Publikum goutiert worden wären. Die große Ausnahme war „Männer“ von Doris Dörrie. In meinem Abschlussjahr habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich von dem Beruf überhaupt mal würde leben können. Die meisten Schauspieler waren ja arbeitslos. Ich wollte versuchen, beim Fernsehen unterzukommen; an Kinofilme habe ich damals überhaupt nicht gedacht. Da war ich 27 – und dachte, ich gebe mir Zeit, bis ich 30 bin. Wenn ich bis dahin einen Fuß in die Tür kriege, mache ich weiter; und wenn nicht, studiere ich wieder Germanistik und werde Lehrer.

Es gibt die Klischeevorstellung, dass vor allem der Wunsch nach viel Geld, Ruhm und Sex einen motiviert, Schauspieler zu werden. Sie auch?

Ich komme aus Gießen. Und in Gießen kommt man 1986 nicht auf die Idee zu sagen: „Ich will jetzt reich und berühmt werden!“ Und was den Sex betrifft: Ich hatte schon immer einen guten Lauf bei den Mädels. Auch als ich nicht auf der Schauspielschule war. Das war also nicht der Antrieb. Und an Ruhm war gar nicht zu denken. Im Gegensatz zu heute: Fast jeder will ja Influencer werden oder Model oder Schauspieler. Und oft auch aus dem falschen Antrieb. Nämlich nur, um berühmt zu sein. Wenn die denken, dass das so erstrebenswert ist, sollen sie es ruhig versuchen. Die Chancen sind allerdings eher gering.

Zur Person

Til Schweiger wurde am 19. Dezember 1963 in Freiburg geboren. In der Fernsehserie „Lindenstraße“ hatte er seine ersten Auftritte. Den Durchbruch schaffte er in den Filmen „Manta, Manta“, „Der bewegte Mann“ und „Knockin’ on Heaven’s Door“. Auch international machte sich Schweiger einen Namen, etwa durch seinen Auftritt in „ Inglourious Basterds“.

Was also war Ihr Antrieb?

Mir hat die Schauspielerei Spaß gemacht. Allerdings habe ich bald gemerkt, dass mir das nicht reicht. Denn ich wollte Geschichten erzählen, die ich selbst geschrieben habe und die ich als Regisseur auch selber inszeniere. Das ist mein eigentlicher Antrieb: Die Freude an den Dingen, die ich mache!

Sie sind Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Produzent. Sie entwerfen auch Pullover, haben einen Online-Shop, ein Hotel, ein Restaurant, eine Lodge in Südafrika und bald die MS Barefoot – ein Restaurant-Schiff …

… ich habe eben sehr viele Ideen und kreiere sehr gerne Dinge. Ich rede nicht – ich mache! Wie ich das alles unter einen Hut kriege? Indem ich mit vielen tollen Leuten zusammenarbeite. Ich produziere einen Film ja nicht allein. Wenn ich einen Film mache, dann bin ich allerdings hundertprozentig dabei und blende alles andere aus, bis auf meine Kinder. Aber sonst bin ich offen für neue Vorschläge und Ideen. Wenn man auf mich zukommt und mir etwas anbietet, das mich interessiert, dann greife ich natürlich zu. Das sage ich auch immer meinen Kindern: Ihr müsst die Chancen erkennen, die euch das Leben bietet. Und wenn sie euch gefallen – nutzt sie!

Dazu gehört auch viel Mut.

Sicher. Ich bin mutig. Ich habe auch keine Angst, Fehler zu machen. Man muss nur zu seinen Fehlern stehen. Und daraus lernen. Es gibt ja dieses Sprichwort: „Nur wer wagt, gewinnt!“ Viele Menschen trauen sich nicht, etwas zu wagen und vielleicht auch Fehler zu machen. Leider ist dann genau bei denen die Schadenfreude sehr groß, wenn jemand anderer etwas gewagt hat und dabei auf die Nase gefallen ist. Das Wort „Schadenfreude“ gibt es übrigens nur im Deutschen. Im Englischen haben sie das Wort einfach übernommen. Sollte man aber Erfolg haben mit dem, was man macht, dann wird man von denen beneidet. Schadenfreude und Neid gehören immer zusammen.

In Ihrem neuen Film „Die Hochzeit“ geht es um Liebe und Freundschaft. Was wiegt für Sie schwerer?

Im Idealfall hat man ja mit dem Partner, den man liebt, auch eine Freundschaft. Ansonsten ist das Wichtigste im Leben für mich die Freundschaft. Liebe vergeht. Freundschaften bleiben. Freunden gegenüber ist man auch toleranter. (Lacht) Man sieht sie ja auch nicht jeden Tag!

Wie hoch war denn das Budget von „Die Hochzeit“?

Viel weniger als bei „Klassentreffen 1.0“. Da hatte wir acht Millionen Euro. Bei „Die Hochzeit“ waren es etwa 1,3 Millionen weniger.

Sie äußern immer wieder in den sozialen Medien Ihre Meinung und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund. Dafür bekommen Sie schon mal den ein oder anderen Shitstorm ab. Haben Sie das Gefühl, dass man hierzulande noch alles sagen kann?

Der Handballer Stefan Kretschmar hat schon vor ein paar Jahren gesagt, dass es in Deutschland nur eine „gefühlte Meinungsfreiheit“ gibt. Und hat dafür einen riesigen Shitstorm bekommen. Er war da wohl seiner Zeit voraus. Natürlich darf man in Deutschland alles sagen, was man will. Per Grundgesetz ist die Meinungsfreiheit ja garantiert. Allerdings muss man dann auch mit den Konsequenzen leben. Leider ist es aber so, dass es oft nicht geschätzt wird, wenn man öffentlich seine ehrliche Meinung sagt.

Was waren Ihre Höhen und Tiefen der letzten zehn Jahre?

Zu den Höhepunkten gehören auf jeden Fall meine Filme „Kokowääh 1 + 2“ und natürlich 2014 „Honig im Kopf“. Der Film hatte über 7,4 Millionen Zuschauer. Ein Tiefpunkt waren sicherlich die ungerechtfertigten Rezensionen von „Head full of Honey“ in Amerika. Was dort gelaufen ist, möchte ich nicht weiter kommentieren. Privat gab es viele Höhepunkte. Menschen, die ich kennengelernt habe, die Zeit mit meinen Kindern, Beziehungen, die lange sehr, sehr schön waren …

Sie haben vor einiger Zeit wieder Ihre Fühler nach Hollywood ausgestreckt und den Thriller „Run of the Hitman“ mit Bruce Willis gemacht …

… leider nicht. Die Dreharbeiten wurden zweimal verschoben, und dann hat Bruce Willis für einen anderen Film zugesagt. Seitdem liegt der Film auf Eis und soll nun im April gedreht werden. Die Verschiebung war eine große Enttäuschung, denn ich hatte schon meinen ganzen Text gelernt. Da Englisch ja nicht meine Muttersprache ist, musste ich wochenlang vorher anfangen, mir den Text einzuhämmern. Das hat perfekt geklappt und war picture perfect. Vier Tage vor Abreise in die USA kam dann die Absage. Jetzt sind die Dreharbeiten für April anvisiert, und ich weiß nicht, ob ich dann zeitlich zur Verfügung stehen kann da ich ein eigenes Projekt vorbereite.

Wie kommen Sie – als bald wieder aktiver Action-Star – eigentlich mit dem Älterwerden zurecht?

Eigentlich ganz gut. Es zwickt halt immer mehr. Zuerst die Schulter, dann der Rücken, dann habe ich vor eineinhalb Jahren eine neue Hüfte bekommen. Aber sonst? Ich habe auch heute noch dieselbe Energie und Leidenschaft, dieselbe Lebensfreude, dieselben starken Emotionen wie früher. Ich fühle mich innerlich keinen Tag älter als 23.

Und wenn Sie in ein schwarzes Loch fallen – wie ziehen Sie sich da selbst wieder heraus?

Nach dem Misserfolg von „Head Full of Honey“ war ich wirklich sehr traurig. Ich hatte zwar keine Depressionen – denn dazu neige ich von meinem Charakter her nicht. Doch ging es mir eine Weile wirklich schlecht. Ich habe mich schließlich durch neue Arbeit wieder aus dem seelischen Tief herausgeholt. Und mit dem Drehbuchschreiben von „Die Hochzeit“.

Werden Sie Ihren Traum von einer eigenen Schauspielschule verwirklichen?

Das würde ich sehr gerne machen. Letztes Jahr hat mich Vladimir Klitschko eingeladen, um vor seiner Abschluss-Klasse an der Universität von St. Gallen zu sprechen. Vladimir hat dort über seine Erfahrungen gesprochen, die er all die Jahre im Boxsport gesammelt hatte. Und zwar vor Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft. Die waren zwar mit ihrer Arbeit ziemlich unglücklich, hatten aber nicht den Mut, etwas Neues zu beginnen. Es war also ein Studiengang, der darauf abzielte, den Mut zu schärfen, etwas Neues zu wagen. Da hatte ich einen Auftritt als Abschlussredner. Und danach habe ich mich mit den Studenten unterhalten – und die waren alle erleuchtet: nicht von meinem Vortrag, aber durch den Studiengang. Das war für mich eine echte Inspiration.

Kann man jemandem die Schauspielerei beibringen?

Nein, kann man nicht. Dazu gehört vor allem Talent. Und damit wird man geboren – oder eben nicht.

Wenn Ihr Leben ein Film wäre – was wäre der Titel?

(Lacht) Das ist einfach: „Der bewegte Mann“.

Das Gespräch führte Ulrich Lössl

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