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Trauertöne von antiker Größe

Lesezeit 3 Minuten

Das 1746 entstandene Oratorium den jüdischen Feldherrn Judas Maccabaeus, mit dem Händel zu Lebzeiten seinen größten Triumph einfuhr, ist heute vor allem dadurch ein Begriff, dass seine berühmteste Melodie aus ihm stammt – die des Weihnachtsliedes „Tochter Sion, freue dich“. Weniger geläufig ist, dass es die letzte Komposition des Meisters enthält: das 1757 „nachgelieferte“ Chorduett „Sion now her head shall raise“.

Sujethalber könnten die beiden Stücke das Ganze freilich kaum retten: Der dramaturgisch deplorable doppelte Kursus von Bedrohung, Krieg und Sieg, immer wieder eingepackt in die Anrufung Gottes zugunsten der eigenen militärischen Sache – es will heute (da die Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke wieder im Schwange ist ) nicht mehr zusagen.

Indes durchkreuzt die Musik selbst ihr eigenes affirmatives Tschinderassa immer wieder – und zum Glück gibt es Interpreten, die gerade für die Töne der Verzweiflung, der Verlassenheit und der daraus erwachsenden Inbrunst des Gebets eine hochsensible Antenne hätten. Der von Peter Neumann geleitete Kölner Kammerchor (samt Solisten und Instrumentalensemble Collegium Cartusianum), der das Werk jetzt in der Trinitatiskirche aufführte, hat diese Antenne, und so gelang über drei Stunden hinweg die farbenreiche, durch ihre starken Ausdruckswechsel fesselnde, technisch weithin einwandfreie, vor allem aber emotional bewegende Interpretation einer Musik, über der man bei schwächerer Performance immer wieder mit den Achseln zucken könnte.

Händel „at his best“

Hervorzuheben in diesem Sinne wäre zum Beispiel der vor der Pause platzierte Chor „Ah! wretched Israel!“ Ein dunkler Trauerton, dabei nicht sentimental-weinerlich, sondern im Schmerz der textgezeugten Dissonanzen zu antiker Erhabenheit stilisiert – das war Händel „at his best“. Aber der fällt eben nicht vom Himmel, sondern muss mit künstlerischer Intelligenz hergestellt werden.

Generell war der Chorklang begeisterungswürdig: Da klang – auch in den Jubelstücken – nichts angezurrt oder gewaltsam, da herrschte vielmehr eine konturierte, disziplinierte, von Neumann in den Stimmenverhältnissen austarierte schöne Fülle, die auch vergessen lassen konnte, dass hier nur 24 Sänger am Start waren.

Überzeugend, weil hochpräsent, stimmschön und metiersicher, auch die Vokalsolisten Hanna Zumsande (Sopran), Elvira Bill (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Tobias Berndt (Bass) – auf diesem Niveau fällt es schwer, Qualitätsunterschiede zu bezeichnen. Stets aufs Neue ereigneten sich schöne Details – etwa die kontrastive Setzung einer lyrischen Phrase gegen ein energisches Orchestermotiv in der Arie „Non, no unhallow’d desire“. Auch im Mikrobereich also überließ Neumann seine Klangvorstellung nie einem pauschalisierenden Laissez-faire.

Ansprechend (bis auf ganz wenige leicht schummrige Einsätze) schließlich die Leistung des Collegium Cartusianum. Dem Rezensenten fiel (bedingt wohl auch durch seine Platzierung) die hervorragende, rhythmisch immer wieder stark anfeuernde Bassgruppe auf. Da wurde nachdrücklich vor Ohren geführt, warum der Continuo zu Recht als das Schlagzeug des Barockorchesters bezeichnet wird.