BuchbesprechungWarum das neue Wolff-Werk über Trump nur noch für Achselzucken sorgt

Die Installation „Everything is fine“ von Jacques Rival im französischen Metz.
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- Der amerikanische Michael Wolff hat bereits das viel beachtete Enthüllungsbuch „Feuer und Zorn” über Donald Trump geschrieben.
- In seinem neuen Buch „Unter Beschuss” analysiert er die erste Amtszeit des US-Präsidenten sehr detailreich und kommt erneut zu einem vernichtenden Urteil.
- Leider ist dem Buch anzumerken, dass es mit heißer Nadel gestrickt wurde. Und wie hilfreich ist der nervige Verdammungsfuror?
- Unsere Buchbesprechung.
Köln – Wer „Feuer und Zorn“ verbreitete, gerät nun selbst „unter Beschuss“.
Der amerikanische Journalist Michael Wolff lässt – ablesbar ist das an den Titeln seiner beiden bislang diesem unerschöpflichen Thema gewidmeten Bücher – die Trump-Story gleichsam als Fortsetzungsroman erscheinen: Widmete sich das erste Buch dem Beginn der Präsidentschaft des Mannes mit den orangefarbenen Haaren, so beleuchtet der Folgeband „Unter Beschuss – Trumps Kampf im Weißen Haus“ (Rowohlt, 478 Seiten, 22 Euro) die Zeit zwischen dem Februar 2018, also dem Beginn von Trumps zweitem Amtsjahr, und dem Januar des Folgejahres.
Den Endpunkt setzt die Veröffentlichung des vom Sonderermittler Robert Mueller und seinem Team erstellten Berichts über Trumps gemutmaßte illegale Russland-Connection.
Mit heißer Nadel gestrickt
Ein Jahr – das ist nicht viel, mag man sagen. Doch, in Trumps Universum ist es das, und Wolff füllt seine 478 Seiten auch durchaus nicht mit Schmu.
Das Buch wurde mit heißer Nadel gestrickt, genauso wie die deutsche Fassung, an der eine Schar von nicht weniger als zehn Übersetzern beteiligt war. An den stehengebliebenen Fehlern merkt man die hastige Erstellung. Klar, Rowohlt will mit Trump Kohle machen, und der Autor, dem weder seine investigative Verve noch die Ehrlichkeit seiner kopfschüttelnden Empörung bestritten seien, selbstverständlich auch.
Die grausige Farce im Weißen Haus dauert an
Trump sells wie eine Daily Soap, die Angst, die er erzeugt, verbindet sich mit einem Lustgewinn eigener Art – unser öffentlicher Gefühlshaushalt und unsere Aufmerksamkeitsökonomie ticken halt so. Hier indes liegt ein Problem, das sicher mit Trump, viel mehr aber noch mit den Routinen seiner publizistischen Ausbeutung zu tun hat.
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Klar, die grausige Farce im Weißen Haus dauert an – wie auch nicht, der unheimlich-clowneske Präsidentendarsteller ändert sich ja nicht. Allein die Überschriften von Wolffs einzelnen Kapiteln seiner erzählenden Chronik rufen die Pseudopolitik, die Pleiten, das Chaos, die Intrigen und Gesetzesbrüche, die gierige Geschäftemacherei, die entsetzliche Laienschauspielerei auf höchster Ebene noch einmal in Erinnerung: Trump und die Frauen, Trump im Ausland, Trump und Putin, Michael Cohen, Manafort, Kushner, Hannity, Kavanaugh, Midterms, Shutdown, Die Mauer.
Donald allein zu Haus
Ein Teil der Namen aus dem Bauch des West Wing sind freilich längst im Schlund des Vergessens verschwunden – selbstverschuldete Opfer des gigantischen Personalverschleißes, den Dilettantismus, Speichelschleckerei und Illoyalität im Umfeld eines infantil-größenwahnsinnigen Realitätsleugners notwendig produzieren. Donald allein zu Haus – so lässt sich die mittlerweile eingetretene Situation mit Wolff treffend beschreiben.
Tatsächlich springt bei all dem auch das Psychogramm eines im Wortsinn bemerkenswerten Mannes heraus: Ja, sagt der Autor, Trump ist irgendwie verrückt, krank im Kopf, dabei aber nicht auf eine ordinäre Weise dumm, sondern sogar außerordentlich clever im Gespür für das, was bei seiner nach wie vor beträchtlichen Anhängerschaft ankommt, clever auch in der skrupellosen Demagogie seiner Feinderklärungen und Frustrationsableitungen – und in der begnadeten Hemmungslosigkeit der Lüge. Und doch kommt immer wieder die Stunde der Wahrheit, etwa nach dem desaströsen Treffen mit Putin in Helsinki – vor dem Trump, statt sich seriös vorzubereiten, in Schottland Golf spielte.
Wolff hatte keinen direkten Zugang zum Weißen Haus
Im Unterschied zu seinem ersten Buch hatte Wolff diesmal keinen direkten Zugang zum Weißen Haus. Das ist ein Nachteil, jetzt wird halt viel aus zweiter Hand aufbereitet. Sein Hauptgewährsmann ist wieder mal Steve Bannon – problematisch genug, denn Bannon ist nun wirklich ein Bad Guy der US-Politszene –, aber der sitzt bekanntlich auch nicht mehr an Ort und Stelle.
So muss der Wahrheitsgehalt des neuen Buches im Einzelfall offenbleiben, in den USA gab es bereits Einsprüche: Es habe im Mueller-Team, so wurde bedeutet, keinen geheimen Entwurf einer Anklageschrift gegen den Präsidenten gegeben. Allerdings: Wenn auch nur 50 Prozent von Wolffs Angaben korrekt sind, reicht es für ein rundum vernichtendes Urteil über eine Präsidentschaft.
Der Mann ist eben immer noch da
Das aber ist der springende Punkt: Man liest „Unter Beschuss“ einerseits mit leichtem Achselzucken, weil man dank Gewöhnung nichts anderes mehr erwartet. Andererseits geht einem der Verdammungsfuror ein wenig auf die Nerven – nicht weil Wolff mit seinen politischen und moralischen Wertungen falsch liegt, sondern weil alle Kritik, alle theoretische Erledigung, alle Schmähung und alle Unmöglichkeitsbehauptung das Phänomen nicht aus der Welt schafft. Der Mann ist eben immer noch da.
Ein wenig fühlt man sich an Hegels Kritik der Kant’schen Pflichtethik erinnert, der er „die Ohnmacht des bloßen Sollens“ vorwarf. Anhand von Trump führt Wolffs Buch diese Ohnmacht übrigens performativ vor: Der Totenschein, den er seinem Hasshelden angesichts der seinerzeit bevorstehenden Zwischenwahlen wie auch des drohenden Mueller-Berichts prospektiv ausstellt, wird am Ende in kleine Stücke zerrissen – für ein Impeachment-Verfahren gab der Bericht nicht genug her. Da war der Wunsch der Vater des Gedankens, und der Typ im Weißen Haus drehte seinen Verfolgern wieder einmal eine lange Nase.
Gäbe all dies nicht einmal Anlass, dem Phänomen Trump und des „Trumpismus“ eine andere Sichtweise als die des aus wohlfeiler Moral gesteuerten Erledigungswillens abzugewinnen? Weil die allzu sehr dem Hasen zwischen den beiden Igeln ähnelt? Wäre es nicht an der Zeit, sich unvoreingenommen dem überwältigenden Vorhandensein der Tatsache Trump zu stellen? Und sie in ihrem ganzen Umfang kognitiv zu erschließen? Vielleicht erwüchsen daraus sogar ungeahnte Kräfte der Gegenwehr.