US-SängerinWarum Taylor Swift ihre Klassiker noch einmal neu aufnimmt

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (4)

Taylor Swift

New York – Auf den ersten Blick scheint Taylor Swift die Frau zu sein, die alles hat: Ihre Alben und Singles verkaufen sich im dreistelligen Millionenbereich; sie ist die erste Künstlerin, die dreimal den Grammy für das Album des Jahres gewonnen hat; und selbst die Kritiker sehen sie nicht länger nur als massenkompatible Sängerin, der der Drahtseiltanz vom Country- zum Popstar gelungen ist, sondern endlich auch als eine der wichtigsten Songschreiberinnen des 21. Jahrhunderts. Warum sollte sich Swift, die mit „Folklore“ und „Evermore“ zwei der erfolgreichsten Platten des Jahres 2020 herausgebracht hat, jetzt mit der Tüftelarbeit aufhalten, ihre ersten sechs Alben noch einmal neu einzuspielen?

Gerade ist mit „Fearless“ das erste dieser Ton-für-Ton-Remakes erschienen. Das Original stammt von 2008, es war das zweite Album der damals 18-Jährigen.

Tatsächlich hat Swift gute Gründe für ihr seltsames Projekt. Es gibt nämlich etwas, was der Frau, die alles hat, fehlt: Die Rechte an den Tonbändern, den „master recordings“ der Lieder, mit denen sie berühmt geworden ist. „Master recording“ nennt man die Originalaufnahme eines Songs oder eines Albums, jene also, von der alle anderen Kopien stammen.

Wertvoller Besitz 

Wer im Besitz dieser Bänder ist, kann sie – zusammen mit dem Autor oder den Autoren eines Songs – an Dritte lizenzieren, also am Einsatz eines Songs in einer Werbung, einer TV-Serie oder einem Film verdienen. Und natürlich verdient der Besitzer auch kräftig an den Verkäufen und Streams eines Songs, vor allem im Fall einer so beliebten Künstlerin wie Taylor Swift.

Doch auch sie hat nicht als Star angefangen, weshalb sie 2005 – da war sie 15 – einen Vertrag mit Scott Borchettas neu gegründeten Label Big Machine Records unterschrieben hat, der einem Muster folgte, das in der Musikindustrie damals üblich war: Die Plattenfirma schießt dem Künstler das Geld für die Aufnahmen eines Albums vor und behält im Ausgleich die Rechte an den Originalaufnahmen. Ein fairer Deal war das nie.

Rechte verweigert

2018, als ihr Vertrag mit Big Machine erfüllt war, wechselte Swift zur Universal Music Group. Die garantierte der Sängerin die Rechte an ihren Originalaufnahmen, Big Machine dagegen – so behauptet es Swift – verweigerte ihr die Chance, die Rechte an ihren alten „master recordings“ zu erwerben und verkaufte diese stattdessen an Scooter Braun und damit an den Manager ihres Intimfeindes Kanye West.

Normalerweise laufen solche Geschäfte unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab, Swift aber wandte sich an ihre Fan-Armee und klagte, dass ihr musikalisches Erbe nun ausgerechnet in die Hände des Mannes gefallen sei, der versucht habe, es zu zerstören. Braun verkaufte die Rechte an eine Investmentfirma, Swifts Racheplan änderte das nicht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch, weil es um sehr viel mehr geht als Rache. Zuvörderst einmal ums Geld: Denn wenn Swifties, wie ihre treuesten Fans genannt werden, in Zukunft alte Songs ihres Idols streamen wollen, werden sie selbstredend die Neueinspielungen anklicken.

Was auch bedeutet: Mit jeder Neuaufnahme sinkt der Wert der alten Einspielungen. Die neuen physischen Tonträger – die Originaltitel werden um den Zusatz „Taylor’s Version“ ergänzt – warten zudem mit zahlreichen unveröffentlichten Songs aus der jeweiligen Zeit auf.

Doppelt verdienen

Bislang blockierte Swift jede Lizenzierung ihrer alten Aufnahmen, das konnte sie, weil sie als Autorin ein Vetorecht besitzt. An den Neuaufnahmen kann sie nun als Autorin und Besitzerin der „Master recordings“ doppelt verdienen. Demnächst werden also zahlreiche Swift-Titel in Autowerbungen und Hollywood-Blockbustern zu hören sein.

Aber auch Geld ist nicht alles: Zwischen 2014 und 2017 hatte die Sängerin ihre Songs nicht zum Streamen freigegeben (und so auf Millionen-Einnahmen verzichtet), weil sie mit der Tantiemen-Politik von Spotify nicht einverstanden war. Angeblich beinhaltet ihr neuer Vertrag auch das Versprechen, dass Universal, sollte es seine Anteile an Spotify verkaufen, alle Künstler des Labels am Profit beteiligt.

Ein Vorbild

Und nicht zuletzt gibt Swift nachfolgenden Künstlerinnen und Künstler hier ein Best-Practice-Muster dafür vor, welche Fehler man vermeiden sollte. Beziehungsweise zeigt sie, wie man sich selbst ermächtigt, um solche Fehler wieder auszubügeln. „Fearless“, „Furchtlos“, das ist der ganz richtige Titel für diese Revolution von oben.

„Fearless“ (Taylor’s Version), Republic/Universal Music

KStA abonnieren