American Music AwardsTaylor Swift reißt alle Rekorde – und bleibt der Gala fern

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Taylor Swift 

Taylor Swift 

Los Angeles – „Army Bomb“, man lernt wirklich nie aus, nennt sich der offizielle Leuchtstab, mit dem sich Fans des südkoreanischen Septetts BTS auszurüsten pflegen. Dessen kugeliges Ende stellt einen Globus dar, passend zu den Welteroberungsplänen der derzeit erfolgreichsten Band, das „Boy-“ davor kann man getrost streichen.

BTS jedenfalls sind zum Höhepunkt der American Music Awards aus dem Olympiastadion aus Seoul zugeschaltet, wo sie ihre neue, balladeske Single „Life Goes On“ präsentieren und ihre Disco-Hymne „Dynamite“, den meistgestreamten Song des Jahres 2020. Ein Kameraflug über das Stadion enthüllt ein Meer aus lila leuchtenden Army Bombs im Innenraum und auf den Rängen des Stadions.

Lightshow statt Fans

Doch fanden sich am Ende der Leuchtstäbe keine Fans. Südkorea ist nicht umsonst das Musterländle der Corona-Bekämpfung. Hatten BTS eine gigantische Scheinwerfer-Batterie aufbauen lassen, oder waren die Army Bombs bloß computergeneriert? Eventuell ist die Gruppe auch vor einem Greenscreen aufgetreten. Wenn ja, war dann der ganze „Live-Auftritt“ nur ein vorproduzierter Einspieler?

Die korrekte Antwort auf alle diese Fragen lautet: Es ist egal. Auch bei der Gestaltung von Preisverleihungsgalas wirkt die Pandemie als Brandbeschleuniger der Digitalisierung. Die American Music Awards werden seit 1973 vom US-Sender ABC als Gegenveranstaltung zu den offiziöseren Grammys ausgerichtet, sie verzichten auf eine Jury, belohnen stattdessen Popularität. Nominell fanden sie in der Nacht zu Montag im Microsoft Theater in Los Angeles statt, vor wenigen, getesteten Zuschauern.

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Aber wie schon MTVs Video Music Awards im September, die offiziell „über den Dächern von New York“ stattfanden, sich tatsächlich jedoch erst im jeweiligen Endgerät des Publikums zusammenfügten, benötigen die AMAs weder einen Ort, noch ein Publikum an demselben.

The Weeknd hatte die VMAs mit einer Frischluftperformance von der Aussichtsplattform des dritthöchsten New Yorkers Gebäudes eingeläutet, nun singt der König des derangierten R’n’B auf einem verlassenen Freeway mitten in Los Angeles. Die aufgeschminkten Gesichtsverletzungen von damals hat er nun einbandagiert, nur Augen und Mund sind frei geblieben.

Überwintern im Studio

Die wichtigste Person des Abends hat nicht einmal ihr kleines Studio verlassen: Taylor Swift ist bereits zum sechsten Mal und zum dritten Mal in Folge „Artist of the Year“ geworden, liegt mit insgesamt 32 American Music Awards uneinholbar an der Top-Position, selbst Michael Jackson wurde nur 26 Mal ausgezeichnet. Sie habe gerade damit angefangen, entschuldigt Swift ihre Abwesenheit in einem vorab aufgenommenen Statement, ihre ersten sechs Alben neu einzuspielen, deren ursprüngliche Masteraufnahmen gegen ihren Willen verkauft worden waren.

Andererseits passt die Puzzlearbeit, der sich Swift nun unterzieht zum Lockdown-Jahr. Und schließlich hatte die 32-Jährige auch auf „folklore“, dem erfolgreichsten Album des Jahres, in die „Walden“-Einsamkeit zurückgezogen und Bilanz gezogen. Ruhm finden die Popstars anno Corona in der kleinsten Hütte oder im leersten Stadion. Seltsam, dass man sich ihnen gerade jetzt so nahe fühlt.

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