Vom Auszug aus Ägypten

Die Herausgeber Jürgen Wilhelm (l.) und Thomas Otten, die Autorinnen Christiane Twiehaus (l.) und Claudia Hessel
Copyright: Peter Rakoczy
„Gedenkt dieses Tages, an dem ihr aus Mizraim gezogen seid, aus dem Sklavenhaus, dass mit starker Hand euch der Ewige von hier herausgeführt, und nicht soll Gesäuertes gegessen werden.“ Schemot (2. Mose), 13,3.
Jedes Frühjahr vergewissern sich die Juden der Geschichte, wie die Vorfahren aus dem Lande Ägypten – hebräisch Mizraim – fortzogen, und sie feiern diese Befreiungstat mit einem ausgiebigen Fest, der Pessach-Feier, bei der neben Wein und ausgesuchten Speisen auch ein Buch auf dem reich gedeckten Tisch liegt – die Haggadah, eine über die Generationen immer wieder variierte und kommentierte Erzählung, mit der die Alten die Jungen unterweisen. „Erzähl es deinen Kindern“, so lautet das Leitmotiv des Pessach-Fests; erzähl, wie das Volk das Joch der Sklaverei abwarf und ins Gelobte Land aufbrach, auf dass die Geschichte nie vergessen werde.
Einer, der sich dieser literarisch-mythologischen Traditionspflege so intensiv verbunden fühlte, dass er eine eigene, nur mit einem einzigen „g“ versehene Hagadah veröffentlichte, war Isaac Offenbach. Der Vater des Komponisten Jacques kam 1802 als Isaac Juda Eberst aus Offenbach nach Deutz, wo er auch auf dem jüdischen Friedhof begraben liegt. Es war die Franzosenzeit im Rheinland, so dass Isaac nach napoleonischer Jurisdiktion den offiziellen Familiennamen Offenbach erhielt – 1816 siedelte die Familie nach Köln über, das erst seit 18 Jahren wieder Jüdinnen und Juden dauerhaft in seinen Stadtgrenzen duldete. Auch hier wirkte sich die französische Gesetzgebung positiv aus, denn die neuen Einwohner erfreuten sich eines wenn auch eingeschränkten Bürgerrechts. Isaac wird Kantor der 1801 neu gegründeten Jüdischen Gemeinde, und die musikalische Leidenschaft schlägt sich auch in der Gestaltung seiner Hagadah nieder: Althergebrachte Lieder versieht er mit eigenen Melodien, etwa für die aramäische Volksweise vom Lämmchen, die er in ein äußerst bedächtiges Tempo setzt.
Diese Noten, aber natürlich vor allem auch die „Erzählung von Israels Auszug aus Egypten zum Gebrauche bei der im Familienkreise stattfindenden Feierlichkeit an den ersten beiden Abenden des Matzoth-Festes“ dokumentiert nun ein wunderbares Buch des Greven-Verlags, das im Grunde gleich aus zwei Büchern besteht – aus der Hagadah Isaac Offenbachs in hebräischer Sprache und deutscher Übersetzung, so wie er sie damals schon einem Publikum anbot, das die Diktion der Bibel in Zeiten der Emanzipation teilweise nicht mehr verstand. Und in einer gegenüberliegenden Begleitpublikation, mit der die Herausgeber Jürgen Wilhelm und Thomas Otten sowie die Autorin Christiane Twiehaus das Werk und seinen Erzähler beschreiben.
Ein Buch also, das sich als schriftliche Manifestation eines Projekts begreifen lässt, dessen bauliche Ausprägung das Jüdische Museum über der Mikwe sein wird – nämlich die jüdische Erinnerung der Stadt wieder lebendig werden zu lassen. „Hagadah, oder die Erzählung von Israels Auszug aus Egypten“, hrsg. von Thomas Otten und Jürgen Wilhelm, 148 S., Greven, 18 Euro
Fotos: Rako, Greven-Verlag, Stadtarchiv Köln