WDR-Konzert in der PhilharmonieEine chorische Glanzleistung bei Mahlers Auferstehungssinfonie

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Cristian Măcelaru schaut konzentriert, hinter ihm musizieren Mitglieder des Orchesters.

Cristian Măcelaru dirigiert das WDR Sinfonieorchester

Das WDR Sinfonieorchester spielte in Köln Gustav Mahlers zweite Sinfonie. Der Chor glänzte nach irritierenden Anfangsschwierigkeiten. 

Gustav Mahler und seine Ehefrau Alma – das war zweifellos eine der auch in ihrem Scheitern faszinierendsten Paarbeziehungen der Musikgeschichte. Nicht nur, aber auch deshalb, weil – es wird übrigens bis zur Stunde gern übersehen – Alma als Schülerin von Alexander Zemlinsky selbst Komponistin war. Was sie dann in ihrer Ehe nicht mehr sein durfte. Im jüngsten WDR-Konzert unter Cristian Măcelarus Leitung wurde die Verbindung dadurch gewürdigt, dass man der Aufführung von Mahlers zweiter, der Auferstehungssinfonie, mit dem (von Clytus Gottwald in eine klanglich berückende achtstimmige Chorversion gebrachten) Klavierlied „Die stille Stadt“ ein Werk der Ehegattin voranstellte. Dabei wurde sogar eine motivische Verknüpfung insinuiert: Das „Lichtlein“ eines „Lobgesangs aus Kindermund“, mit dem sich im Lied die düstere Stimmung des Beginns auflöst, sollte dem Schluss der Sinfonie präludieren. Nun langt zwar Mahlers privatreligiöse Auferstehungsfeier ideell und musikalisch weit über Almas Miniatur hinaus, aber anregend und interessant war die Gegenüberstellung allemal.

Wiebke Lehmkuhl gestaltete Mahlers „Urlicht“ mit anrührender Schlichtheit

In der Sinfonie muss der Chor freilich – hier formierte er sich aus den im Block Z vereinigten Rundfunkensembles aus Köln und Berlin – auf seinen Auftritt lange warten, bis zum Schluss des fünften Satzes. Und er steigt dann – auf das Hauptthema des Finales – nicht etwa mit Aplomb ein, sondern „misterioso“, in dreifachem pianissimo. Das erfordert von den Sängerinnen und Sängern höchste Anspannung und Konzentration. Die mussten sie diesmal sogar noch sitzend aufbringen – eine Entscheidung, die schwer nachzuvollziehen ist. Was prompt nicht ganz genau „saß“, war dann auch der erste Akkord. Das korrigierte sich allerdings sehr schnell, und es gelang doch noch eine chorische Glanzleistung mit dichtester Linienführung, homogener Klanglichkeit, dramaturgisch klug ausgeschöpften Steigerungspotenzialen und einer gewaltigen, aber nie brüllenden Apotheose. Aus ihr lösten sich die luziden Stimmen der Solistinnen Hanna-Elisabeth Müller und Wiebke Lehmkuhl (die das vorangehende „Urlicht“ mit anrührender Schlichtheit gestaltet hatte) ganz unforciert heraus.

Per aspera ad astra – aus Nacht zum Licht: Diese „affirmative“ ideenmusikalische Hintergrundkonstruktion des Werkes gegen den Strich zu bürsten, dürfte wohl eine noch so kritische Mahler-Interpretation kaum schaffen. Măcelaru versuchte das auch gar nicht erst, sondern nahm die entsprechenden Gesten und Embleme sozusagen eins zu eins. Er tat das allerdings im Sinne einer bemerkenswert dramatischen Zuspitzung, die jeden Augenblick mit Intensität und Spannung erfüllte. Das ist nicht selbstverständlich, denn über Mahlers Vortragsanweisungen kann der deutende Dirigent auch schon mal verzweifeln.

So klingen die auffahrenden Streicherbässe am Beginn des Eröffnungssatzes, als hätte sie der Komponist mit seinem beliebten „Mit Wut“ überschrieben. Dort aber steht als Spielvorschrift „Mit durchaus ernstem und feierlichem Ausdruck“. Wie auch immer, auf höchstem Spielniveau gelang eine so drastische wie differenzierte Auffächerung der unterschiedlichen Affektbereiche zwischen Zerstörung und Idylle, Desaster und Triumph, erlebtem Diesseits und geträumter Transzendenz – inklusive der genau platzierten Verwandlungen, Brüche und Übergänge. Nahezu auratisch gestaltete sich immer wieder das Cantabile der Streicher. Nicht lange bitten ließ sich Măcelaru, wenn es um dynamische Entfesselung ging, aber gerade der dritte Satz mit der erfolglosen Fischpredigt des Antonius von Padua gewann seine überwältigende Trostlosigkeit vor allem durch die konsequente Deckelung der Lautstärke.

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