WDR Sinfonieorchester unter MăcelaruMelancholie liegt in der Luft

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Cristian Măcelaru ist Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters

Cristian Măcelaru ist Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters

Der Solist Kian Soltani überzeugt mit seinem ausgesprochen schönen, emotional erfüllten und gleichmäßig vibrierenden Celloton in der Philharmonie.

Das Ende ist noch vergleichsweise fern, aber doch schon absehbar: Vor wenigen Tagen verkündete Cristian Măcelaru, dass er seine Tätigkeit als Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters im Sommer 2025 beenden werde. Beim ersten gemeinsamen Konzert nach der Bekanntgabe lag eine gewisse Melancholie in der Luft - aber nicht ob der bevorstehenden Trennung, sondern weil Melancholie nun einmal das hervorstechende Merkmal des Cellokonzerts von Edward Elgar ist, das zu Beginn des Abends auf den Pulten lag.

Weite Melodielinien treiben im nachgiebigen Neunachteltakt durch milchige, verhangene Klanglandschaften - eine mürbe gewordene Romantik zelebriert ihren Untergang. Der Solist Kian Soltani, als Spross einer persischen Musikerfamilie 1992 in Bregenz geboren, hatte diesen spezifischen Tonfall perfekt „drauf“. Sein ausgesprochen schöner, emotional erfüllter und gleichmäßig vibrierender Celloton schwebte in vollendeter Noblesse über dem gedämpften Orchesterklang.

Die Interpretation ist frei von jeder Eile und Unrast

Die rezitativischen Verbindungsglieder zwischen den Sätzen waren mit viel Bedacht geformt, wie überhaupt die ganze Interpretation frei von jeder Eile und Unrast war - vielleicht nicht überall zu ihrem Vorteil: Dem kapriziösen Scherzo wären ein wenig mehr Witz und Schärfe durchaus bekommen, beim Solisten ebenso wie im Orchester. Die vorherrschende Stimmung weicher Wehmut wollten die Beteiligten auch bei der Zugabe nicht verlassen, einer Bearbeitung des Abendliedes op. 85/12 von Robert Schumann.

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Deutlich mehr zur Sache ging es nach der Pause in der dritten Sinfonie von Sergej Rachmaninow, 1936 vollendet und damit gleichfalls eine Spätblüte der Romantik. Das Stück ist bei amerikanischen Orchestern deutlich beliebter als bei europäischen, was nicht zuletzt an seinem üppig luxurierenden und knallig bravourösen Sound liegt. In dieser Hinsicht konnte es das WDR Sinfonieorchester indes mit den Kollegen aus Boston oder Philadelphia mühelos aufnehmen und führte das auch mit unverhohlener Klanglust vor.

Cristian Măcelaru ist bei solchen sinfonischen Cinemascope-Formaten ja ohnehin ganz in seinem Element - besonders im Finale, dessen brüchige Kohärenz er durch ein ausgefeiltes Spiel von Kontrast und Steigerung souverän überspielte. Zum Dank für den Beifall wurde noch einer der größten Rachmaninow-Hits nachgelegt, die tränenfeuchte Vocalise op. 34/14. Beim Verlassen des Saales mokierte sich eine Dame naserümpfend über diesen „Kitsch“, aber eigentlich ist das nicht fair: Für Kitsch ist diese Musik viel zu gut komponiert.

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