Kommentar zu „Die letzte Instanz“Man muss dankbar für diese Rassismus-Debatte sein

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Moderator Steffen Hallaschka (l) mit den Gästen von „Die letzte Instanz“ v.l.n.r. Schlagersänger Jürgen Milski, Autor und Moderator Micky Beisenherz, Schauspielerin Janine Kunze und Entertainer Thomas Gottschalk.

Düsseldorf – In der WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ mit Steffen Hallaschka diskutieren prominente Gäste über jeweils vier Themen – und sollen dabei kein Blatt vor den Mund nehmen. In der Ausgabe am Samstagabend waren bei Moderator Hallaschka Autor Micky Beisenherz, Moderator Thomas Gottschalk, Schauspielerin Janine Kunze sowie Schlagersänger Jürgen Milski zu Gast. Sie diskutieren „mit großem Herz und großer Klappe“, so der WDR, unter anderem über die Frage, ob es richtig war, die Z-Sauce umzubenennen. Und so viel steht fest: Deutliche Meinungen wurden geäußert. Leider.

„Da haben wir uns gar keine Gedanken drüber gemacht", entblödete sich etwa Jürgen Milski nicht zu sagen. Das glaubt man ihm sofort. Nur ist das leider überhaupt kein Argument. 

Und auf diesem unterirdischen Niveau ging es weiter. „Wenn ich einen schwarzen Menschen einen Mohr nenne, hat das nichts damit zu tun, dass ich auch nur ansatzweise den Respekt ihm gegenüber vermissen lasse", sagte Thomas Gottschalk. 

Janine Kunze blamiert sich beim Thema „Zigeunersauce“

„Haben die nicht das Recht, selbst zu entscheiden, wie sie genannt werden möchten?", fragte Moderator Hallaschka zum Thema „Zigeunersauce" immerhin. Aber Janine Kunze sagte allen Ernstes, da „haben vielleicht zwei oder drei Leute nichts Besseres zu tun und fangen mit so einem Quatsch an. Ich finde es nervig."

Es ist wirklich erstaunlich und erschreckend, wie viel Ignoranz in dieser Diskussion zu bestaunen war. Thomas Gottschalk erzählte freimütig, er habe sich das Gesicht schwarz angemalt und sei als Jimi Hendrix auf eine Kostüm-Party gegangen, auf der ansonsten nur Weiße gewesen seien. „Ich habe zum ersten Mal gewusst, wie sich ein Schwarzer fühlt", so Gottschalk und bezeichnete den Moment als Erweckungserlebnis. Einen Auftritt auf einer Kostümparty mit den Rassismuserfahrungen von Schwarzen gleichzusetzen, ist auf so vielen Eben verwerflich, dumm und gefährlich, dass es den Atem stocken lässt.

Und wo sie gerade dabei waren, machten sie die Anwesenden dann auch gleich noch über gendergerechte Sprache und Ansätze lustig, etwa nicht mehr von Ausländern zu sprechen. Alles albern, alles lästig. So das einhellige Urteil. Einzig Micky Beisenherz wagte mitunter einen zaghaften Vorstoß, darauf hinzuweisen, dass unsere Verwendung von Sprache Auswirkungen auf unser Denken und Handeln hat.

Was aber neben all den dummen Nicht-Argumenten, die da angeführt wurden, fast noch erschreckender war ist die Tatsache, dass der WDR offenbar ernsthaft glaubt, es sei erstens eine gute Idee, diese Frage überhaupt zu diskutieren und zweitens weiße, privilegierte Menschen über Rassismus und Ausgrenzung sprechen zu lassen.

Verrückter Vorschlag: Vielleicht hätte ja jemand vom Zentralrat der Sinti und Roma etwas zu dem Thema zu sagen gehabt. Er oder sie hätte dann bestimmt auch erklären können, dass die Diskriminierung und Ausgrenzung dieser Bevölkerungsgruppen im Dritten Reich dazu führte, dass Hunderttausende „Zigeuner" von den Nazis ermordet wurden. Und nein, nicht jeder, der ein Zigeunerschnitzel bestellt, ist deswegen ein Rassist. Aber dass Menschen, die sich selbst nie so genannt haben, so nicht bezeichnet werden wollen, könnte man auch einfach mal respektieren.

Wenn in den Sozialen Medien etwa PoC von Rassismuserfahrungen berichten, schreiben regelmäßig Weiße drunter, dass sie das mit dem Rassismus ja gar nicht sooo schlimm finden. Und verletzten diese Menschen gleich nochmal, weil sie ihre Verletzungen nicht ernst nehmen. Und genau auf diesem Facebook-Stammtisch-Niveau diskutierte auch die Runde in „Die letzte Instanz" fröhlich. Es macht sprachlos.

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Bei Twitter war der Aufschrei zu Recht groß. „Das hier ist das mit Abstand ignoranteste, arroganteste und diskriminierendste was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe! Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist sich mit Rassismus-Kritik auseinanderzusetzen. DANKE @WDR" schrieb etwa Komikerin Jasmina Kuhnke. SPD-Chefin Saskia Esken schloss sich der Kritik an. „Mir fehlen die Worte. Das ist wirklich nur noch zum Schämen“, antwortet die Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten auf den Tweet.

Trotz aller Empörung, Kritik und Wut muss man dieser kaum zu ertragenden Talk-Runde aber auch dankbar sein: Wann immer in Zukunft jemand sagt, nun sei doch aber alles gesagt zum Thema Rassismus, nun müsse doch mal Schluss sein mit der Debatte, braucht man nur noch eines zu tun: Ihm oder ihr kommentarlos den Link zu dieser Sendung schicken. Dass so etwas im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen immer noch möglich ist, beweist, wie viel Arbeit noch vor uns liegt.  

Am Sonntag äußerte sich dann auch der WDR per Twitter: „Bei einem so sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mitdiskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und/oder direkt betroffen sind. Wir lernen daraus und werden es besser machen." Doch da war das Kind schon längst in den Brunnen gefallen.

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