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Welche Konsequenzen zieht der Sender?Gestörtes „Sommerinterview“ mit Alice Weidel – ARD steht in Kontakt mit Polizei

4 min
Alice Weidel (AfD) im Gespräch mit Markus Preiß, Leiter ARD-Hauptstadtstudio. /

Alice Weidel (AfD) im Gespräch mit Markus Preiß, Leiter ARD-Hauptstadtstudio. /

Das gestörte Weidel-„Sommerinterview“ im Ersten löst Debatten darüber aus, warum der öffentlich-rechtliche Sender keine bessere Lösung gefunden hat, als das Gespräch einfach in der Lärmkulisse fortzusetzen. Was sind die Konsequenzen daraus? Während ein AfD-Politiker eine Wiederholung des Gesprächs fordert, sehen andere die Partei als Gewinner dieser Situation.

Die Einladung von AfD-Politikerinnen und -Politikern in Talkshows und Interviews mag umstritten sein, doch der Sonntagabend im Ersten war aus einem anderen Grund keine Glanzstunde des deutschen Fernsehens.

Beim „Sommerinterview“ mit AfD-Chefin Alice Weidel konnte man sich kaum auf deren Aussagen konzentrieren – weil das Gespräch unter freiem Himmel im Regierungsviertel durch eine unangemeldete Demonstration am anderen Spreeufer gestört wurde. Hinter den aus einem Bus übertragenen Anti-AfD-Gesängen steckt nach eigenen Angaben die Gruppe Zentrum für Politische Schönheit.

Warum wurde das Interview nicht unterbrochen?

Trillerpfeifen, Hupen und ein lauter „Scheiß AfD“-Choral waren stark in der Fernsehübertragung zu hören, und zwar über die gesamten fast 30 Minuten der Sendung. Die ARD änderte daran nichts, obwohl Weidel als auch Interviewer Markus Preiß sich zwischenzeitig nur schwer zu verstehen schienen, aus akustischen Gründen wohlgemerkt.

Der Interviewer und Leiter des ARD-Hauptstadtstudios Preiß hatte dazu bereits am Sonntagabend in der „Tagesschau“ gesagt, dass Weidel und er sich während eines kurzen Beitrags in der Sendung besprochen hätten, wie mit der Situation umzugehen sei. „Und wir waren uns einig, wir setzen das Interview fort.“

Weidels Sprecher Daniel Tapp bestätigte das gegenüber T-online.de: „Es ist richtig, dass Herr Preiß und Frau Weidel sich in einer kurzen Einspielerpause darauf verständigt haben, das Interview fortzusetzen“, wird er zitiert. „Im Hinblick darauf, dass das Interview live gestreamt wurde, hätte ein Abbruch auch als Kapitulation vor den Störern gewirkt.“

Alice Weidel war zwischenzeitlich genervt von den Störgeräuschen.

Alice Weidel war zwischenzeitlich genervt von den Störgeräuschen.

Die ARD kündigte an, für künftige Interviews Vorkehrungen zu treffen. „Wir bedauern, dass das Interview durch die akustische Protestaktion teilweise schwer zu verstehen war“, teilte eine Sprecherin des ARD-Hauptstadtstudios dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit. Das werde intern ausgewertet. Bis zum Beginn der Sendung sei die Protestaktion nicht bekannt gewesen.

Doch welche Konsequenzen zieht der Sender nun daraus? „Wir freuen uns, im Sommer Gespräche mit Spitzenpolitikern im Herzen der Hauptstadt auch im Freien und direkt vor dem Bundestag führen zu können und wollen das gerne auch künftig tun“, machte die Sprecherin gegenüber dem RND am Montag deutlich. „Wir sprechen jetzt mit der Polizei des Bundestags und der Berliner Polizei, ob und welche zusätzlichen Vorkehrungen für die nächsten geplanten Sommerinterviews sinnvoll sind, und wir entscheiden dann über eine Realisierung vor Ort oder im Studio.“ Zudem überprüfe man die Sicherheitskonzepte für Livesendungen und passe diese entsprechend an.

Das „Sommerinterview“ mit Weidel war das zweite der Reihe, vier weitere folgen noch an den kommenden Sonntagen mit Felix Banaszak (Die Grünen), Bärbel Bas (SPD), Jan van Aken (Die Linke) und Markus Söder (CSU). Das Gespräch mit der AfD-Chefin war sicherlich das polarisierendste.

AfD-Politiker fordert Wiederholung des Interviews

Ein AfD-Politiker fordert unterdessen eine Wiederholung des Interviews. „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen“, sagte der Vize-Fraktionschef im Bundestag, Markus Frohnmaier, dem Nachrichtenportal Politico. „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“ Die ARD möchte sich zu dieser Forderung nicht äußern.

Auf eine Wiederholung besteht Weidel selbst nach Angaben ihres Sprechers Tapp nicht, kritisiert aber die Protestaktion: „Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen“, sagte sie Politico. „Die AfD und meine Person werden sich von solchen demokratiefeindlichen Aktionen nicht einschüchtern lassen.“ Sie sei davon überzeugt, dass die Störungen „weder im Interesse der AfD-Vorsitzenden noch im Sinne der ARD als Interview führendes Medium“ waren, teilte ihr Sprecher außerdem mit.

Kritik von Linnemann an Protestierenden

Dabei werten einige Beobachter das gestörte Interview vor allem als Gewinn für die AfD und üben vorwiegend Kritik an den Protestlern und dem Sender. Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann etwa hat kein Verständnis für die Störung des Interviews. „Wenn man die AfD stark machen will, soll man ruhig solche Interviews stören“, sagte er in der NTV-Sendung „Frühstart“. Man könne den Wähler nicht ignorieren und „kaputt schreien“, sondern müsse die AfD inhaltlich bekämpfen.

Linnemann sagte weiter, dass durch Weidels Aussagen in dem Interview deutlich geworden sei, dass sie nur daran interessiert sei, „schlechte Nachrichten zu konsumieren und dann den Champagner aufzumachen“. Aber: „Das wurde leider überlagert durch diese lauten Schreie. Das bringt gar nichts in der Demokratie. Argumente zählen und sonst nichts.“

Polizei prüft Verfahren

Für die Protestler könnte die Aktion ein Nachspiel haben. Die Berliner Polizei beendete die nicht angemeldete Demo nach 30 Minuten ohne Festnahmen – als es für das Interview schon zu spät war. Sie leitete jeweils ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz gegen die Versammlungsleiterin sowie den Verantwortlichen des eingesetzten Lautsprecherbusses ein, wie die Behörde mitteilte.