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Kommentar

Gezielte Provokation
Die gesellschaftlichen Gräben werden durch Weimers Genderverbot tiefer

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4 min
Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, steht vor dem Bayreuther Festspielhaus bei einem Interview.

Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, steht vor dem Bayreuther Festspielhaus bei einem Interview. (Archivbild)

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will Gendern in seiner Behörde, Museen und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbieten – ein plumper Trick.

Wer glaubte, alle Debatten rund ums gendergerechte Schreiben und Sprechen seien schon vor Jahren vollumfänglich durchexerziert worden, der hatte Wolfram Weimer nicht auf dem Schirm. Der neue Kulturstaatsminister (parteilos) hat das Fass nun erneut aufgemacht, und zwar gegenüber der „Bild am Sonntag“: Er habe seiner eigenen Behörde untersagt, in offiziellen Schreiben Formulierungen mit Sternchen oder Binnen-I zu verwenden, erzählte er da.

Dabei blieb es aber nicht: Inzwischen fordert Weimar auch, dass alle öffentlich geförderten Einrichtungen seinem Vorstoß folgen sollen. Das gelte laut dpa für Museen, Stiftungen oder Rundfunk.

Nun gäbe es wahrlich eine ganze Reihe von Unannehmlichkeiten im Kulturbetrieb, gegen die man mal ein bisschen Verbotspolitik betreiben könnte. Facebook-Witzvideos von Mario Barth zum Beispiel, oder Labubus. Weimer allerdings reitet jetzt einmal mehr das ganz tote Pferd Gendersprache. Warum, wird mit Blick auf die vergangenen Wochen deutlich.

Weimers Genderverbot: Gezielte Provokation

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und sein Dunstkreis haben sich offenbar vorgenommen, in regelmäßigen Abständen all diejenigen zu provozieren, die man als „linke Spinner“ identifiziert hat – das Zitat stammt von Merz selbst, konkret von dessen Wahlkampfrede am Vortag der Bundestagswahl. Und dafür nimmt man ihnen jetzt wahlweise mal die Regenbogenfahne oder das Gendersternchen weg und wartet auf die entsprechenden Reaktionen. Das ist zwar nicht sonderlich einfallsreich, aber die Devise ist klar: Hauptsache Kulturkampf.

Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, nimmt an einer Pressekonferenz vor dem Humboldt Forum teil.

Wolfram Weimer will Gendern in seiner Behörde, Museen und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbieten. (Archivbild)

Im Juli ging es los, als die bekanntermaßen sehr auf Neutralität bedachte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) mit einem frisch gebrühten Nescafé durch die Berliner Bundestagsbüros spazierte (Achtung, Satire!) und die ihr unterstellte Bundestagsverwaltung schließlich das Aufhängen von Regenbogenfahnen in Abgeordnetenbüros untersagte (das wiederum ist keine Satire). Zuvor hatte Klöckner schon angeordnet, dass auch auf dem Reichstag keine bunte Flagge für Vielfalt mehr wehen solle.

Kanzler Merz, der Talkshowauftritte (Stichwort: „kleine Paschas“) immer wieder gezielt zur Provokation nutzt, setzte bei „Maischberger“ dann noch mal einen drauf. Seine sicherlich sehr bewusst gewählte Äußerung, der Bundestag sei schließlich „kein Zirkuszelt“, löste die erwartbare Empörung aus. Ebenso wie das nun erlassene Genderverbot des neuen Kulturstaatsministers.

All das ist nicht nur überaus platt, sondern auch ziemlich durchschaubar. Im Internet wird diese Form der kalkulierten Empörung als „Rage Bait“ bezeichnet, also „Wutköder“. Und dahinter wiederum dürfte eine breitere Agenda stecken.

Deutsche Gesellschaft sollte sich durch Weimer nicht spalten lassen

In Zeiten multipler Krisen, in denen ein Kanzler und seine Minister eigentlich für gesellschaftlichen Zusammenhalt einstehen sollten, buddeln sie die Gräben, die sich durch die Bevölkerung ziehen, noch tiefer. Dafür werden dann mit aller Gewalt Kulturkampfthemen in die öffentliche Debatte gedrückt, über die anschließend tagelang debattiert wird.

Warum? Vielleicht um von Verfehlungen aus den eigenen Reihen abzulenken, vielleicht um der AfD ein paar Wähler abzuknapsen – oder um schon mal die Weichen für eine künftige Koalition mit ihr zu stellen. Das Problem ist nur: Lässt man sich auf diese Spaltungsversuche ein, haben die Akteure schon gewonnen.

Wolfram Weimer (parteilos), Staatsminister für Kultur und Medien, während der Wiedereröffnung.

„Statt Weimers Vorstoß ernsthaft zu debattieren, ihn zu bejubeln oder sich darüber zu empören, sollte man ihn besser als das bezeichnen, was er ist: ein billiger Trick.“ (Archivbild)

Natürlich sollte es klaren Widerspruch geben, wenn ein Politiker wie Weimar damit liebäugelt, in den freien Rundfunk einzugreifen und ihm Sprechverbote zu erteilen – der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat das zum Beispiel in aller Deutlichkeit getan. Allerdings sollte man auch nicht über jedes Stöckchen springen. Statt Weimers Vorstoß ernsthaft zu debattieren, ihn zu bejubeln oder sich darüber zu empören, sollte man ihn besser als das bezeichnen, was er ist: ein billiger Trick. Und dann kann man ihn großflächig dafür auslachen.

Viele kluge Menschen hatten schon vor Weimers Amtsantritt vorausgesagt, dass uns diese Form von Kulturkampf in den kommenden Jahren bevorstehen wird, und dass es gesellschaftlich eine gewisse Resilienz braucht, um sich davon nicht beeinflussen zu lassen.

Weimer ist mit seiner Mission schließlich kein Unbekannter. 2018 hatte der Kulturkampfminister schon mal ein „konservatives Manifest“ in Buchform veröffentlicht. Und so viel lässt sich sagen: Erträglich sind die darin beschriebenen „Visionen“ nicht einmal dann, wenn man die Sätze konsequent durchgendern würde.