Weyes Blood in der Kölner KulturkircheDie satanischen Songs spielt sie dann draußen

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Die Musikerin Weyes Blood alias Natalie Mering singt und spielt eine akustische Gitarre in der Nippeser Kulturkirche am 3. Februar 2023.

Natalie Mering alias Weyes Blood in der Nippeser Kulturkirche

Die US-Musikerin Natalie Mering alias Weyes Blood gab ein umjubeltes Konzert in der ausverkauften Nippeser Kulturkirche. 

„Wir müssen heute noch draußen ein zweites Set mit unserem satanischen Material spielen“, scherzt Natalie Mering, als sie den letzten Song in der Kölner Kulturkirche ankündigt. Was sie dort in der vergangenen Stunde unter ihrem Künstlernamen Weyes Blood zum Besten gegeben hat, kann man eigentlich nur als „church music“ bezeichnen. Lieder, wie für Sakralräume gemacht. Üppig arrangierte Songs, allesamt mit Wurzeln im Laurel-Canyon-Sound aus dem Los Angeles der frühen Siebziger. Sagenhaft elegante, im gleichen Maße narkotisierende wie erweckende Klänge.

Ihre vierköpfige Band klingt wie ein hundertköpfiges Orchester. Dem Mering mit ihrer klaren, bestimmten Karen-Carpenter-Altstimme die Richtung weist. In ihrem langen, ärmellosen weißen Kleid mit weißem Cape gemahnt sie an eine Hohepriesterin, allerdings eine aus „Star Wars“, Leia Organas abgeklärte Schwester.

Obwohl sie seit ihrem 15. Lebensjahr als Weyes Blood (wenn auch in verschiedenen Schreibweisen) Musik produziert, spielt Mering, inzwischen 34 Jahre alt, an diesem Freitagabend ausschließlich Stücke ihrer beiden bislang letzten Alben „Titanic Rising“ und „And in the Darkness, „Hearts Aglow“, die beiden ersten Teile einer Trilogie, eines großen Abgesangs auf unsere langsam versinkenden Welt und den süßen Gewissheiten, die sie mit sich brachte.

„It’s not just me, it’s everybody“, erkennt Mering im Refrain des ersten Songs, beinahe verwundert. Jede und jeder im ausverkauften Nippeser Gotteshaus fühlt sich sofort gemeint und vom ersten Akkord an getragen und getröstet: „Wir leben im Kielwasser überwältigender Unglücksfälle und sind uns alle selbst fremd geworden“, sie mit vibratoloser Überzeugung. Hüllt harte Wahrheiten in die schwelgerisch möglichste Musik, wiegt sich und uns im Walzertakt.

Es bleibt noch ein wenig Zeit, für die Liebe zum Beispiel: „Die ganze Welt bricht zusammen/ Oh, Baby, lass uns im Sand tanzen“, schlägt Mering in „Hearts Aglow“ vor und dazu leuchtet doch wirklich ein glühend-rotes Herz unter ihrem weißen Kleid. Wie einst bei E.T., auch er ein Meister der schnellen Wundheilung. Zur ersten Zugabe wechselt die Hohepriesterin schließlich ans Keyboard, um ihren Gottesdienst mit dem an Harry Nilsson erinnernden Dating-Song „Everyday“ einen letzten Schwung zu verleihen: „Wach auf, Baby, es ist jetzt schon spät.“

Ach, niemals möchte man aus diesem Traum erwachen, lieber den Rest seines Lebens in Hörweite von Weyes Blood verharren. Draußen wartet nur der Teufel und das Ende der Welt, wie wir sie kannten.

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