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„Wir sind in einer guten Position“

5 min

Stefan Englert

  1. Stefan Englert ist der neue Geschäftsführende Direktor des Gürzenich-Orchesters in Köln

Herr Englert, an diesem Samstag treten Sie offiziell ihr Amt als Geschäftsführender Direktor des Gürzenich-Orchesters an. Auf welch ein Orchester stoßen Sie da?

Auf ein sehr motiviertes, traditionsreiches und offenes Orchester, das in der Stadt stark verankert ist. Es ist ein Orchester im Aufbruch mit einem der interessantesten Dirigenten der Gegenwart.

Wo würden Sie das Gürzenich-Orchester in einem Ranking verorten?

Von Rankings halte ich nicht viel. Aber das Gürzenich-Orchester ist sicher eines der führenden Orchester in Deutschland. Es ist natürlich durch die zwei Standbeine – Konzert und Oper – ganz anders zu verorten als ein rein sinfonisches Orchester oder eines, das nur in der Oper spielt. Es ist ein sehr vielseitiges Orchester.

Das ist die künstlerische Seite. Wie steht es denn um die Finanzen, für die Sie ja vor allem zuständig sind?

Das Orchester ist gut aufgestellt. Die Stadt Köln hat in den vergangenen Jahren sehr viel investiert. Auch weil man sieht, dass das Orchester wichtig ist für die Stadt. Natürlich könnte der Finanzstatus immer noch etwas besser sein – und das ist eine Aufgabe, die ich mir vorgenommen habe. Es geht für mich darum, Einzelpersonen oder private Stiftungen anzusprechen, die das Orchester gerne unterstützen möchten.

Was ist mit den großen Unternehmen als Sponsoren oder Förderer?

Da hat es in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel gegeben. Wenn man in die USA schaut, dann sind es vor allem Individuen oder Familienstiftungen, die aktiv sind. Mit denen kann man ganz konkrete Projekte angehen. Firmen hingegen müssen sich heute mehr als früher an Compliance-Richtlinien halten. Da ist ein Rückzug aus der Kultur zu beobachten.

Welchen Betrag benötigte man, um mit den internationalen Spitzenorchestern mithalten zu können?

Das ist sehr schwierig zu sagen. Ich war zuletzt bei einem – laut Ranking – zehn besten Orchestern der Welt, dem Budapest Festival Orchestra. Da hatten wir nur ein sehr bescheidenes Budget. Trotzdem haben wir es geschafft, dieses Orchester auf diese Spitzenposition zu bringen. Geld ist wichtig in der Hinsicht, dass wir die besten Musiker bekommen. In dem Zusammenhang war es gut, dass die Stadt Köln einen Haustarifvertrag beschlossen hat, der die Gürzenich-Musiker mit den Kollegen der Funkorchester auf eine Stufe stellen soll. Da sind wir jetzt in einer guten Position.

Wie steht es um die Instrumente?

Dafür ein größeres Budget zu haben, wäre phantastisch. Denn das ist eine Möglichkeit, die Qualität noch weiter zu verbessern. Das gilt vor allem für die Streichinstrumente – und wir wissen, wie sehr die Preise in diesem Bereich gestiegen sind.

Wenn’s ums Geld geht, ist in den vergangenen Jahren immer mal wieder der Gedanke aufgekommen, dass das Land NRW sich stärker engagieren sollte. Wollen Sie da noch einmal vorstellig werden?

Ich glaube, dass das Land in der Verantwortung ist. Die nimmt es auch wahr, denn der Zuschuss soll ja erhöht werden. Jetzt geht es für François Xavier Roth und mich darum, wo das Orchester in fünf Jahren stehen soll. Da werden wir sicher auch auf das Land zugehen. Denn das Gürzenich-Orchester ist auch ein Aushängeschild von Nordrhein-Westfalen.

Wenn Sie jetzt einen Fünf-Jahres-Plan erwähnen, dann erwarten Sie, dass François Xavier Roth seinen Vertrag in Köln verlängern wird?

Davon gehe ich aus.

Es gab zuletzt Spannungen zwischen dem GMD und der Opernintendantin Birgit Meyer. Welche Rolle werden Sie in diesem Dreieck spielen?

Ich versuche, das Orchester in allen Facetten gut zu verankern. Es hat sicher ein starkes Standbein in der Oper. Ich habe Frau Meyer jetzt schon einige Male getroffen und ich denke, dass wir begonnen haben, eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zu entwickeln. Natürlich gibt es in einem Ausweichquartier immer Probleme. Das ist unangenehm für alle Beteiligten. Aber wir versuchen, das in den Griff zu bekommen. Meine Aufgabe ist, für die Musiker das Beste aus der Situation zu machen.

Werden Sie als Mittler zwischen dem GMD und Intendantin tätig sein?

So sehe ich mich nicht. Das wird auch nicht unbedingt nötig sein. Eine Opernintendantin muss das Interesse haben, ihr Haus künstlerisch – auch unabhängig von einem Generalmusikdirektor – weiterzuentwickeln; und der Generalmusikdirektor sieht sich natürlich als Diener des Orchesters. Es gibt Schwierigkeiten im Staatenhaus, das wissen wir. Das ist einfach ein Entwicklungsprozess. Aber ich sehe nicht, dass es unüberbrückbare Differenzen zwischen den beiden gibt.

Wo sehen Sie die besonderen Qualitäten von François Xavier Roth?

Er hat viele. Er ist ein unglaublicher Motivator für Musiker wie Publikum. Er hat ein großes Charisma, und er ist ein sehr ernsthafter Musiker mit einem weiten Repertoire. Er hat das Orchester weiterentwickelt. Und er ist ein Musiker mit einem demokratischen Ansatz, der allen den Zugang zur Musik ermöglichen möchte. Daher werden wir noch häufiger als bisher aus dem Konzertsaal hinaus zu den Menschen gehen. Da geht es dann auch um Menschen in sozialen Brennpunkten. Wir möchten in die Stadt hinein diffundieren.

Und jetzt noch das: Wie steht es um die Klassik-Krise?

Die gibt es nicht. Es gibt nur weltweit mehr Klassik-Angebote als je zuvor. Darunter leiden dann die jeweiligen Besucherzahlen.

Es heißt, dass sich junge Menschen in Klassik-Konzerten rar machen.

Man kann auch junge Leute mit Klassik begeistern. Es hat aber auch mit dem Lebensalter zu tun – wer zwischen 25 und 40 Jahre alt ist, hat andere Lebensprioritäten als Menschen, die älter sind. Trotzdem muss man sich bemühen, die Begeisterung für die Klassik schon bei den Jungen zu wecken. Deshalb bin ich dafür, dass wir als Orchester mit kleineren Formaten auch an die Grundschulen gehen.

Zur Person

Stefan Englert, am 29. 12. 1969 in Heigenbrücken (Spessart) geboren, war zuletzt Direktor des Budapest Festival Orchestra. Geschäftsführender Direktor des Gürzenich-Orchesters ist er ab 1. September. Sein Vorgänger Patrick Schmeing wechselte zur Bundeskunsthalle nach Bonn.