Wo die Jazz-Kultur lebt
Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren verkündete das erste Festivalplakat zwei Abende mit musikalischem Neuland. Grafisch vermittelte sich dies eher sachlich-unaufgeregt: Die Silhouetten zweier blattloser Bäume markierten die Rhein-Linie vor einer stilisierten Severinsbrücke, daneben die Umrisse von sieben Personen. Darüber prangte der Schriftzug, der alles Wichtige sagte: „Klaeng, Jazzkollektiv Köln“.
Was 2010 im Subway begann, war eine kleine, aber feine Revolution: Sieben Musiker, gut ausgebildet in Köln, vorrangig an der Hochschule für Musik und Tanz, zudem vielfältig vernetzt in der Stadt, organisierten ihr eigenes Konzertprogramm. Sieben Musiker um Ende 20, Anfang 30, die auf die vielfältigen Jazz-Stile in der improvisierten Szene aufmerksam machen wollten: Jonas Burgwinkel, Tobias Christl, Pablo Held, Tobias Hoffmann, Niels Klein, Frederik Köster, Robert Landfermann.
Seit zehn Jahren zählt das Klaeng-Festival zu den wichtigen Ereignissen des Kölner Jazz-Jahres. Der Veranstaltungsort wechselte, vom Subway übers Belgische Haus in den Stadtgarten, aus zwei wurden drei Veranstaltungsabende, und das Programm besteht längst nicht mehr nur aus Auftritten der Kollektiv-Mitglieder. Was unter anderem mit Tobias Hoffmanns Fallschirme, dem Niels Klein Quartett, Tobias Christls Lieblingsband oder Robert Landfermanns Projekten Die freundliche Übernahme und Tiefgang begann, wurde in den Folgejahren durch Gastspiele des Berliner Jazzkollektivs und durch viele internationale Gäste erweitert. Die Spiellust, die Entdeckerfreude und der Mut zum künstlerischen Risiko blieben, doch die Grenzen zwischen Genres, Stilen und Klangkonzepten wurden durchlässiger. Für das Publikum blieb der Reiz des Unerwarteten ungebrochen, während sich das Fenster von Köln hinaus „in die weite Welt“ der zeitgenössischen Musik weit öffnete.
Auch die Festivalplakate wurden bunter und sinnlicher. Auf den Blick in einen strahlend blauen Himmel (2012) folgte ein exotischer Urwald (2013), später hoben Vögel majestätisch zum Flug an (2016), es wurden sogar „Ohrmaschinen“ erfunden (2017). Von alledem fängt die große „10“ auf dem aktuellen Plakat etwas ein, während es zugleich ein abwechslungsreiches Jubiläumsfestival verspricht.
Das beginnt gleich mit einem Paukenschlag: Posaunistin Shannon Barnett präsentiert ihr neues Quartett Wolves and Mirrors, in dem sie auch singt. Zwar gibt es bereits Einspielungen mit ihrer schönen Stimme (etwa „I’m Coming Virginia“ bei einer Bix-Beiderbeck-Hommage), doch das Zusammenspiel mit Trompeterin Heidi Bayer, Cellistin Elisabeth Coudoux und Thomas Sauberborn an Bass und Schlagzeug lässt gänzlich Ungehörtes erwarten. Das gilt auch für Frederik Kösters Quartett Die Verwandlung und die durch Altsaxofonist Christian Weidner zum Quartett gewachsene Band Spoom des Gitarristen Ronny Graupe .
An jedem Festivaltag gibt es drei Konzerte, bei denen klug platzierte „Störer“ den Gesamteindruck brechen: ein Solo-Auftritt der Sängerin und Gitarristin Lau Noah, das im guten Sinne „brachiale“ Duo von Peter Brötzmann und Heather Leigh sowie das subtil mit Streichern agierende Ensemble Resonance des dänischen Pianisten Jacob Anderskov. Erstmals gibt es einen „Artist in Residence“: Der Orgel-Virtuose Larry Goldings spielt sowohl mit seinem Trio als auch mit dem spektakulären Festivalprojekt „Köln Experience“.
Heute besteht das Kollektiv (nach dem Ausscheiden von Niels Klein) immer noch aus sechs Musikern der ersten Stunde, inzwischen auch Dozenten und Initiatoren eines eigenen CD-Labels sowie weiterer Programme („SummerKlaeng“, „Klaeng, die Serie“). Während die Stadt gerade erst die Kampagne „Kultur lebt in Köln“ ersonnen hat, beweist dies der Jazz seit Jahren – nicht zuletzt dank Klaeng. Klaeng Festival 2019, 22.–24.11. im Stadtgarten. Beginn: Freitag und Samstag 20 Uhr, Sonntag 18 Uhr.