Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat mal wieder ein Wort des Jahres erfunden.
Wort des Jahres 2025„KI-Ära“? Das Crazy!

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat „KI-Ära“ zum Wort des Jahres 2025 gekürt.
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„Schatz, wir leben doch wirklich und wahrhaftig in der KI-Ära“, sagte ich neulich nicht am Frühstückstisch zu meiner Frau. Ich wette, auch Sie werden sich noch sehr gut daran erinnern können, im ablaufenden Jahr kein einziges Mal den Begriff „KI-Ära“ benutzt zu haben. Und jetzt tut es Ihnen leid. Denn laut der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) handelt es sich beim flügellahmen Ausdruck „KI-Ära“ um nicht weniger als das Wort des Jahres.
Als solches hat es eine Fachjury erkannt, die sich praktischerweise aus dem Vorstand und den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wiesbadener Vereins zusammensetzt. Die werfen gemeinsam alljährlich „einen aufmerksamen und kritischen Blick auf die Sprache“, um „solche Wörter zu finden, die in einem Jahr besonders im Fokus standen und gesellschaftliche, kulturelle, soziale und politische Debatten im deutschen Sprachraum besonders gut abbilden“. Und 2025 ist das eben die Wiesbadener Neuprägung „KI-Ära“.
„Brägenplietschmaschin“ ist Plattdeutsch für KI
„Das Crazy“, werden Sie jetzt vielleicht mit dem Jugendwort des Jahres kommentieren wollen. Von wegen verrückt, würde Sie dann die Gesellschaft für deutsche Sprache belehren, entscheidend für die Wahl sei gerade nicht, ob ein Begriff besonders häufig vorkomme, sondern ob er das Jahr besonders prägnant abbilde. Und zur Not muss man ihn halt selbst erfinden.
Zum Beispiel, wenn man in den Jahren zuvor die Sache mit der Künstlichen Intelligenz schlicht verpasst hat. Selbst der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern hatte bereits 2023 „Brägenplietschmaschin“ zum „Plattdeutschen Wort des Jahres“ gekürt. Die niederdeutsche Übersetzung von „Künstliche Intelligenz“ hatte man aus den Wörtern für „Gehirn“, „klug“ und „Maschine“ gebildet.
Was blieb den gesamtdeutschen Sprachbeobachtern da übrig, als, auf halbem Weg zum Rückblick, gleich eine ganze Ära ausrufen – der Begriff steht laut Pressemitteilung für „epochalen Wandel“ – und die Bevölkerung in analoger Onkelhaftigkeit darüber zu informieren, dass der Gebrauch von KI sowohl Chancen als auch Risiken berge: Vor allem möglicher Missbrauch und ein Verlust „an eigenständigem, kritischem Denken, Sprechen und Schreiben“ könnten negative Folgen dieses Wandels sein, mahnt die GfdS-Jury wie noch niemand zuvor gemahnt hatte.
Beim Sprachgebrauch könne KI dazu führen, „dass wir intellektuell stagnieren könnten“, ergänzte der GfdS-Vorsitzende Jochen Bär. „Das ist ein Problem.“ Er muss es wissen. Oder auch nicht. Denn die Kreativität seiner Mitarbeitenden bleibt ungebrochen. Auf der Zehnerliste der Jahreswörter finden sich weitere Preziosen wie „Drohnisierung“ und „Vertiktokung“, im Gremium erdachte Kunstwörter ohne nennenswerte Google-Treffer, die aktuelle Diskurse in einem sprachlich denkbar unelegant gewebten Netz auffangen sollen.
Geht das nicht besser? Mit etwas mehr Wirklichkeitsbezug? Worüber unterhalten sich denn die Sprachforschenden mit ihren besseren Hälften beim Frühstück? Oder sollte – der Gedanke muss erlaubt sein – im kommenden Jahr eventuell lieber eine KI die Auswahl treffen?

