Das Cambridge Dictionary kürt „parasocial“ zum Wort des Jahres. Aber gibt es eigentlich noch einen Unterschied zwischen sozialen und parasozialen Beziehungen?
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Taylor Swift feiert mit ihren parasozialen Freunden auf den MTV Video Music Awards im Jahr 2023.
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Ein Wort des Jahres zu küren, egal ob man „Jugend-“ oder „Un-“ davorsetzt, ist auch nur eine Werbemaßnahme. Gleiches gilt für das Jahreswort des Cambridge Dictionary. Das jedoch immerhin den Vorteil hat, sich aus messbaren Daten zu speisen: Die Herausgeber des vor allem unter Englischlernenden beliebten Wörterbuchs schauen sich an, welcher Begriff im auslaufenden Jahr besonders häufig nachgeschlagen wurde.
Für 2025 ist das „parasocial“, also jene höchst einseitige Verbindung, die wir zwischen uns selbst und einer berühmten Person (die uns selbstredend nicht kennt) empfinden.
Sie haben ein Tränchen vergossen, als Taylor Swift ihre Verlobung bekannt gab? Sie sind Sydney Sweeney bei Insta entfolgt, nachdem deren trumpistische Neigungen ans Licht gekommen waren? Haben sich in Ihren Chatbot verliebt? Willkommen im Club der parasozialen Interaktion.
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Schon meine Großmutter lebte in parasozialer Beziehung zu Elisabeth II.
Suchanfragen nach „parasocial“, sagt ein Redakteur des Cambridge Dictionary, seien zuletzt sprunghaft angestiegen. „Der Aufstieg parasozialer Beziehungen hat Fankultur, Prominenz und - mit KI - die Art und Weise neu definiert, wie gewöhnliche Menschen online interagieren“, erläutert Simone Schnall, Professorin für experimentelle Sozialpsychologie an der Cambridge-Universität laut Cambridge-Mitteilung. Das führe zu einem Gefühl, denjenigen, zu dem man eine solche Bindung aufbaut, zu kennen und vertrauen zu können.
Dabei ist es kein neues Phänomen, schon meine Großmutter lebte in parasozialen Beziehungen zu Elisabeth II. und Richard von Weizsäcker. Auch der Begriff hat fast 70 Jahre auf dem Buckel, stammt aus einem Aufsatz der US-Soziologen Donald Horton und Richard Wohl. Die wunderten sich 1956 über die illusionären persönlichen Beziehungen – über die „Intimität auf Distanz“ – die manche Zuschauer zu den Protagonisten des damals neuesten Massenmediums, des Fernsehens, pflegten. Sollte man Interaktionen überhaupt noch „illusionär“ nennen, wo sie doch Folgen in der wirklichen Welt zeitigen?
Wir trauern über den Tod einer fiktiven Figur, nehmen uns Stars zum Lebensgestaltungsvorbild oder entwickeln angesichts der KI-gefilterten Erfolgsstorys von Influencern unrealistische Erwartungen, an denen wir prompt ganz real scheitern.
Vielleicht liegt der wahre Grund für den späten Aufstieg zum Wort des Jahres aber darin, dass wir nach der Pandemie immer schwerer zwischen unseren sozialen und parasozialen Beziehungen unterscheiden können – wenn sie beide alleine vorm Bildschirm stattfinden.

