LeserbriefeMehr Gleichberechtigung durch „Oben ohne“-Schwimmen?

Die Kölner Fraktionen von Volt und Grünen setzen sich dafür ein, dass Frauen öffentliche Schwimmbäder oberkörperfrei nutzen dürfen.
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Was haben Kriegsgeschehen und „oben ohne“- Baden gemeinsam?
Was haben Diskussionen über das Kriegsgeschehen und das öffentliche „oben ohne Baden“ von Frauen gemeinsam? Sie tendieren dazu, die Existenz zweier menschlicher Triebe zu übersehen, die biologisch verankert sind und ohne die Fortkommen und Fortpflanzung unmöglich würden: Aggression und Sexualität. Die notwendige und mühsame Erziehung sowie die Exekutive dienen dazu, beide in sozialverträgliche Form zu bringen – ohne Erfolgsgarantie, wie man täglich in der Zeitung lesen kann.
Putin begehrt Ländereien seines Nachbarn und bedient sich der Aggression, um sie zu besitzen. Sekundäre Geschlechtsmerkmale setzen Signalreize zur Fortpflanzung, dazu hat die Evolution sie geschaffen. Es ist in der Tat schwer auszuhalten, tagtäglich die negativen Auswirkungen beider Triebe zu erleben. Wenn Aggression nicht durch Vernunft, gute Worte und „Incentives“ zu stoppen ist, bedarf es gröberer und leider oft der gleichen Mittel, sie einzudämmen. Daher „schwere Waffen“.
Zu glauben, man könne die weibliche Brust „entsexualisieren“, macht die Rechnung ohne das sexuelle Signal, das sie naturgemäß aussendet. Kosmetische Brustoperationen erfolgen zu einem großen Teil dazu, diese Wirkung zu verstärken. Mode ist ein Mittel, solche Reize in anschaulicher Form unterzubringen. Die „lüsternen“ Blicke, in der Politik wie im Zusammenleben der diversen Geschlechter, sind an der Tagesordnung und bleiben nicht einfach aus. Das ist, cum grano salis, „normal“. Beide Triebe allerdings ungehemmt auszuleben, fällt unter die Rubrik „strafbar“. Aber machen wir uns nichts vor: Aggression und Sexualität lassen sich nicht wegzaubern. Es bleibt schwierig.Dr. Klaus Röckerath Köln
Warum nicht „oben bedeckt“ für alle?
Wie wäre denn die Idee, Männer zu bitten, sich auch nur „oben bedeckt“ zu zeigen? Bei sehr vielen Männern ist ein schwabbeliger nackter Oberkörper fürwahr kein schöner Anblick. Oft hängt der nackte Bauch weit über dem Badehosengummi. Da muss Frau sich fremdschämen. Ein nettes Top wäre für alle angenehmer – oben bedeckt für alle!Renate Gebauer Kürten
Eine ganz persönliche Entscheidung
Bravo, Frau Wessendorf, zu Ihrem großartigen Beitrag zur Busenfreiheit. In den 60er Jahren hat eine ähnliche Kampagne Schlagzeilen gemacht: Frauen wurde erlaubt, mit bloßem Busen in die Öffentlichkeit zu gehen – was zur Folge hatte, dass es keinen Mann gab, der ohne Kamera unterwegs war. So wurden die Frauen zum Sexobjekt. Heute hat jeder ein Handy – noch Fragen? Mich beschäftigt darüber hinaus, ob die Volt-Fraktion und die Grünen nichts Wichtigeres zu tun haben als in ganz persönliche Entscheidungen von Frauen eingreifen zu wollen?Ulla Schwarz Köln
„Oben ohne“ – eine Generationenfrage?
Nennen wir sie Gaby, aufgewachsen in den 50er und 60er Jahren, als „Nacktheit“ weder gelebt noch jemals erwähnt wurde. In ihrer Zeit als Studentin war damit Schluss und Gaby sah nicht nur in ihrer Wohngemeinschaft mehr Brüste und Penisse, als ihr manchmal lieb war. Aufgeschreckt aus der Gewissheit, im Umgang mit Nacktheit, Selbstbestimmung und Geschlechtergleichheit alles richtig gemacht zu haben, wurde sie erst Jahre später durch den Aufschrei der inzwischen jugendlichen Kinder kurz vor einem weiteren gemeinsamen Urlaub befreundeter Familien:
„Wir wollen nur mit, wenn wir am Strand nicht ständig die Brüste von Anke und Uli und schon gar nicht die Geschlechtsteile von Karsten und Peter sehen müssen. Und eure erst recht nicht!“ Da wurde Gaby klar, dass Kinder nie gefragt worden waren, ob das, was Erwachsene für richtig halten, auch von ihnen so gewünscht ist – selbst da nicht, wo es den gemeinsamen Alltag bestimmt.Sylvia Brauer-Schubert Köln
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Jede wie es ihr gefällt – auch ohne Regelung
Vorab möchte ich betonen, dass ich persönlich weder der Pro- noch der Contra-Position in diesem „Streit der Woche“ eine Präferenz gebe, zumal ich bezweifele, dass sich durch Be- oder Entkleidung weltanschauliche Positionen oder gar moralische Überzeugungen darstellen oder begründen lassen. Auch werden, selbst völlig unabhängig davon, wie sich Frauen kleiden, einige meiner vornehmlich instinkt- oder hormongesteuerten Geschlechtsgenossen sich immer wieder angeregt fühlen, um mit ihren hinlänglich bekannten Äußerungen oder Lauten auf sich aufmerksam zu machen. Und das nicht selten schon deshalb, weil in ihrem Gesichtskreis auch nur eine Frau aufgetaucht ist.
Wenn ich mich, männlich und kein Besucher hiesiger öffentlicher Schwimmbäder, trotzdem äußere, liegt das vor allem daran, dass mir in der als Frage formulierten Überschrift „Sollen Frauen oben ohne ins Freibad dürfen?“ sogleich in besonderer Weise die Worte „sollen“ und „dürfen“ aufgefallen sind. Sie erinnerten mich an die Erkenntnis, die ein französischer Freund mir gegenüber äußerte. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich bestehe nach seiner Beobachtung darin, dass man in Frankreich alles tun darf, was nicht ausdrücklich verboten ist. Das sei in Deutschland genau umgekehrt.
Er verdeutlichte diese Aussage an einem Beispiel: Wenn in Frankreich auf einer Rasenfläche kein Betreten-Verboten-Schild sichtbar ist, dann würden die Menschen ganz selbstverständlich diesen Rasen betreten, darauf spielen oder sich sonnen. In Deutschland würde ein Rasen ohne ein entsprechendes Schild die Menschen verunsichern. Sie würden den Rasen keinesfalls betreten. Einige würden sogar mutmaßen, dass das Schild, welches sicher dort gestanden haben müsste, von böser Hand entfernt oder gar zerstört worden sei.
Angesichts deutscher Regelungswut, die dem vor Zeiten so bezeichneten „mündigen Bürger“ – und der ganz sicher nicht weniger mündigen Bürgerin – immer weniger Raum für eigene Entscheidungen lässt, fällt es schwer, meinem französischen Freund zu widersprechen. Seit ich vor vielen Jahren aus dem hohen Norden nach Köln umgesiedelt bin, empfinde ich zunehmend mehr Sympathie für die hier verbreitete Erkenntnis, dass jeder Jeck anders ist. Lassen wir deshalb doch auch ohne amtliche Regelungen jedem, auch weiblichen Jeck, sein oder ihr Anderssein, egal ob oben mit oder ohne.Bernd Flamming Köln
Eine aus der Zeit gefallene Diskussion
Über das Streitgespräch habe ich mich sehr gewundert – nicht über das Thema an sich, sondern über die Zeit, in der es erscheint. Wir leben in einer Ära des Neo-Puritanismus. Die #metoo-Debatte, in der jegliche sexuelle Annäherung an Frauen kriminalisiert wird, zeigt dies sehr deutlich. Außerdem fordern Muslime eigene Badetage und getrenntes Schwimmen für muslimische Frauen, inklusive ausschließlich weiblicher Bademeisterinnen. Ist noch niemandem aufgefallen, dass die Geringschätzung durch die islamische Kultur auch auf westlichen Exhibitionismus zurückzuführen ist? Da wirkt dieser Artikel wie aus der Zeit gefallen. Insofern kann ich Frau Wessendorf nur voll und ganz zustimmen.Stefan Hiemer Niederkassel
„Oben ohne“ nicht für jedes Alter attraktiv
Wie froh bin ich, dass ich meinen alten Körper mit ansprechender Kleidung oder einem gut sitzenden Badeanzug schützen kann. Wie abstoßend kann ein Hängebusen sein und wie mitleidig wird auf wenig Busen geschaut. Ich bin 86 Jahre alt und im Vergleich zu einer 43-Jährigen, die sich als „alt“, „verklemmt“ oder „spießig“ bezeichnet, wenn sie sich gegen „oben ohne“ ausspricht, bin ich wahrscheinlich für die junge 28-jährige Pro-Vertreterin nicht mehr von dieser Welt.
Ich habe immer lieber junge und ältere Frauen mit schicken Bikinis oder schönem Badeanzug gesehen als nackte Körper, die ich durch lebenslange Sauna-Besuche sehen musste. Bei aller Offenheit für Gleichwertigkeit der Geschlechter, kann ich doch nicht leugnen, dass Mann und Frau bestimmte Fähigkeiten haben, die der andere nicht erfüllen kann. Oder wird demnächst gefordert, dass Männer Kinder gebären? Jeder Mensch zeichnet sich durch besondere Fähigkeiten aus und die kann auch keine Emanzipation aufheben.Hannelore Zimmermann Köln


