Schulsportnoten wecken bei Lesern schlechte Erinnerungen. Erfolgt die Benotung im Sportunterricht heute fairer als früher, wie Lehrer behaupten?
Leserbriefe zu Sportnoten„Schule sollte werben für ein Leben mit Sport“

Schüler beim Staffellauf in einer Turnhalle
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Sollen Sportnoten abgeschafft werden? – Lynn Koerle (Pro) und Tanja Wessendorf (Contra) im Streitgespräch der Woche (10.6.)
Plädoyer für die Abschaffung von Sportnoten
Ich habe als Kind in meiner Freizeit sehr gerne Sport gemacht, hatte aber im Sportunterricht fast immer Angst. Der brutale Vergleich schreckte mich. Vor Geräten grauste es mich. Nur einmal hatten wir einen Aushilfs-Sportlehrer, der seine erste Stunde damit begann, zu verkünden, dass bei ihm keiner Angst haben müsse und dass es ihm darum gehe, Freude an der Bewegung zu vermitteln. Das waren die einzigen Sportstunden, auf ich mich freute. Der Bewegungsdrang steckt doch in allen von uns, warum sollen wir ihn dann von außen künstlich anstacheln?
Heute bin ich selbst Lehrer – nicht für Sport – und weiß, wie unsinnig es oft ist, Noten zu geben und wie unglaublich schwierig, gerechte Noten zu geben. Benotung kostet auch noch unglaublich viel Zeit. Aus der Motivationsforschung wissen wir außerdem, dass man mit extrinsischer Motivation intrinsische zerstören kann. Schaffen wir die Noten ab! Fangen wir mit Sport, Kunst und Musik an! Lasst es uns doch wenigstens einmal versuchen!Georg Mermagen Köln
Faire Benotung im Sportunterricht möglich
Schön, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben. Ich war früher in meiner Schülerzeit sehr sportlich und hoch motiviert und habe sommers wie winters viele Ehrenurkunden eingesammelt. Als Grundschullehrer habe ich dann schnell gemerkt, wie ungerecht Noten sein können. Sie ganz abzuschaffen wäre aber kontraproduktiv.
Ich habe mir daher folgendes System ausgedacht: Die normale Durchschnittsnote für alle, die sich aktiv beteiligen und durchschnittliche, sozusagen „normale“ Leistungen erbringen, ist ein „gut“. Wer darüber hinaus besonders gute Leistungen zeigt und sich sportlich verhält, erhält „sehr gut“. Wer sich bemüht, aber leistungsmäßig schwach ist, „befriedigend“. Und wer stört und wenig leistungsbereit ist, ein „ausreichend“. Nur bei Leistungsverweigerung gebe ich „mangelhaft“.
Das ist nur eine grobe Darstellung, die sich auch auf Musik und Kunst anwenden ließe. Wichtig ist, etwas aus dem Fach mitzunehmen und am Ende noch Lust zu haben, sich damit zu beschäftigen. Wolfgang Mosler Wilhelmshaven
Schulsport sollte kein Zwang sein
In meiner gesamten Schullaufbahn, von 1957 bis 1969, war der Sportunterricht immer mein Hass-Fach Nummer eins. Ich habe nie eingesehen, dass abartige Verrenkungen irgendetwas mit Bildung zu tun haben. Ich bin bis heute stolz darauf, dass auf meinem Abiturzeugnis in Sport ein „Mangelhaft“ prangt. Um es klar zu sagen: ich bin nicht nur gegen eine Benotung in Sport, sondern für die Abschaffung des Zwangs-Schulsports. Ich bin auch gegen den Bau und Unterhalt von Sporthallen an Schulen.
Ich habe nie eingesehen, dass abartige Verrenkungen irgendetwas mit Bildung zu tun haben
Dem Kernsatz der Contra-Position „Wenn die Noten im Sport abgeschafft würden, dürfte es sie auch in Kunst und Musik nicht mehr geben“, stimme ich zu. Kunst, Musik und Deutsch – ab Untertertia als reine Literatur-Kunde – halte ich als Schulfächer ebenfalls für überflüssig. Mathematik, Naturwissenschaften, Philosophie, Geschichte und Fremdsprachen – ohne Literatur – reichen als Schulfächer völlig aus. Manfred Waddey Köln
Sportunterricht reformieren
Sportnoten sollten abgeschafft werden. Nicht jedes Kind hat das Glück, mit gesunder Ernährung und sportlichen Aktivitäten in der Freizeit aufzuwachsen. Es gibt viele Kinder, die deshalb adipös sind und sich nicht trauen, vor ihren Mitschülern Sport zu machen. Sie werden dann schlecht benotet. Zu Unrecht! Es sollte daher Sport für zwei Gruppen geben: einmal für die sowieso sportlichen Kinder und einmal für die nicht-sportlichen Kinder. Zu dieser Gruppe sollte vielleicht ein Ernährungsberater oder eine -beraterin hinzugezogen werden!Ulrike Lehmler Köln
Sportnoten: Auch Teamgeist bewerten
Eine Kollegin erzählte mir vor langer Zeit, dass die Fünf in Sport ihr sämtliche Freude am Sport für alle Zeit genommen hätte. Das ist doch furchtbar. Die Schule sollte für ein „Leben mit Sport“ werben, während der Schulzeit, aber auch danach. Eine Vielfalt von Sportarten sollte im Angebot der Schule selbstverständlich sein, in der Hoffnung, dass für jedes Kind etwas dabei ist.
Dafür ist es notwendig, dass alle Schüler am Unterricht teilnehmen, auch wenn es gerade an diesem Tag keinen Spaß macht oder man keine Lust hat. Durch Üben gibt es individuelle Erfolgserlebnisse. Das zeigt Schülern, dass man sich durch Üben verbessern kann. Und das lässt sich auf alle Lebensbereiche übertragen. Da kommt der Ansporn, der motivierende Schubser ins Spiel. Üben, um besser zu werden und auch eine bessere Note zu erreichen.
Wenn ein Schüler im Sportunterricht mitmacht und sich sozial zu seinen Mitschülern verhält, bin ich als Sportlehrerin zufrieden
Außerdem hat die Sportnote eine Leistungs- und eine Sozialkomponente. Die Sozialkomponente zeigt sich etwa darin, dass obwohl selber ein guter Werfer, man den Ball einem anderen Mitspieler abgibt, der günstiger steht. Und dann nicht damit hadert, wenn der Andere seine Chance nicht nutzen kann. Das ist Teamgeist und bringt auch außerschulisch weiter.
Wenn ein Schüler im Sportunterricht mitmacht und sich sozial zu seinen Mitschülern verhält, bin ich als Sportlehrerin zufrieden. Und dafür bekommt er oder sie, übrigens wie bei den meisten Lehrern, die ich kenne, ein „Befriedigend“. Damit wäre meine oben zitierte Kollegin schon glücklich gewesen. Rosemarie Bartelt-Ludwig Köln
Sportnoten sind verzichtbar
Gerade die Fächer Sport und Kunst als Leistungskurse in der gymnasialen Oberstufe waren schon immer Zeichen einer Fehlentwicklung. Auch Noten in Musik sind letztlich kein Hinweis auf eine schulische Leistung im engeren Sinne. Im Jahrgang meiner Schwester gab es eine Schülerin, die durch Leistungskurse in Kunst und Sport mit jeweils der Note 1,0 sofort einen Medizin-Studienplatz erlangte, während meine Schwester, die weitaus motivierter und geeigneter für den Arztberuf war, den langen Weg über Wartelisten nehmen musste.
Kunst und Musik sind einer absoluten Bewertung kaum zugänglich, weshalb dies für Benotung auch zutrifft. Gleiches gilt für sportliche Leistungen, denn der Sportunterricht deckt nur ein sehr kleines Segment der körperlichen Betätigung ab.
Deshalb sollten schlechte Noten in Musik und Sport kein Grund für eine unterbleibende Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe sein und man könnte man auf diese Noten daher endgültig verzichten. Kunst, Musik und Sport sollte man eher als gemeinschaftliches Erlebnis denn als Unterricht ausrichten. Thomas Gebhardt Köln
Faire Notenvergabe im Sport ermöglichen
Ja, es ist demütigend, als Letzter in eine Mannschaft gewählt zu werden. Und Schulnoten von gestoppten Zeiten, geschossenen Toren und solcherlei Messgrößen abhängig zu machen, ist ungerecht. Daraus ist aber nicht die Notwendigkeit zu folgern, Noten abzuschaffen.
Denn erkennbares Engagement, erzielte Fortschritte in Kondition und Geschick, Kenntnisse physiologischer Grundlagen und grundlegender Spielregeln bieten genug Beobachtungsspielraum für eine angemessene Benotung.
Von Pädagogen erwarte ich, dass sie demütigende Situationen unterbinden und gerade im Sportunterricht vermitteln, was echter Teamgeist ist und wie er alle nach vorn bringt: „Zusammen erreichen wir mehr!“ Christoph Menger-Skowronek Köln