Erster AfD-OberbürgermeisterEs wird noch weitere Pirnas geben

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Sachsen, Pirna: Sektgläser auf der Wahlparty der AfD. Lochner gewinnt die Wahl im zweiten Wahlgang und ist neuer Oberbürgermeister von Pirna.

Sektgläser auf der Wahlparty der AfD in Pirna: Das Etikett „rechtsextrem“ gilt vielen als ein Anti-Establishment-Gütesiegel.

Fast schon lakonisch nimmt Sachsens Landesregierung den Wahlerfolg des AfD-Kandidaten in Pirna zur Kenntnis. Dabei wäre aus dessen Sieg viel zu lernen. 

Jetzt also Pirna. Die 40.000-Einwohner-Stadt vor den Toren Dresdens wird die kommenden sieben Jahre von einem von der AfD aufgestellten Oberbürgermeister regiert. Dem parteilosen Tischlermeister Tim Lochner, seit vielen Jahren als Selbstdarsteller und Einzelkämpfer in der Kommunalpolitik unterwegs, trauten gut 38 Prozent der Wählerinnen und Wähler zu, die Geschicke ihrer Stadt zu bestimmen. Das reicht für den Chefsessel der Elbstadt.

Es gibt viele Gründe für diesen Wahlsieg. In Sachsen gibt es keine Stichwahl, sondern eine zweite Runde mit beliebig vielen Kandidierenden, wenn im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit erreicht. In Pirna konnten sich CDU und Freie Wähler nicht auf einen gemeinsamen Anti-AfD-Antritt einigen - zu Lochners Nutzen.

Lokale Initiativen warnten zwar vor dem „Pirnout“ durch einen Sieg des Kandidaten für die Rechtsextremen, aber ohne durchschlagende Resonanz. Die Wahlbeteiligung stieg gegenüber der ersten Runde nur leicht - knapp die Hälfte der Wahlberechtigten blieb zu Hause.

Die AfD, das muss so nüchtern festgestellt werden, hat ihren Schrecken verloren. In Pirna ist sie seit Jahren etabliert. Zwei Mal schon holten die Rechtsaußen das Direktmandat im Bundestagswahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Und schon lange bevor es die AfD gab, galt Pirna als rechtsextreme Hochburg.

Um weitere kommunale AfD-Erfolge zu verhindern, müssten auch die Gleichgültigen motiviert werden, vor Ort mit dem Stimmzettel für eine offene Gesellschaft zu sorgen.
Jan Sternberg

Erst vor einer Woche stufte das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz den AfD-Landesverband als „gesichert rechtsextrem“ ein. Das aber schreckt in Sachsen niemanden mehr ab, im Gegenteil. Das Etikett „rechtsextrem“ hat seinen Schrecken längst verloren, es gilt vielen gar als ein Anti-Establishment-Gütesiegel.

Sachsens CDU-Innenminister Armin Schuster nimmt den AfD-Erfolg mit einem lakonischen „Der Wählerwille ist zu respektieren“ zur Kenntnis. Ja, was denn sonst? Wichtiger ist Schusters Verweis auf den hohen Anteil der Nichtwähler. Um weitere kommunale AfD-Erfolge zu verhindern, müssten auch die Gleichgültigen motiviert werden, vor Ort mit dem Stimmzettel für eine offene Gesellschaft zu sorgen.

Wenn sie aber nicht zu gewinnen sind, werden bei den landesweiten Kommunalwahlen 2024 einige weitere Pirnas folgen.

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