Auf einem Feld an der L194 bei Ottenheim ist Miscanthus gepflanzt worden. Für Landwirte etwas Neues, bei Starkregen ist die Pflanze ein Pfund.
Chinaschilf der Uni BonnMiscanthus feiert Premiere in der Landwirtschaft im Kreis Euskirchen

Auf dem Traktor von Landwirt Toni Winkelhag sortieren Mitarbeiter der Uni Bonn und des Kreises Euskirchen den Miscanthus.
Copyright: Tom Steinicke
Es ist ein ziemlich außergewöhnlicher Studentenjob: Miscanthus unter die Erde bringen. Die Pflanze ist auch unter dem Namen Chinaschilf bekannt und feiert auf einer landwirtschaftlichen Fläche im Kreis Euskirchen gerade ihre Premiere. Miscanthus ist Teil des Forschungsprojekts „MisKaRe“, das von der Universität Bonn geleitet wird.
Es dient der Starkregenvorsorge und ist eine Klimawandelanpassungsmaßnahme. Die Uni hat dafür den Kreis und dessen „Land4Climate“-Projekt mit ins Boot geholt, das wiederum von der EU zu 100 Prozent gefördert wird.
Mehr als 10.500 Rhizome wurden unter die Erde gebracht
Auf der etwa 1,6 Hektar großen Fläche zwischen Ottenheim und dem Solarpark an der L194 in Richtung Wüschheim sind vor einigen Tagen von Mitarbeitern der Uni mehr als 10.500 Rhizome gepflanzt worden. Unterstützt wurden sie von Jonathan Schulze von der Abteilung Kreisentwicklung und Planung beim Kreis Euskirchen. Wenn das Wetter mitspielt, könnten die ersten Schilfhalme in zwei Wochen aus der Erde gewachsen sein, sagt Georg Völkering, Versuchstechniker mit dem Schwerpunkt Nachwachsende Rohstoffe an der Uni Bonn.
Nach Angaben von Friederike tho Seeth, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, wächst Miscanthus ziemlich schnell. „Bis zu fünf Zentimeter pro Tag sind drin. Durch das schnelle Wachstum hat die Pflanze eine sehr positive CO2-Bilanz“, sagt tho Seeth, die das Projekt in den vergangenen Monaten intensiv betreut und vorbereitet hat. Die größte Herausforderung: Einen Landwirt zu finden, der bereit ist, statt Kartoffeln, Mais, Raps, Rüben oder Getreide Miscanthus anzupflanzen.
Weilerswister Landwirt Toni Winkelhag unterstützt die Premiere
Fündig wurden Kreis und Uni beim Weilerswister Landwirt Toni Winkelhag. Dem gehört die Fläche an der L194. Nachhaltig wirtschaftlich zu betreiben sei das Feld nie gewesen. Zum einen, weil der Boden nicht der allerbeste sei, zum anderen, weil es ein Kaninchen-Problem gebe, so Winkelhag. Er habe aber nicht als einziger das Problem. Man müsse nur auf den Solarpark schauen. Dann wisse man, dass es mindestens einen weiteren Landwirt gibt, der sich in diesem Bereich nach einer Alternative umgeschaut hat.
Die Fläche bringe aber nicht nur für Winkelhag Nachteile mit sich, sondern auch für die Nachbarn. „Die Topographie ist schon sehr auffällig. Und wenn es richtig schlecht läuft, sammelt sich das Wasser und läuft dann in Richtung der angrenzenden Häuser“, so tho Seeth. Da kommt nun die Universität Bonn ins Spiel – und der Miscanthus. Die Blätter der Pflanze, sagt tho Seeth, bleiben auf der Fläche liegen und wirken wie eine Art Schwamm für das Oberflächenwasser.

Mehr als 10.500 solcher Rhizome wurden auf dem Feld an der L194 bei Ottenheim unter die Erde gebracht.
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Von Hand, aber mithilfe von Maschinen wurde gepflanzt.
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Wenn mehr Regen fällt, schieben sich die Blätter auf dem Boden zusammen und bremsen die Fließgeschwindigkeit des Wassers. Zudem wirke sich die Pflanze positiv auf den Erosionsschutz aus. „Die Flut 2021 hat die Menschen im Kreis Euskirchen nachhaltig geprägt. Bis dato war Oberflächenabfluss kein Thema“, sagt Georg Völkering.
Doch warum wird nun Chinaschilf verwendet und keine einheimische Pflanze? „Die Kartoffel kommt auch nicht von hier und Mais auch nicht“, entgegnet Völkering. Und Friederike tho Seeth ergänzt: „Diese Art des Chinaschilfs ist nicht invasiv und bleibt dort, wo man sie gepflanzt hat.“ Geerntet wird der Miscanthus im April. Auch das sei für den Landwirt von Vorteil, berichtet tho Seeth. In den Sommermonaten bis zum Herbst habe er schließlich genug zu tun.
Im ersten Moment hat man sicherlich etwas weniger Geld im Portemonnaie, aber auf Dauer ist man resilienter.
Landwirt Winkelhag sagt: „Im ersten Moment hat man sicherlich etwas weniger Geld im Portemonnaie, aber auf Dauer ist man resilienter.“ Die Chinaschilf tut aber nach Angaben des Kreises Euskirchen nicht nur etwas für den Boden, denn die Pflanze kann nach der Ernte vielfältig verwendet werden. „Wir sehen in Miscanthus einen für die lokale Wirtschaft des Kreises Euskirchen vielseitig verwendbaren, nachwachsenden Rohstoff mit großem Wachstumspotenzial“, sagt Jonathan Schulze.
Miscanthus ist vielseitig in der Wirtschaft verwendbar
So lasse sich Miscanthus beispielsweise als Zellstoff für die Papier- und Verpackungsindustrie verwenden, als Rohstoff in der Bauindustrie für Dämmstoffe, im Gartenbau und in der Landwirtschaft als Pflanzsubstrat, aber auch als Tierstreu und nicht zuletzt als Brennmaterial in der Energiewirtschaft in Häcksel- und Pelletheizungen, berichtet der Experte weiter.
Völkering ergänzt: „Miscanthusfasern und -spreißel eignen sich gut zur Herstellung von Faser- und Spanplatten. Vorteilhaft gegenüber Holzspanplatten ist ihr geringes Gewicht.“
Die Nachfrage nach Miscanthus sei bereits vorhanden und werde in den nächsten Jahren voraussichtlich kontinuierlich wachsen, so Schulze weiter: „Auch daran arbeitet die Kreisverwaltung Euskirchen aktiv mit.“
Viele Landwirte, sagt Völkering, „denken viel zu kurz und wissen auch gar nicht, was man tun kann. Bei vielen geht es ums Kurzfristige, ums Monetäre. Das verhindert beispielsweise den Anbau einer Dauerkultur.“ Der nun gepflanzte Miscanthus bleibt nach Angaben des Experten nämlich etwa 20 Jahre auf dem Feld.
Miscanthus ist eine außergewöhnliche Pflanze
Miscanthus ist eine ausdauernde Pflanze aus der Gattung der Süßgräser (Poaceae). Sie stammt aus dem ostasiatischen Raum (China, Korea, Japan) und gehört wie Mais und Sorghum zu den C4-Pflanzen. Bei C4-Pflanzen ist das erste Produkt der Photosynthese ein Kohlenstoffkörper mit vier Kohlenstoff (C)-Atomen, daher der Name. Nur etwa drei Prozent aller Pflanzenarten weltweit sind C4-Pflanzen.
Die meisten anderen Pflanzen sind C3-Pflanzen: Bei ihnen hat das erste Produkt der Photosynthese drei C-Atome. Die auch als Chinaschilf bekannte Pflanze umfasst eine Vielzahl von Varietäten, die als Ziergräser in Gärten Verwendung finden. Als Energiepflanze wird jedoch vornehmlich der Klon „Miscanthus × giganteus“ angebaut – wie jetzt auf einem Feld bei Ottenheim.
Das ist das Projekt „Land4Climate“
Der Kreis Euskirchen setzt aktuell einige Klimaschutzmaßnahmen mithilfe des EU-Projekts „Land4Climate“ um. Ein Miniwald ist in Euskirchen an der Zülpicher Straße entstanden. Zudem ist dort ein Klimapark angelegt worden, ebenso am Jülicher Ring. Auf rund 350 Quadratmetern soll in den kommenden Jahren ein Wald entstehen, der das Klima im Veedel an der Zülpicher Straße verbessert.
Zudem sollen die Klimaparks die Aufenthaltsqualität verbessern. Privatpersonen können von dem Förderprojekt ebenfalls profitieren. Wer seinen Schottergarten in eine blühende Landschaft verwandeln möchte, erhält dafür über das EU-Projekt beim Kreis die nötigen finanziellen Mittel und Expertise. Insgesamt steht dem Kreis mehr als eine Million Euro zur Verfügung.