Italien rätselt nach Bootsunglück über „007-Mission“Was machten 21 Agenten auf dem Lago Maggiore?

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Einsatzkräfte der Feuerwehr holen das gesunkene Boot auf dem Lago Maggiore mit Ballons an die Oberfläche. Bei einem Bootsunglück auf dem zweitgrößten See Italiens sind am 28.05.2023 vier Menschen gestorben.

Einsatzkräfte der Feuerwehr holen das gesunkene Boot auf dem Lago Maggiore mit Ballons an die Oberfläche. Bei einem Bootsunglück auf dem zweitgrößten See Italiens sind am 28.05.2023 vier Menschen gestorben.

Vier Menschen starben bei einem Bootsunglück, 17 überlebten. Was machten so viele Geheimdienstmitarbeiter auf einem Boot?

Ein Boot auf dem Lago Maggiore kentert infolge heftiger Unwetter. Die meisten Passagiere können sich retten, vier Menschen schaffen es nicht und sterben. Die Meldung über ein Bootsunglück in der Lombardei löste in der Region am Pfingstsonntag zunächst große Trauer aus.

Inzwischen beschäftigt der Fall längst ganz Italien, zahlreiche Theorien und Spekulationen werden in Tages- und Wochenzeitungen besprochen, bekannt ist jedoch wenig. Der Grund für die große Aufmerksamkeit des Falles: Die vier Opfer, zwei italienische sowie zwei israelische Staatsangehörige, waren allesamt Geheimdienstmitarbeiter. Doch nicht nur das, insgesamt befanden sich gar 21 Geheimdienstler an Bord. Die große Frage, die seither ganz Italien beschäftigt: Was machten die italienischen und israelischen Spione auf dem Freizeitboot?

Agenten sterben bei Bootsunglück am Lago Maggiore: Was über den Fall bekannt ist

Zunächst zu den gesicherten Erkenntnissen: Unbestritten ist, dass der Kapitän des Hausbootes „Goduria“ sowie die Bootsgesellschaft am Pfingstsonntag die Gefahren des aufziehenden Gewitters auf der Höhe von Lisanza am südlichen Zipfel des Lago Maggiore unterschätzten und zu spät reagierten.

Zuvor hatte die Gruppe um die 21 Passagiere plus die zweiköpfige Besatzung an einer Insel am Westufer des bei Touristen beliebten Sees angelegt und dort gegessen, so berichten es italienische Medien. Am Nachmittag zog dann ein heftiges Unwetter auf, fast alle Schiffe brachten sich in Sicherheit, doch die „Goduria“ reagierte offenbar nicht schnell genug.

Boot am Lago Maggiore kentert – Spekulationen um Treffen von Geheimdienstmitarbeitern

Durch das Unwetter kenterte das Boot, an dessen Bord sich zuvor laut einem Bericht des „Spiegel“ dramatische Szenen abgespielt haben sollen, etwa 100 Meter vom Ufer entfernt. Die meisten Passagiere schwammen um ihr Leben oder wurden von herbeieilenden Booten gerettet, zwei Frauen (die russische Ehefrau des Kapitäns und eine Italienerin) sowie zwei Männer (ein Israeli und ein Italiener) ertranken. Klar ist laut italienischen Medienberichten inzwischen auch, dass das Boot mit 23 Personen überbelegt war. Zugelassen war es demnach für nur 15 Passagiere.

Dieses von der italienischen Feuerwehr veröffentlichten Bild zeigt einen Hubschrauber bei der Suche nach Vermissten, nachdem das Touristen-Boot in einem Sturm auf dem italienischen Lago Maggiore gekentert war.

Dieses von der italienischen Feuerwehr veröffentlichten Bild zeigt einen Hubschrauber bei der Suche nach Vermissten, nachdem das Touristen-Boot in einem Sturm auf dem italienischen Lago Maggiore gekentert war.

Über diese polizeilichen Erkenntnisse hinaus ranken sich in den italienischen Medien zahlreiche Spekulationen – um das Schicksal der „Goduria“ sowie um den Hintergrund des Agententreffens.

Diverse Theorien gibt es zum Beispiel darüber, warum das Boot so schnell sank. Für die These eines Attentates, deren Logik den Schiffsbruch nur als Ablenkungsmanöver beschreibt, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Wetterexperten uneins, wie das Boot auf dem Lago Maggiore so schnell sinken konnte

Daran, dass das Wetter für das Bootsunglück verantwortlich sei, zweifeln Ermittler nicht. Einige Wetterexperten schlossen zunächst auf eine Windhose, andere Meteorologen wie Mattia Gussoni gehen von einem sogenannten „downburst“ – einem sich am ausbreitenden, kleinskaligen Abwindstrom eines Gewitters – aus.

„Ich würde sagen, dass es besser gewesen wäre, wenn die Besatzung die Wettervorhersage sorgfältiger beachtet und die Fahrt vermieden hätte“, räumt er in italienischen Medien dem Kapitän und der Crew eine Mitschuld ein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den italienischen Kapitän wegen „fahrlässiger Tötung“.

Was machten 21 Agenten auf dem Lago Maggiore? Medien stellen Hypotehesen auf

Viel wichtiger als die Frage, warum das Boot sank, scheint allerdings eine andere: Was machten 21 ehemalige oder aktive Geheimdienstmitarbeiter aus Israel und Italien auf einem Boot, getarnt als vermeintliche Touristengruppe?

Auch hierzu gibt es mehrere, teils wilde Hypothesen. Die seriöse „Corriere della Sera“ mutmaßt von einer „007-Mission“, in der es im Wesentlichen um viel Geld geht, das unbemerkt in der Idylle des Lago Maggiore investiert und/oder diskret transferiert werde. Die Protagonisten sind dabei unter anderem prominente beziehungsweise reiche „russische Persönlichkeiten“, orthodoxe Juden und „amerikanische Gäste“. Außerdem wird über Wirtschaftsspionage gemutmaßt, die Israelis hätten „ein großes Interesse daran haben könnten, die Kontakte zwischen italienischen und iranischen Firmen zu überwachen, die mit zivilen Komponenten für Drohnen handeln“, schreibt die Zeitung.

Waren die Agenten Teil einer Geheimdienstoperation? Mehr als vage Vermutungen liefert dieser Ansatz – so wie alle anderen im Übrigen auch – nicht.

Ermittlungen gegen den Kapitän – viele Fragen bleiben wohl ungeklärt

Waren die Agenten tatsächlich befreundet und feierten nur einen Geburtstag? Diese Variante gilt ebenfalls als unwahrscheinlich. Die Geheimdienste selbst werden kein Licht ins Dunkel bringen. Der bei dem Bootsunglück gestorbene Mossad-Mann soll bereits in Israel beerdigt worden sein. Die lebenden 13 israelischen Mossad-Mitarbeiter wurden Berichten zufolge so schnell wie möglich von einem Sonderflugzeug aus Israel in Mailand abgeholt und ausgeflogen.

Über die acht italienischen Angehörigen des Auslandsnachrichtendienstes Aise ist bis dato kaum etwas in Erfahrung bekannt geworden, die Ermittlungen konzentrieren sich nach den Vernehmungen ausschließlich auf den Kapitän – den einzigen überlebenden Passagier der „Goduria“, der keinem Geheimdienst angehört.

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