Am Landgericht Hamburg darf sich diese Woche wohl der Angeklagte Gerhard Delling äußern. Was die Ermittler bereits herausgefunden haben wollen.
Die „Pädophilie-Story“Was Block-Partner Delling dem Vater der entführten Kinder unterstellte

Christina Block (r.), deutsche Gastronomin und Unternehmerin, und Gerhard Delling, ehemaliger Sportmoderator, vor dem Strafjustizgebäude in Hamburg.
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Den Jahresbeginn 2024 dürfte Gerhard Delling als Ausnahmezustand erlebt haben. Noch während des Silvesterfeuerwerks wurden die beiden jüngeren Kinder seiner Lebenspartnerin Christina Block in Dänemark gewaltsam von ihrem Vater getrennt und nach Pforzheim gebracht. Am Morgen drauf reiste Christina Block hinterher. Auf einem Alpaka-Hof übergab man ihr den Jungen und das Mädchen.
Delling blieb in Hamburg. Dort steht der ehemalige Sportmoderator der ARD inzwischen vor Gericht. Christina Block wirft die Staatsanwaltschaft Entziehung Minderjähriger, Misshandlung Schutzbefohlener, Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vor. Delling haben die Ermittler wegen Beihilfe zur Kindesentziehung angeklagt. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.
Das steht in den Ermittlungsakten
Was hat Delling getan in jenen Januartagen 2024? Unterlagen der Ermittlungsakte, die diese Redaktion einsehen konnte, erlauben einen Einblick. Demnach agierte der damals 64-Jährige als das, was man im Fußball einen Aktivposten nennt. Ein Strafverfolger kam zu dem Ergebnis, dass er sich durch Koordination, Organisation und Kommunikation an der Tat beteiligt habe. Wahrscheinlich bekommt Delling an diesem Dienstag vor Gericht die Möglichkeit, sich zu äußern.
Er kann dann über seine Verbindung zu der mutmaßlichen Entführerin Keren T. Auskunft geben. Mit der Israelin chattete Delling. Der Austausch hatte schon Monate vorher begonnen. Was Delling und die heute flüchtige Keren T. jedoch direkt nach der Entführung der Kinder schrieben, wurde gelöscht.
Am 2. Januar 2024 meldeten sich bei Delling auch Bekannte, die in den Medien von der Kindesentführung in Dänemark gelesen hatten. Eine Person fragte, ob das „Eure Kinder“ seien. Delling bestätigte. Der oder die Bekannte beglückwünschte ihn, wollte aber auch wissen, ob das nun „legal dünnes Eis“ sei „oder einigermaßen safe, wenn es klappt“.
Flensburgs Oberbürgermeisterin erkundigt sich bei Delling
Blocks Partner befand sich in den Tagen nach der Tat in regem Austausch. Er schrieb mit einem Anwalt der Block-Familie und telefonierte mit einem Kinderpsychologen, der für die Block-Seite als gutbezahlter Gutachter antrat. Der gelernte Journalist Delling arbeitete auch an einem schriftlichen Statement Christina Blocks mit. Dass die Entführer Ex-Mann Stephan Hensel brutal niedergeschlagen hatten, bezweifelte Delling. Einem Juristen stellte er die Frage, ob man erwirken könne, dass Hensel seine Verletzungen zeigen müsse.
Abends meldete sich noch die damalige Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange bei Delling. Die SPD-Politikerin wollte wissen, ob die Kinder tatsächlich wieder bei der Mutter seien. Delling, so ist der Ermittlungsakte zu entnehmen, reagierte erfreut auf ihre Kurznachricht und bejahte.
An diesem Abend näherten sich die beiden Kinder von Christina Block und Stephan Hensel bereits wieder mit ihrer Mutter Hamburg. Vor ihrer Ankunft ging Delling einkaufen. Außerdem ließ er sich davon unterrichten, was sich vor Christina Blocks Haus tat. Dort waren bereits ein paar Journalisten eingetroffen. Delling erhielt von einem Sicherheitsberater den Hinweis, die Schlösser an den Kellerfenstern einzudrücken. So könnten die Kinder nicht durchs Fenster fliehen. Der Sicherheitsberater, Andreas P., sagte das später in einer Vernehmung. Auch er ist angeklagt.
Am Tag darauf war Delling mehrfach mit dem Thema Kindesmissbrauch beschäftigt. Es ging offenkundig darum, Stephan Hensel zu diskreditieren. Delling schrieb von einer „Pädophilie Story“. Dahinter steckte eine vermeintliche Recherche der israelischen Sicherheitsfirma Cyber Cupula Operations, für die auch Keren T. arbeitete.
Die Recherche lag einige Monate zurück und hatte angeblich ins Darknet geführt, es ging um das Thema Kinderpornografie. Dort sollte auch der Name Hensel aufgetaucht sein. Christina Block hatte dann Material von Cyber Cupula erhalten, das neben Stephan Hensel auch dessen Familienrechtsanwalt belastete. Das Dossier hatte sie zur Polizei gebracht.
Morgen müsse man die „Pädophilie Story“ rausbringen, schrieb Delling nun Christina Block am Abend des 3. Januar 2024. Die Polizei schätzte die Dokumente später als Fälschung ein. Davon wusste Delling Anfang Januar 2024 allerdings noch nichts.
Druck beim Innensenator Grote?
In der schmutzigen Angelegenheit war Delling auch mit dem Rechtsanwalt Dr. C. in Kontakt, einem langjährigen Vertrauten der Familie Block. C. ist in dem Verfahren am Landgericht ebenfalls angeklagt.
Delling wollte offenbar Druck beim Hamburger Innensenator Andy Grote machen. Er schlug dem Anwalt C. vor, Grote wissen zu lassen, dass die Polizei schon seit zwei Monaten Hinweise auf Pädophilie habe. „Dann kommt da Bewegung rein“, prophezeite Delling am 3. Januar 2024.
Einer Person, die ihm nahesteht, schrieb Delling, das Ziel sei jetzt, dass die „Kinderpornostory“ um Hensel und dessen Anwalt „publik“ werde. Dafür sollten offenbar Journalisten beim Landeskriminalamt anfragen. Einem Reporter des NDR habe er bereits einen Tipp gegeben, schrieb Delling weiter.
Die „Pädophilie Story“ freilich erschien so nie. Auf Anfrage weist der 66-Jährige darauf hin, dass die Anzeige von Frau Block gegen Herrn Hensel seit Herbst 2023 von der Staatsanwaltschaft nicht bearbeitet worden sei. Er habe zu keinem Zeitpunkt wissentlich unwahre Tatsachen über Herrn Hensel oder dessen Rechtsanwalt verbreitet, sondern wollte Anfang Januar Bewegung in die ermittlungsbehördlichen Aufklärungsbemühungen bringen.
Es gäbe keinen belastbaren Hinweis darauf, dass ihm bekannt gewesen wäre, dass das Material überhaupt objektiv unwahre Darstellungen enthalten würde. Seiner Stellungnahme im Prozess und die Erklärung zu den Ermittlungsergebnissen sehen die Teilnehmer gespannt entgegen.