„Reich, krank und schwul“Homophobe Hasskommentare gegen ESC-Sänger

Lesezeit 3 Minuten
Marco Mengoni aus Italien reagiert während der Abstimmung beim Finale des 67. Eurovision Song Contest (ESC) in der M&S Bank Arena.

Marco Mengoni (r) aus Italien reagiert während der Abstimmung beim Finale des 67. Eurovision Song Contest (ESC) in der M&S Bank Arena.

Der Sänger schwenkte am Samstag neben der italienischen Flagge auch eine spezielle Regenbogenfahne. Das kam in Italien nicht gut an.

Marco Mengonis in den ersten Minuten des Finales des Eurovision Song Contests am Samstag, 13. Mai 2023 erhielt viel Aufmerksamkeit in den sozialen Medien. Der Italiener betrat mit zwei Flaggen die Bühne: In der einen Hand schwenkte Mengoni die italienische Trikolore – so wie fast alle Sängerinnen und Sänger die Flagge ihres Landes auf die Bühne trugen. Mit einer Ausnahme: Die deutsche Gruppe Lord of the Lost schwenkte keine Fahne.

Marco Mengoni schwenkte Pride-Flagge während ESC-Finale

Mit der anderen schwenkte Mengoni stolz die „Progress Pride“-Flagge, die 2018 von Daniel Quasar entworfene Regenbogenfahne der LGBTQIA+-Gemeinschaft. „Zwei Flaggen, zwei Leben“, schrieb Mengoni auf Twitter in einem Wortspiel, das viele Bedeutungen auf verschiedenen Ebenen eröffnet, von der persönlichen bis zur politischen. Mengoni, der in seiner Heimat ein Superstar ist, war am Samstagabend der einzige Teilnehmer mit zwei Flaggen.

Neben den klassischen Streifen in Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett hat die „Pride Progress“Flagge fünf weitere Streifen: die Streifen für die Trans-Community (weiß, rosa und blau) und die Streifen für Schwarze Menschen (schwarz und braun). Hinzu kommt das gelbe Dreieck mit dem violetten Kreis, das die Intersex-Flagge kennzeichnet.

Alles zum Thema LGBTQI+ – News für und über queere Menschen

Homophobe Beleidigungen gegen Marco Mengoni

Wenige Tage vor dem „Internationalen Tag gegen Homophobie“ am 17. Mai 2023 wird Mengoni zur Zielscheibe homophober Beleidigungen. Eine Lawine von Reaktionen ist seit Samstag über den italienischen Superstar hereingebrochen. Das berichtet das queere italienische Onlinemagazin „gay.it“.

Der Sänger selbst hat sich bislang nicht zu den Anfeindungen geäußert. Über seine sexuelle Orientierung hat er noch nie öffentlich gesprochen. Sein Privatleben hält er bislang weitgehend aus der Öffentlichkeit heraus. Im ESC-Finale erreichte er mit seiner Ballade „Due vite“ den vierten Platz.

Es habe eine „Welle von homophoben Kommentaren“ gegeben, heißt es auf der Website „gay.it“, „die von Hass und Diskriminierung geprägt waren“. Dies sei nicht verwunderlich in einem Land, das von einer rechten Mehrheit regiert wird, die ihrerseits „von einer zutiefst diskriminierenden Kultur geprägt ist“.

Schimpfwörter und schwerste Beleidigungen gegen ESC-Sänger

Auf den Instagram-Seiten der großen italienischen Tageszeitungen wie „La Stampa“ (Beispiel), „La Repubblica“ und „Corriere della Sera“ löste Mengonis Auftritt mit der „Pride Progress“-Flagge teils heftige Reaktionen aus. Einige sprachen von „Propaganda“, andere von „Verachtung“, wie in der Galerie von gay.it zu sehen ist.

Viele Kommentare gehen aber noch weiter, bezeichnen die Regenbogenfahne als „Fahne der Verdorbenen“ und raten Mengoni, „sich an die Spitze des Mastes zu setzen“. Andere schreiben, sie seien angewidert. Sie nennen Mengoni „reich“, „krank“ und „schwul“ und fordern ihn auf, sich „behandeln“ zu lassen. Jemand erinnert den Sänger daran, dass „man immer das Land wechseln kann“, während andere „Pride Progress“ als „die Flagge der Schließmuskeln“ bezeichnen.

Viele Kommentare versuchen aber auch, ihre Unterstützung für Mengoni einerseits, aber auch für die queere Community andererseits auszudrücken. Ein Kommentar bringt es auf den Punkt: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“.

Italien: Kein weitreichendes Schutzgesetz für LGBTQ+

„Gay.it“ beklagt in seinem Artikel, dass das Land keine weitreichenden Gesetze zum Schutz homosexueller Menschen habe. Ein Gesetzesentwurf gegen Homophobie und Transphobie, das sogenannte „DDLZan“, spaltete Italien 2021. Es sollte LGBTQ+ unter besonderen Schutz stellen.

Nach einer Intervention der katholischen Kirche lehnte eine Mehrheit der Senatorinnen und Senatoren das Gesetz ab, das Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ahnden sollte. Nach der Ablehnung brach Jubel unter rechten Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus.

KStA abonnieren