Gebärdendolmetscher Tommy Krangh„Der Michael Jackson der Gebärdensprache“

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Seine Fans wollen Krangh auch beim Finale sehen.

Seine Fans wollen Krangh auch beim Finale sehen.

Stockholm – Schlagerlieder für Gehörlose zu übersetzen ist wahrlich keine einfache Aufgabe. Doch Gebärdendolmetscher Tommy Krangh hat sich damit einen Namen weit über die Grenzen seiner Heimat gemacht. Beim schwedischen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest in Wien sorgte er für internationale Furore.

Krangh hat Rhythmus im Blut, jede seiner Übersetzungen ist ein eigener Tanz. Der 48-Jährige stahl den singenden Stars auf der Bühne damit so sehr die Show, dass er derzeit der wohl beliebteste Mann in Schweden ist. Das ein wenig leblose Liedchen „Möt mig i Gamla Stan“ („Treffe mich in der Altstadt“) von Magnus Carlsson zum Beispiel peppte er durch weiche Hüftschwünge und eine erstaunlich facettenreichen Mimik so sehr auf, dass das Video der Performance es weltweit in die Wohnzimmer schaffte.

Der perfekte Kontrastpunkt

Bis hin zum weit ab vom europäischen Schlagerwahn liegenden US-Sender CNN war Kranghs tänzelnde Übersetzung zu sehen. CNN nennt ihn im Interview den „Michael Jackson der Gebärdensprache“, er sei selbst ein „richtiger Thriller“. Auch Kranghs Kleidungsstil – ein schlichtes dunkles Hemd, eine lila Fliege und eine beamtenhafte Lesebrille – wurde vom Publikum als perfekter Kontrastpunkt zum ansonsten so überkandidelt glitzernden Schlagerwettbewerb gelobt. Gerade dass Krangh nicht perfekt aussieht, kommt an. Damit macht er den plastischchirurgischen Schlagerwettbewerb wieder menschlich. „Ich verliere mich einfach in den Liedern, wenn es losgeht mit dem Übersetzen,“ sagt Krangh. „Die Leute denken, Gebärdensprache sei trocken, was sie absolut nicht sein muss. Mit dem ganzen Einsatz unserer Körper wird sie zum Totalerlebnis.“

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Inzwischen wurde Tommy Kranghs Übersetzungsarbeit bei Youtube rund drei Millionen Mal angeschaut. In Interviews berichtete er über seine große Liebe zum europäischen Schlagerwettbewerb. Er habe keinen einzigen verpasst, seit er sechs Jahre alt gewesen sei.

Seine stetig wachsende Fangemeinde in Schweden pocht nun hartnäckig darauf, dass Superstar Krangh mit nach Wien darf. „Wir kriegen massenhaft Anfragen. Ich finde, es ist eine lustige Idee, Tommy mitzuschicken“, sagt Hakan Björklund, Dolmetscherchef beim schwedischen Fernsehen. Allerdings hätten da andere das letzte Wort. Der öffentlich-rechtliche Sender SVT hält sich derzeit noch bedeckt, ob Krangh mit nach Wien darf, um den schwedischen Beitrag zu dolmetschen.

Gute Chancen auf die nächste ESC-Übersetzung

Krangh ist im Alltag Büroangestellter in der Kommune Örebro und hat keine Übersetzerausbildung. Fünf Wochen lang hat er die Texte der Beiträge in Gebärdensprache auswendig gelernt. Dass ihm dennoch erlaubt wird, den schwedischen Beitrag in Wien zu übersetzen, davon gehen Fans und Landespresse bereits fest aus.

Beim 60. ESC-Finale vertritt Schweden übrigens ein Mann namens Mans Zelmerlöw. Seinem Lied „Heroes“ werden gute Chancen eingeräumt, den Wettbewerb zu gewinnen. Aber das ist derzeit nur Nebensache.

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