Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Irrtümer der BrutsaisonVon wegen Rabeneltern

Lesezeit 6 Minuten

Ein fliegender Kolkrabe

Rabeneltern vernachlässigen ihren Nachwuchs: Rabenvögeln hat man schon so manches nachgesagt. Geradezu sprichwörtlich geworden ist die angebliche Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses. Nur Rabeneltern tun so etwas Schreckliches, so heißt es. Der Volksmund irrt aber, wenn er das sagt, denn Raben sind nicht nur außergewöhnlich intelligent, sie kümmern sich auch geradezu vorbildlich um ihre Nachkommenschaft, wissen Ornithologen.

Woher kommt dann aber dieses Vorurteil? Da können selbst Vogelkundler und Kulturwissenschaftler letztendlich nur spekulieren, abschließende Gewissheit gibt es bis heute nicht. Es kann gut sein, dass unsere Vorfahren aus ihren Beobachtungen falsche Schlüsse gezogen, oder auch einfach nur nicht richtig hingeguckt haben. Die Jungvögel verlassen nämlich schon das Nest, bevor sie richtig fliegen können. Unweit des Nestes lassen sie sich dann weiterhin von ihren Eltern füttern – so wie das bei vielen anderen Vögeln auch der Fall ist. Da aber Raben in früheren Zeiten bei uns weit verbreitet waren, und sich auch oft in der Nähe menschlicher Behausungen niederließen, so traf man zur Brutsaison praktisch allerorten Rabenjunge an, die auf dem Boden sitzend hilflos wirkten, und um Futter bettelten.

Die Schlussfolgerung unserer Ahnen war demnach so simpel wie falsch: Ihre Eltern mussten sie ganz einfach im Stich gelassen haben, Rabeneltern eben. Nur wer etwas genauer hinschaute, konnte beobachten, dass die Elterntiere sich auch jetzt noch eifrig um ihren Nachwuchs kümmerten, und ihn mit Futter versorgten. So ganz genau wollte man das aber in den vergangenen Jahrhunderten gar nicht wissen, denn die Mär von den bösen Rabeneltern passte ganz gut zum negativen Image der vielfressenden Rabenvögel, das sie bei manchen Bauern und Jägern auch heute noch haben.

Der Kuckuck hat in der Brutsaison keinen Stress: Der Kuckuck hat es gut, könnte man meinen. Er spart sich in der Brutsaison den ganzen Stress und legt seine Kuckuckseier einfach anderen Vögeln mit ins Nest, die sie dann ausbrüten. Die berühmten Kuckuckskinder.

Ganz so stressfrei, wie man sich das als Mensch vorstellt, ist das Ganze allerdings keineswegs. Jedes Kuckucksweibchen spezialisiert sich nämlich in der Regel ein Leben lang auf eine ganz bestimmte Wirtsvogelart, deren Eier es dann täuschend echt zu imitieren vermag.

Sind die Bestände dieser Wirtsvögel aber rückläufig – und das ist in der heutigen Zeit, in der der Mensch die Natur immer mehr zurückdrängt und zerstört, immer häufiger der Fall – dann kann auch das Kuckucksweibchen schnell ein echtes Problem bekommen. Unter den etwa 100 Wirtsvogelarten Mitteleuropas gibt es zudem noch eine ganze Reihe sogenannter „Fehlwirte“, bei denen der Trick mit den untergeschobenen Eiern nicht funktioniert. Und selbst von den verbliebenen, potenziell geeigneten Wirten, ziehen bis zu 30 Prozent den fremden Nachwuchs dennoch nicht groß, und geben das Gelege vorzeitig auf.

Mit anderen Worten: Wenn sich ein Kuckuck in der Brutsaison keinen Stress macht und es allzu locker angehen lässt, dann hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und die Kuckuckskinder bleiben aus.

Die Männchen sind in der Vogelwelt immer farbenprächtiger als die Weibchen: Bei den ersten Vögeln, die einem so einfallen, stimmt das sogar: Die Erpel auf dem Teich sind bunter als die Enten, die Hähne auf dem Mist sind bunter als ihre Hühner, und der männliche Pfau ist in Sachen Farbenpracht ja geradezu legendär. Bei der Partnerwahl beziehungsweise Balz kann diese Schönheit und Buntheit durchaus von Vorteil sein.

Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Vögeln, bei denen die Männchen keineswegs bunter gefärbt sind als ihre Weibchen: Bei Gänsen, Möwen, Reihern, Störchen und Krähen sehen sich doch beide Partner recht ähnlich.

Dann gibt es auch noch die Arten, bei denen sogar in der Brutsaison die Weibchen optisch mehr hermachen: Odins- und Thorshühnchen zum Beispiel. Interessanterweise setzen die aber auch sonst auf Rollentausch. Bei diesen beiden Arten sind es nämlich die Weibchen, die aktiv auf Partnersuche gehen und um die Männchen werben.

Vögel brüten nicht im Winter: Der Frühling ist warm und es fliegen nach dem Winter erstmals wieder reichlich Insekten umher, mit denen sich der Nachwuchs ausgezeichnet großziehen lässt. Das bedeutet nun aber keineswegs, dass nur im Frühjahr gebrütet wird. Es gibt Vögel, die im Winter brüten. Für Fichtenkreuzschnäbel (Loxia curvirostra) etwa beginnt die Brutsaison oft schon im Dezember. Sie ernähren sich und ihre Brut vor allem mit Fichtensamen, aber auch mit den Samen anderer Nadelbäume. Mit ihrem eigentümlich gekreuzten, überlang wirkenden Schnabel spreizen sie die Schuppen der Zapfen ab und gelangen so relativ einfach an die Nahrung. Ornithologen haben Berechnungen angestellt, wonach an eine einzige Brut bis zu 85 000 Samen verfüttert werden. Zwar sind die Winternester dichter gebaut und auch besser ausgepolstert, aber oft fallen die Küken in eine Art Kältestarre, aus der sie die Altvögel erst wieder erwecken müssen. Dennoch, die Tortur zahlt sich aus: Der weltweite Bestand an Fichtenkreuzschnäbeln ist stabil.

Ins Nest zurückgesetzte Küken werden verstoßen, weil sie nach Mensch riechen: In der Brutsaison kommt es immer mal wieder vor, dass man Küken außerhalb ihres Nestes antrifft. Was tun? Wer sie zurück ins Nest setzen will, macht in der Regel einen Fehler, sagen Ornithologen. Ganz junge Küken, die noch größtenteils nackt sind und geschlossene Augen haben, wurden nämlich meist nicht ohne Grund von ihrer Familie aus dem Nest geworfen. Die Elterntiere setzen alles vor die Tür, was ihnen nicht fit und gesund genug erscheint.

Es kann auch gut sein, dass ein Tier aus dem Nest gefallen ist, weil es darinnen allmählich zu eng geworden ist. Wer also ein junges Küken wieder zurück in das Nest setzt, muss damit rechnen, dass er es am nächsten oder übernächsten Tag wieder an der gleichen Stelle außerhalb des Nestes antrifft.

Mit menschlichem Geruch, den das Küken beim Rettungsversuch eventuell angenommen hat und der die Eltern angeblich stören könnte, hat das aber rein gar nichts zu tun. Wer ein solches nacktes und wirklich hilfloses Küken entdeckt, sollte es warmhalten und sich zügig an einen Fachmann wenden, Tier- und Naturschutzvereine etwa, die wissen was zu tun ist.

Es gibt aber auch noch eine weitere Art von Küken, die man ebenfalls nicht zurücksetzen sollte. Ältere Jungvögel, deren Gefieder schon relativ gut ausgebildet ist, verlassen das Nest oftmals schon ein paar Tage, bevor sie selbst richtig gut fliegen können. Sie flattern dann noch einige Zeit in der Gegend umher oder sitzen piepend im Unterholz.

Diese Jungvögel werden allerdings noch regelmäßig von den Elterntieren gefüttert, auch wenn man diese nicht immer auf Anhieb zu sehen bekommt. Diesen Vögeln hilft man am besten, indem man sie einfach dort sitzen lässt, wo sie sitzen. Die Hauskatze und auch den Hund sollte man zur Brutsaison ohnehin nicht unbeobachtet lassen, denn die können diesen Vögelchen sehr wohl zum Verhängnis werden.