Klatsch-KolumneWenn der Trainer mit der Sportlerin

Christina Obergföll und ihr Trainer Boris Henry.
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Ja, wir haben es alle hautnah mitbekommen und es ging ans Herz. Tinas Liebesgold von Moskau ist nochmal mehr wert als jedes andere sportlich errungene Edelmetall, das gemeinhin am Seidenband um den gut trainierten Sportlernacken baumelt. Wettkampf, Sieg, Kuss, und demnächst auch noch die Heirat nebst Babywunsch - so romantisch kann Speerwurf sein. Christina Obergföll und ihr Bräutigam Boris Henry, die Weltmeisterin und ihr Bundestrainer, ein Paar auf Erfolgskurs: Nach fünfmal Silber bei internationalen Großereignissen gelang der Offenburgerin jetzt der ganz große Wurf. Im September wird geheiratet. und als wäre das alles nicht schon beinahe zu schön, um wahr zu sein, da kommt bei dem Gold-Coup von Moskau auch noch dieses heraus: Wenn sie Gold gewinnt, nimmt er ihren Familiennamen an, verrät der Trainer die interne Goldwette des Paares vor laufender Kamera. Doppelnamen findet Boris Henry blöd. Die Nation hält den Atem an und reibt sich die Augen. Da sieht man's wieder: Die Opferbereitschaft von Sportsleuten für einen Platz auf dem obersten Podest ist wirklich beinahe grenzenlos.
Das goldige Liebesglück der demnächst Obergfölls ist natürlich kein Einzelfall in der deutschen Sportszene. Dass Sportler und Sportlerin zusammenkommen, sollte jedenfalls niemanden verwundern. Man hat gemeinsame Ziele, man gibt alles dafür. Das fördert die Beziehung. Menschen, die unter extremem Leistungsdruck im Licht der Öffentlichkeit stehen, raufen sich naturgemäß gerne zusammen. Das ist bei Schauspielern, Fernsehleuten und eben Sportlern im Allgemeinen ja auch nicht anders. Die bunten Blätter sind voll von deren kompliziertem Liebesleben.
Nun ist die Beziehung zwischen Coach und Schützling im Leistungssport jedoch nochmal ein Sonderphänomen. Der Trainer ist nicht nur für das Training zuständig, sondern für den ganzen Menschen. Dafür gibt einen Ehrenkodex, Trainer müssen ihn unterschreiben. Jede Form von Beleidigung, Nötigung und Diskriminierung ist verboten. Beste Theorie, die in der Trainingspraxis wahrscheinlich nicht immer ganz leicht umzusetzen ist. Für die Beziehung ergibt sich jedenfalls beinahe naturgemäß ein struktureller Zwang: Der eine muss Leistung bringen, der andere konsequent führen. Von der Sache her muss der Trainer dominat sein. Da darf kein privater Stress in die Beziehung schwappen, sonst ist es mit dem Vertrauensverhältnis auf dem Sportplatz vorbei. Geht das Liebesverhältnis in die Binsen, geht es mutmaßlich auch mit der sportlichen Arbeit vorbei.
Beispiele für innige Beziehungen zwischen Trainer und Sportler finden sich nichtsdestotrotz immer wieder. Aus der beschriebenen Rollenverteilung ergibt sich automatisch, dass die Liaison mitnichten immer glücklich endet, sei sie auch sportlich noch so erfolgreich. Die Leichtathletin und Olympiasiegerin im Weitsprung Heike Drechsler trennte sich nach zwölf Jahren von dem ehemaligen französischen Zehnkämpfer Alain Blondel, der bis dahin Trainer und Lebensgefährte in Personalunion für sie war.
Andere meistern den Druck erst im Schutz einer nachhaltig funktionierenden Partnerschaft. Die 400 Meter-Läuferin Grit Breuer schaffte unter ihrem Trainer und Lebensgefährten Thomas Springstein in den 90er Jahren die Rückkehr in die Weltelite. Eine Dopingaffäre beendete die aktive Laufbahn, die Beziehung hielt. Der Langstreckenläufer Dieter Baumann wurde Zeit seiner Sportlerkarriere stets von seiner Ehefrau Isabelle trainiert. Das Paar hat eine Tochter und einen Sohn und überstand auch die dopingrelevante "Zahnpasta-Affäre" offenkundig ohne inneren Zwist.
Die deutsch-amerikanische Erfolgs-Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum trainiert zuhause mit ihrem Ehemann Markus Beerbaum. Töchterchen Brianne-Victoria (3) schaut schon mal zu, wie Papa die Mama durch den schwierigen Springparcours coacht. Der Gatte hatte seine eigene Sportkarriere einst auf Eis gelegt, um die der Ehefrau zu fördern. Eine gute Idee: Meredith ist vierfache Deutsche Meisterin und errang bei Weltreiterspielen und Europameisterschaften bisher vier Goldmedaillen.
Trotzdem, im Stall der Beerbaums kann es auch mal lauter werden. Das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu finden dürfte gar nicht so einfach sein. Privates und Berufliches zu trennen schon gar nicht. Am besten vielleicht, man hält sich als Trainer strikt an das amerikanische Modell. "Das amerikanische Modell" verbietet auch im Training jeden Körperkontakt.