KlimawandelSüdlich von Bonn liegen die besten Weinanbaugebiete NRWs

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Winzer Wein Symbol

Ein Winzer beobachtet Reben an einem Hang. (Symbolbild)

Köln/Königswinter/Hilchenbach – Seit beinahe jeher betreiben die Piepers und ein paar andere Familien den Weinbau unterhalb des berühmten Drachenfels in Königswinter. Als Adolf Wilhelm „Bobbi“ Pieper vor 30 Jahren das Winzerhandwerk gelernt hat, sah die Welt ein bisschen anders aus als heute: „Ich habe in der Ausbildung noch gelernt, wie man Weine richtig entsäuert.“ Das war damals wesentlich. Denn an den kargen Hängen des Siebengebirges reckten sich die Weinreben oft vergeblich nach Sonne – und es oblag der Kunst der Winzer, aus den Trauben einen genießbaren Wein zu zaubern. Was nicht immer gelang. „Damals hieß es“, sagt Pieper, „dass Mittelrhein- und Moselwein am besten fünf Jahre in der Ecke steht, damit die Säure sich auflöst.“ Die gute Nachricht: Das ist vorbei. Die Lagen südlich von Bonn gelten inzwischen als mit die besten im Land. Die schlechte Nachricht: Das liegt wohl am Klimawandel.

Die Kunst der Winzer

„Früher lagen wir an der äußersten Peripherie des Weinbaus“, sagt Pieper, „heute liegen wir mittendrin.“ Die gut 20 Hektar Rebflächen im Siebengebirge bilden den allernördlichsten Zipfel des Weinbaugebiets Mittelrhein und sind das – bislang – einzige Anbaugebiet von NRW. Ein winzig kleiner Anteil am Weinland Deutschland ist das – auf 100000 Hektar Rebflächen werden bundesweit alljährlich 9,5 Millionen Hektoliter Wein produziert.

Weinanbaugebiete-Deutschland

Die 13 deutschen Weingebiete liegen meist südlich des 50. Breitengrades, die gedachte Weinbaugrenze lag bis vor einiger Zeit auf einer gedachten Linie in Höhe der Anbaugebiete Siebengebirge, Saale-Unstrut und Sachsen. Alles darüber galt als unverbesserlich sauer.

Bernhard Rüb ist Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Bei ihm ist in Sachen Wein viel los. Viele Landwirte leiden an den Folgen der Klimaänderungen. Zuckerrüben sind mancherorts ein Problem, manche Getreide funktionieren nicht mehr. „Und jetzt sehen diese Landwirte, dass es eine Chance gibt mit dem Weinanbau“, sagt Rüb, „wir haben hier Anträge aus Meckenheim und dem Kreis Düren. Diese Leute wollen nicht nur ein paar Reben pflanzen, sondern hektarweise Wein anbauen – mit eigenen Kellern, eigener Verarbeitung und eigener Vermarktung.“

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Wer und wo genau das im einzelnen ist, darf Rüb nicht sagen; das Weinrecht ist nämlich kompliziert. Bis 1000 Quadratmeter, auf denen sich bis zu 700 Reben pflanzen lassen, gilt der Weinanbau als Hobby und ist genehmigungsfrei, solange man den Wein weitgehend selber trinkt. Alles was größer ist, unterliegt komplexen Landes- und EU-Verordnungen. Die vorläufige Genehmigung wird für fünf Jahre erteilt. In dieser Zeit muss der Bewerber die Grundstücke parat haben, Pflanzen besorgen – was nicht einfach ist, weil die Rebschulen nicht auf Vorrat produzieren – und die möglichen Verarbeitung und Vermarktung organisieren. Nach fünf Jahren muss der Weinbau laufen oder die Genehmigung verfällt.

Begrenzte Anbaufläche

Die Anbaufläche für Wein ist limitiert. Pro Jahr dürfen in NRW theoretisch fünf Hektar neue Anbauflächen freigegeben werden. „Die Nachfrage hat sich dramatisch gesteigert“, sagt Rüb. Alleine für das Jahr 2020 sind knapp 4,5 Hektar genehmigt worden. „Es gab Anfragen aus Viersen, Düsseldorf, Wuppertal, dem Aachener Raum“, zählt Rüb auf, „und aus Steinhagen, da wo der Schnaps herkommt.“

DO-Weinanbau1

Weinanbau im Siegerland

„Die Weinbaugrenze hat sich komplett nach Norden verschoben“, sagt „Bobbi“ Pieper, „inzwischen gibt es Weinbaugebiete in Schweden, in Dänemark und Holland.“ So weit muss man aber gar nicht gucken, auch in NRW wird man schon fündig.

Weinanbau in Dortmund

Am Dortmunder Phoenixsee stehen inzwischen an zwei Lagen 400 Reben. Eher eine PR-Aktion als eine winzerische Unternehmung, glaubt Bernhard Rüb. Aber der Anlass ist kein schlechter: Bis vor ein paar Jahren galt die Emscher als schmutzigster Fluss Deutschlands. Den Erfolg all der Sanierungs- und Renaturierungsmaßnahmen jetzt auf Flaschen ziehen und trinken zu können, ist eine schöne Idee.

In Hilchenbach im Siegerland hat der Weinbau einen eher sozialen Ursprung. Das Jugendhilfswerk Lagano betreibt Wohnheime für Kinder und Jugendliche und kümmert sich um die Ausbildung der jungen Leute. Gartenbau ist eines der Themen, und als über Kontakte zu Winzern in Rheinland-Pfalz die Gelegenheit zum Weinbau entstand, griffen die Betreiber zu. „2018 haben wir das Weinrecht beantragt, 2019 gab es die erste Pflanzung von 1000 Reben und 2020 noch mal 500 Reben“, sagt Geschäftsführer Alexander Reichenau. Im Herbst soll erstmals ein bisschen geerntet werden, die erste richtige Lese ist fürs nächste Jahr vorgesehen, 3000 Flaschen sollen es werden.

Zeit der Weinberge ist vorbei

Reichenau bezeichnet das 0,35 Hektar große Grundstück stets tapfer als „unseren Weinberg“, obwohl es sich um eine ehemalige, ziemlich ebene Pferdeweide handelt. Aber die Zeit der Weinberge, hatte „Bobbi“ Pieper prophezeit, werde eh bald vorbei sein – wenn es genug Sonne gibt, werden die arbeitsintensiven und schwer zu bewässernden Hänge überflüssig. „Das Landschaftsbild wird sich in den nächsten 50 bis 100 Jahren drastisch ändern“, sagt Pieper.

Bio und lokalerzeugt

In Hilchenbach werden die Trauben Cabernet Jura für Rotwein und Calardis Blanc für Weißwein gepflanzt. „Pilz- und frostresistente Hybridweine sind das“, sagte Reichenau. Alles weitgehend bio und lokal erzeugt – in der Umgebung kommt das neuartige Projekt gut an, Firmen und Privatleute sichern sich die Patenschaften für die Reben und tragen so zur Finanzierung des Ganzen bei.

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