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Kommentar zum Lügde-MissbrauchBehörden lassen Opfer warten – Begründung klingt zynisch

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Hinter einem Zaun und Polizeiabsperrband ist ein Lampion und ein Windspiel auf dem Campingplatz Eichwald zu sehen. (Archivbild)

Hinter einem Zaun und Polizeiabsperrband ist ein Lampion und ein Windspiel auf dem Campingplatz Eichwald zu sehen. (Archivbild)

Der hundertfache schwere sexuelle Missbrauch auf einem Campingplatz in Lügde liegt schon Jahre zurück. Viele Opfer warten aber nach wie vor auf Entschädigungszahlungen.

Die Täter aus Lügde wurden vor vier Jahren enttarnt und vor etwa drei Jahren zu hohen Haftstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Dass die sexuell missbrauchten und gequälten Kinder aus Nordrhein-Westfalen heute immer noch auf den behördlichen Bescheid für Zuwendungen aus dem Opferentschädigungsgesetz warten, fühlt sich unerträglich an.

Hätten einige der Ämter, die jetzt akribisch prüfen, den Opfern zuvor nur einen Bruchteil ihrer derzeitigen Aufmerksamkeit gewidmet, wäre so manche Straftat wohl verhindert worden. Hinweise darauf, dass hier ein organisierter Missbrauch stattfand, hat es jedenfalls schon lange vor der Verhaftung der Täter gegeben. Die Aussagen aber wurden beispielsweise von den beteiligten Jugendämtern grotesk fehlinterpretiert oder schlichtweg nicht ernst genommen.

Lügde-Missbrauch: Betroffene tragen oft ein Leben lang an der Last

Wortreich erläutert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, was so alles recherchiert und geprüft werden müsse, um jetzt über die Entschädigungsanträge der Opfer zu entscheiden. Vor allem aber müsse geklärt werden, ob die Kleinen länger als sechs Monate unter den Misshandlungen gelitten hätten.

Das klingt fast zynisch. Denn ein Missbrauch in Kinderjahren ist meist eine Last, die die Betroffenen ein Leben lang mit sich tragen – manchmal sogar daran zerbrechen.

In Niedersachsen wurden Anträge bereits bewilligt

Wenn es wirklich stimmt, dass die Prüfung der „Sachverhaltsaufarbeitung“, wie es im Behördendeutsch heißt, vor allem wegen der gesetzlichen Vorgaben so kompliziert und zeitaufwendig ist, stimmt mit dem Gesetz was nicht. So wird die gedachte Unterstützung zu einer weiteren Belastung für Menschen, die traumatisiert und missbraucht wurden. Durch eine Bürokratie, die sich verselbstständigt zu haben scheint.

Dass es auch anders gehen könnte, dass zumindest über die Anträge von einigen nordrhein-westfälischen Lügde-Opfern längst hätte entschieden werden können, zeigt das Vorgehen der niedersächsischen Behörden. Dort wurden sechs Entschädigungen bereits bewilligt, weitere sollen bald folgen. Warum das in NRW nicht möglich war, ist schwer zu verstehen.

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