Forschungsprojekt in NRWGranit soll Windräder nachhaltiger machen

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Granit soll die Rotorblätter leichter und nachhaltiger machen.

Aachen – Neue Forschungsansätze klingen manchmal kurios. Aber gerade die Ideen, die belächelt werden, können auch die brillantesten sein. So wie Granit für Windkraftanlagen. Damit sollen die Rotorblätter leichter und nachhaltiger werden. Granit und Leichtigkeit? Diese Eigenschaft verbindet man nicht unmittelbar mit dem Gestein „Die Dichte ist gar nicht so hoch. Man denkt nur, Granit müsste schwer sein“, erklärt Lennart Jacobsen den scheinbaren Gegensatz. Der 33-Jährige arbeitet am Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen am Projekt „StoneBlade - Leichtbau mit Granit für die Windindustrie“.

Ein Ansatz, der nicht nur kurios, sondern vielleicht sogar revolutionär sein könnte: Das hat auch das Bundeswirtschaftsministerium befunden, das das Forschungsprojekt seit Dezember 2020 fördert. Vergangenes Jahr wurde es überdies mit dem zweiten Platz des AVK Innovationspreises in der Kategorie Forschung und Wissenschaft geehrt. Die AVK - Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe zeichnet jährlich Innovationen im Bereich der faserverstärkten Kunststoffe aus.

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Lennart Jacobsen von der RWTH Aachen

Innen Granit und außen Carbon statt eines Verbunds aus Carbon und Kunststoff - das ist die Idee. Ersetzt werden soll damit der Gurt, ein besonders stark beanspruchter Teil der Rotorblätter, welcher von der Wurzel bis zur Spitze verläuft. Möglicherweise können auch die Stege ersetzt werden. Beides ist im Inneren der gigantischen Bauteile zu finden und maßgebend für die Widerstandskraft.

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Wie es aussieht, wenn die nicht gut genug ist, demonstriert Jacobsen mit einem Video: Dunkelgraue Wolken, peitschende Äste und mitten im Bild ein Windrad, dessen Rotorblätter sich drehen wie ein Propeller, immer schneller und schneller, als wolle es gleich abheben und in den Sturm hochsteigen. Bis es knallt. Die Rotorblätter brechen ab, fliegen in alle Richtungen, zersplittern, der Turm bricht ein. Das ist der Super-Gau. Schlechte Schlagzeilen für die Energiewende.

Weniger Unfälle durch Granit

Die Bremse sei ausgefallen, erläutert Jacobsen, der Druck auf die Rotorblätter bei der hohen Geschwindigkeit zu groß. Solche Unfälle sind selten, aber sie passieren. Jacobsen hofft, sie verhindern zu können. „Im Wind wird das Rotorblatt gebogen. Eine Seite, die besonders stark auf Zug belastet ist, wird quasi gestreckt. Und eine Seite wird komprimiert, sie wird auf Druck belastet“, erklärt er. Hier wurden aus Gewichtsgründen Faserverbundwerkstoffe wie CFK verwendet, also Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff. Die seien sehr gut auf Zug belastbar, aber eben nicht auf Druck. Jacobsen vergleicht das mit einem Schnürsenkel: Man kann an ihm ziehen, aber nicht mit ihm drücken. Granit dagegen ist sehr gut druckbelastbar. Eine Mischung aus Granit und Carbon soll entsprechend in beide Richtungen standhalten.

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Jacobsen hält eine Platte Granit (unten) und eine Platte aus Granit, die mit Carbon beschichtet ist.

Die Idee für diese Verbindung hatte Jacobsens Kooperationspartner: Das ITA arbeitet als Forschungseinrichtung an diesem Projekt mit den Unternehmen AEROVIDE, Altropol Kunststoff, Basamentwerke Böcke und TechnoCarbon Technologies zusammen. Bei letzterem, TechnoCarbon, entstanden die ersten Projekte mit Granit und Carbon. Kolja Kuse, der selbst mal Student an der RWTH Aachen war, wollte Induktionskochfelder direkt in Granitküchenplatten integrieren. Damit das gelingt, musste er sie gegen Wärmeausdehnung verstärken – und nutzte CFK. Daraus entstand wiederum die Idee, die Eigenschaften von Granit und Carbon für dynamische Anwendungen zu nutzen: beim Wintersport. Und schließlich ging es von Küchenplatten über Ski zu Windkraftanlagen.

Friedhof für Windradschrott

Granit soll die Rotorblätter nicht nur vor kurzfristiger Überlastung schützen, sondern auch vor langfristigen Materialveränderungen durch den ständigen Druck. Rotorblätter haben aktuell eine Lebensdauer von etwa 20 bis 25 Jahren, schätzt Jacobsen. „Wir gehen davon aus, dass sie mit Granit deutlich länger halten.“ Vielleicht 30 Jahre. Wenn die vergangen sind, bleibt weniger nicht-recyclebares Material übrig.

USA, Wyoming: Hunderte Rotorblätter liegen akkurat nebeneinander auf dem Boden. Sie warten darauf, mit Erde bedeckt zu werden. Ein Friedhof für Windradschrott. Die Bilder von der Deponie in Casper haben 2020 auch in Deutschland für Empörung gesorgt. Hier werden keine Rotorblätter begraben, das Entsorgungsproblem ist aber keinesfalls gelöst. Die Verbundwerkstoffe, aus denen die Rotorblätter bestehen, können nur schwer getrennt, nicht recycelt werden. Deshalb werden sie in Müllverbrennungsanlagen verbrannt, dienen teils als Füllstoff in der Zementindustrie.

Ein Problem, das exponentiell wächst: Geht man von einer Lebensdauer von 20 Jahren aus, mussten dieses Jahr die Windkraftanlagen von 2002 entsorgt werden. Die Zahl der neuen Windkraftanlagen steigt aber stetig, es wird immer mehr gebaut. Damit wächst auch die Masse an Windradschrott rasant – in 20 Jahren sind es nicht Hunderte Rotorblätter, die begraben oder verbrannt werden müssen, sondern Tausende. Die Verbindung aus Granit und Carbon lässt sich laut Jacobsen aber aufbrechen, zurück bleibt Steinbruch und ein deutlich geringerer Anteil an aufwändig recyclebarem Carbon.

Noch gibt es kein Granit in Rotorblättern. Die Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums läuft drei Jahre, etwa die Hälfte der Zeit ist vergangen. Jacobsen will jetzt ein drei Meter großes Modell bauen, an dem er auf Messen Windparkbauer von der Granit-Idee überzeugen kann. Verkaufsargumente sind nicht nur die höhere Belastbarkeit, die er in zahlreichen Tests in den letzten Monaten nachgewiesen hat, und die Reduzierung von schwer recyclebarem Material. „Ich gehe davon aus, dass es günstiger wird“, sagt Jacobsen. Und durch das geringere Gewicht können die Rotorblätter noch länger gebaut werden – ein Windrad kann noch mehr Energie gewinnen.

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