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Carolin Kebekus stößt in ihrer Comedy-Show Debatte über rassistische Polizeigewalt an

Lesezeit 4 Minuten
In der „Carolin Kebekus Show“ sprachen, von links: Ikram Errahmouni-Rimi, Gastgeberin Carolin Kebekus, Said Etris Hashemi und Julia Duchrow. (Bild: WDR / Ben Knabe)

In der „Carolin Kebekus Show“ sprachen, von links: Ikram Errahmouni-Rimi, Gastgeberin Carolin Kebekus, Said Etris Hashemi und Julia Duchrow. (Bild: WDR / Ben Knabe)

Ernste Töne am Ende einer ungewöhnlichen Comedyshow: Carolin Kebekus sprach mit Expertinnen und Experten über rassistische Polizeigewalt. Anlass ist der Fall eines getöteten jungen Mannes in Oldenburg.

Gut zehn Minuten lang wirkt die aktuelle Ausgabe der „Carolin Kebekus Show“ nicht weiter außergewöhnlich. Es gibt einen längeren Stand-up-Teil mit Gags über Thomas Müller und den zurückliegenden 45. Geburtstag der Moderatorin. Dann kommt Carolin Kebekus auf Kinderbücher mit aus ihrer Sicht unrealistischen Polizeidarstellungen zu sprechen. Und plötzlich ist die Show-Gastgeberin beim eigentlichen Thema der Sendung angekommen: rassistisch motivierter Polizeigewalt.

„Ich weiß, was Sie zu Hause jetzt denken: Muss sie das jetzt machen?“, sagt Kebekus am Ende der Show. „So ein schweres Thema“ sei das. „Kann sie nicht wieder Pupsgeräusche machen wie bei LOL“? Sie gibt zu, sie sei „keine Talkshow-Moderatorin“, aber die, die es sind, würden das Thema aussparen. Ihre Redaktion sei gerne behilflich bei der Vermittlung der „Telefonnummern und Mail-Adressen von all den tollen Expert:innen, die uns geholfen haben, diese Sendung zu machen“.

Anlass für diese besondere Ausgabe der „Carolin Kebekus Show“ ist der Fall des getöteten Lorenz A. aus Oldenburg. Der 21-Jährige, ein Schwarzer, war in der Nacht zu Ostersonntag in eine Auseinandersetzung vor einer Diskothek verwickelt. Bei der anschließenden Verfolgung durch Polizeikräfte wurde er laut Obduktionsgericht durch mindestens drei Schüsse eines Beamten tödlich verletzt - und zwar von hinten. „Spätestens seitdem das bekannt ist, fordern viele neben der lückenlosen Aufklärung auch eine öffentliche Debatte über rassistische Polizeigewalt“, rekapituliert Kebekus in ihrer Show.

Hanau-Überlebender fodert Transparenz, Kommunikation und Aufarbeitung

Mit Blick auf die anstehende Untersuchung verursacht Kebekus vor allem eines Unbehagen: „Gegen die Polizei Oldenburg ermittelt im Fall Lorenz die Staatsanwaltschaft Oldenburg in Zusammenarbeit mit der Polizei Delmenhorst - und die gehören übrigens zu ein und derselben übergeordneten Behörde.“ Sie fühle sich an die Bemühungen der katholischen Kirche erinnert, ihre eigenen Probleme aufzuklären: „Ich würde mal sagen, das läuft in beiden Fällen eher mittelprächtig.“

Carolin Kebekus thematisiert in ihrer ARD-Comedy-Show auch immer wieder gesellschaftliche Debatten. (Bild: WDR / Ben Knabe)

Carolin Kebekus thematisiert in ihrer ARD-Comedy-Show auch immer wieder gesellschaftliche Debatten. (Bild: WDR / Ben Knabe)

Dann folgt im ARD-Studio etwas für eine Comedy-Show Ungewöhnliches: eine klassische Talkshow-Aufstellung mit drei Gästen. Einer ist Said Etris Hashemi, Autor und politischer Aktivist und seinerzeit schwer verletzt Überlebender des rechtsextremen Terroranschlags von Hanau im Jahr 2020.

In einem Einspieler vor der Talkrunde sagt er: „Als ich am dringendsten einen Freund und Helfer gebraucht habe und in Hanau blutüberströmt mit mehreren Schusswunden die erste Polizeistreife antraf, war ihre erste Reaktion, nach meinem Ausweis zu fragen. Wer so handelt, ist Teil des Problems.“ Im Gespräch fordert er Transparenz, Kommunikation und Aufarbeitung, „um verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen“.

„Nicht erst einschreiten, wenn etwas strafbar ist“

Ikram Errahmouni-Rimi, Referentin für Vielfalt und Antidiskriminierung bei der Polizei Bremen sowie selbstständige Antidiskriminierungsexpertin, hat beobachtet, dass viele Kolleginnen und Kollegen „aus dem System heraus Veränderungen unterstützen“. Die Herausforderung sei, „Menschen ans Reden zu bekommen, Menschen als Melden zu bekommen“. Führungskräfte sollten „nicht erst einschreiten, wenn etwas strafbar ist“.

Julia Duchrow, Generalsekretärin bei Amnesty International Deutschland, stellt konkrete Forderungen an die Politik: „Die wichtigste ist, dass es unabhängige Untersuchungsmechanismen gibt.“ Darüber hinaus bleibe sogenanntes Racial Profiling ein großes Problem, also Kontrollen und Ermittlungen auf der Grundlage von Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Es brauche „eine Abschaffung der verdachtsunabhängigen Kontrollen“, sie seien das „Einfallstor für Racial Profiling“.

Carolin Kebekus will nicht „ganzen Berufszweig unter Generalverdacht“ stellen

Einen „ganzen Berufszweig unter Generalverdacht“ stellen wolle sie bei all dem nicht, versichert Carolin Kebekus in der Sendung: „Natürlich handelt nicht jeder Polizist und jede Polizistin rassistisch.“ Rassismus sei ein gesellschaftliches Problem. Bei einer Institution, die für die Sicherheit aller Menschen im Land zuständig ist, müsse man jedoch „die höchsten Maßstäbe ansetzen“. Die 45-Jährige weiter: „Auch Mütter und Väter von nicht weißen Kindern haben ein verdammtes Recht darauf, dass ihre Söhne und Töchter unbeschadet nach Hause kommen. Auch Menschen mit Migrationsgeschichte müssen sich sicher fühlen in ihrer Heimat.“

Die Angehörigen im Fall Lorenz A. hätten im Gespräch mit der Redaktion „vor allem eine lückenlose Untersuchung und ein gerechtes Verfahren“ gefordert.

Die aktuelle Ausgabe der „Carolin Kebekus Show“ ist am Donnerstag, 15. Mai, 23.35 Uhr, im Ersten zu sehen und bereits ab 20.15 Uhr in der ARD-Mediathek. (tsch)