Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Dann ist es der Abgrund“Paar begräbt in TV-Doku Kinderwunsch - nach zehn Jahren

Lesezeit 4 Minuten
Ernüchterung bei Christiane (links) und Maria: Einmal mehr hat sich der Kinderwunsch nicht erfüllt. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Ernüchterung bei Christiane (links) und Maria: Einmal mehr hat sich der Kinderwunsch nicht erfüllt. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Zehn Jahre Hoffen und Bangen: Eine berührende Langzeit-Dokumentation begleitet Christiane und Maria beim zunehmend verzweifelten Streben nach der Erfüllung ihres Kinderwunsches. Auch wenn ein Happy End ausbleibt, endet der ZDF-Film „Der Wunsch“ mit einem Hoffnungsschimmer.

Ein Telefonanruf kann eine freudige Kunde übermitteln. Er kann Organisatorisches klären. Doch das Klingeln eines Telefons kann auch Unheilvolles ankündigen und große Enttäuschung verursachen. Im Falle des ZDF-Dokumentarfilms „Der Wunsch“ (abrufbar in der ZDF-Mediathek) markiert das Klingeln ein böses Omen. Die Niedergeschlagenheit nach dem Ende des Gesprächs ist ein wiederkehrendes tragisches Element. Denn kaum einmal bekommen Christiane und Maria etwas Positives über den Hörer mitgeteilt.

Über zehn Jahre hat Filmemacherin Judith Beuth das Paar begleitet, hat die Sehnsucht nach der Erfüllung des titelgebenden Wunsches filmisch eingefangen: ein gemeinsames Kind. Im März 2013 packen Maria und Christiane ihre Sachen, es geht in eine gemeinsame Wohnung. Lange allein bleiben will das Paar dort nicht, ein Kind soll das Glück vervollständigen. Zusammengefunden hat das Paar einst auf ungewöhnlichem Weg. Christiane pflegte die querschnittsgelähmte Maria zunächst, erst mit der Zeit bemerkten beide eine Anziehungskraft, die nicht zu leugnen war.

Befruchtung geht schief: „Vielleicht ist der Streifen kaputt“

Allen Rückschlägen zum Trotz bleibt die Liebe zwischen Christiane (links) und Maria intakt. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Allen Rückschlägen zum Trotz bleibt die Liebe zwischen Christiane (links) und Maria intakt. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Doch anders als bei der bewussten Entscheidung, in ein gemeinsames Heim zu ziehen, müssen die beiden Frauen bald erkennen, dass die Zügel beim Kinderwunsch nicht allein in ihrer Hand liegen. Zunächst sucht das Paar vergeblich nach einem Samenspender im privaten Umfeld. Die zunächst positiv scheinende Anbahnung mit einem potenziellen Samenspender scheitert. Per Internetrecherche geht die Suche weiter, was Christiane lakonisch kommentiert: „Ist schon krass, in einer halben Stunde zu sagen: Der ist es.“

Als die Spermien per Post und schockgefrostet zur Insemination, also der Übertragung des Samens in die Eizelle, geliefert werden, scherzt Maria über den Inhalt: „Das ist schleimiger, als ich dachte.“ Das bange Warten auf den Strich auf dem Schwangerschaftstest bringt keine Erlösung: „Vielleicht ist der Streifen kaputt.“

Ein letztes Mal Bangen beim Doktor: Im Sommer 2022 wagen Maria (Mitte) und Christiane einen letzten Versuch, schwanger zu werden. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Ein letztes Mal Bangen beim Doktor: Im Sommer 2022 wagen Maria (Mitte) und Christiane einen letzten Versuch, schwanger zu werden. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Entmutigen lässt sich das Paar von diesem ersten Rückschlag nicht. Ebenso wenig von zahlreichen weiteren, die Filmemacherin Beuth - eine enge Freundin des Paares - mit viel Empathie einfängt. Weil eine Kinderwunschtherapie für lesbische Paare in Deutschland lange Zeit schwierig ist, versuchen es Christiane und Maria daraufhin in Dänemark. Zweimal hoffen sie, zweimal schlägt die Behandlung nicht an. „Es war alles so gut dieses Mal“, seufzt Maria.

Film zeigt Kinderwunsch-Odyssee zwischen Österreich, Dänemark und der Ukraine

Und doch ist Maria im Juni 2016 zuversichtlich. „Das wird was“, spricht sie sich und ihrer Partnerin Mut zu. Und Tatsache: Eine In-Vitro-Fertilisation schlägt an, Christiane ist schwanger. Trotzdem fließen kurz darauf Tränen, Christiane verliert das Kind. Gleiches widerfährt dem Paar ein Jahr später. „Man lernt einander besser kennen und die Grenzen der Beziehung“, reflektiert Maria über die Auswirkungen der Schicksalsschläge auf ihre Beziehung. „Man weiß, dass man nicht mehr so ganz leicht auseinandergehen kann.“

Sperma per Post: Mittels Insemination wollen Christiane (links) und Maria eine Familie gründen. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Sperma per Post: Mittels Insemination wollen Christiane (links) und Maria eine Familie gründen. (Bild: ZDF / Judith Beuth)

Nach fünf Jahren der gemeinsamen Anstrengungen, der Ausrichtung des gemeinsamen Lebens auf den Kinderwunsch keimen Zweifel in den Frauen auf. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich Zeit mit dem Kinderwunsch vertue“, gesteht sich Maria ein, aber: „Und dann denke ich dran, ohne Kind alt zu werden.“ Obwohl die Ärztin einer Kinderwunschklinik auf die geringe Erfolgsquote des teuren Unterfangens bei der mittlerweile 45-jährigen Christiane hinweist, wagt es das Paar nochmals - vergeblich.

Angesichts der Behandlungsodyssee zwischen Österreich, Dänemark und der Ukraine, zwischen Hoffen und Resignieren wird auch die Partnerschaft zwischen Christiane und Maria auf die Probe gestellt. „Es ist schwer zu kämpfen und den den Glauben an ein Kind zu haben. Es ist schwierig für mich, dass Maria etwas auf Abstand geht“, schildert Christiane ihre Gefühlswelt. „Ich habe das Gefühl, ich muss auch noch auf der Seite kämpfen.“ Maria stellt derweil fest: „Ich weiß, dass irgendetwas in Christiane kaputtgeht.“

„Es wäre total unvernünftig“: Paar gibt Kinderwunsch auf

Doch die Zeit läuft den beiden zunehmend davon. Bei Christiane tickt die biologische Uhr, bei der querschnittsgelähmten Maria könnte eine Hormonstimulation der Eizellen im schlimmsten Fall einen Schlaganfall auslösen. 2022 dann ein letzter Hoffnungsschimmer: Österreich lockert die Gesetze und hebt die Altersbeschränkung bei künstlichen Befruchtungen auf. „Fünf Meter vorm Ziel sich plötzlich hinzusetzen und nicht mehr weiterzulaufen“, das bringe nichts, einigt sich das Paar auf einen letzten Versuch. „Wenn das Ziel danach der Abgrund ist, dann ist es der Abgrund“, bringt es Christiane auf den Punkt.

Der Zieleinlauf gelingt nicht, drei Versuche hin, optimistische Prognosen der Ärzte her: Ein weiterer ernüchternder Telefonanruf beerdigt alle Hoffnungen. „Ich ertappe mich immer wieder: Probieren wir es noch einmal“, meint Maria im Herbst 2023, zehn Jahre nach dem Beginn der filmischen Begleitung. „Es wäre total unvernünftig, aber das Gefühl ist noch da.“

Allen Widrigkeiten zum Trotz sind Christiane und Maria als Paar zusammengeblieben. „Was mein Gefühl ist, wieso wir noch so gut zusammen sind, ist, dass ich merke, dass Maria mich wahrnimmt“, blickt Christiane zurück. So kommt die Gefühlsachterbahn von einem Jahrzehnt immerhin mit einem kleinen Happy End zu stehen - eingefangen in einem bemerkenswerten filmischen Format, das mit viel Feingefühl die Kunst der leisen Zwischentöne beherrscht. (tsch)