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EU-Politikerin wird in ARD-Doku gefragt, ob die USA Europa erpressen - ihre Antwort ist beängstigend

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Wird Europa von den USA erpresst? Alexandra Geese  hat dazu eine klare Meinung. (Bild: ARD)

Wird Europa von den USA erpresst? Alexandra Geese hat dazu eine klare Meinung. (Bild: ARD)

Haben wir uns im digitalen Bereich zu abhängig von den USA gemacht? Die Antwort der neuen „ARD Story: Digitale Ohnmacht - Deutschland im Bann von Big Tech“ fällt eindeutig aus.

Deutschland ist abhängig. Von Google, von Meta, von US-amerikanischen Cloud-Anbietern - kurz: von den Vereinigten Staaten. „Wir haben uns ihnen ausgeliefert: Unsere Familienfotos liegen in der Cloud von Apple, unsere privaten Nachrichten sind bei WhatsApp und Instagram scannt meinen Standort, um mir passgenaue Werbung auszuspielen“, zeigen sich die ARD-Journalisten Nadia Kailouli und Daniel Bröckerhoff alarmiert. In ihrer Dokumentation „Digitale Ohnmacht - Deutschland im Bann von Big Tech“ mahnen sie: „Diese Apps wissen wirklich alles über uns - und keine davon kommt aus Deutschland.“

Dass man den USA „mittlerweile komplett ausgeliefert“ sei, wie es im Film heißt, habe vielschichtige Gründe - unter anderem die höhere Risikobereitschaft in den USA, auch in Start-ups zu investieren, aber auch Fehlentscheidungen bei der europäischen und deutschen Gesetzgebung.

Experte sieht „Grundlage unserer Demokratie“ bedroht

„Das Hauptproblem liegt darin, dass schon vor 30 Jahren diese Unternehmen, die später die Big-Tech-Konzerne geworden sind, bestimmte Regeln durchgesetzt haben“, erklärt Medienwissenschaftler Martin Andree. Ein Beispiel hierfür sei das Haftungsprivileg für große Social-Media-Plattformen. „Es ist bis heute so, dass Plattformen mit strafbaren Inhalten, also Rassismus, Diskriminierung, Verleumdung, Holocaust-Leugnung oder Aufforderungen zu Straftaten Geld verdienen dürfen. Das ist der Grundfehler.“ Andree fordert: „Sobald Plattformen mit konkreten Inhalten Geld verdienen, müssen sie haften.“

Dazu komme, dass Andree zufolge die Monopolstellung von US-Unternehmen wie Meta dazu führe, dass diese „zugleich auch noch die digitale Öffentlichkeit“ kontrollieren. „Und das“, mahnt der Forscher, „ist die Grundlage unserer Demokratie.“

Die Journalisten Daniel Bröckerhoff und Nadia Kailouli untersuchen, was es mit dem „Bann von Big Tech“ auf sich hat. (Bild: NDR)

Die Journalisten Daniel Bröckerhoff und Nadia Kailouli untersuchen, was es mit dem „Bann von Big Tech“ auf sich hat. (Bild: NDR)

Heiko Maas versuchte einst, Hass und Hetze in den sozialen Medien mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, den Kampf anzusagen. „Es gab viele Treffen mit Facebook, mit Google, mit Twitter damals“, berichtet er in der Doku. Zwar sei vonseiten der US-Konzerne viel versprochen worden, sagt Maas nun, aber: „Es ist wenig passiert. Und irgendwann ist es uns zu dumm geworden.“

Als das Gesetz verabschiedet wurde, sei es „als Teufelswerk bezeichnet worden“, erinnert sich der ehemalige Justizminister. Es sei behauptet worden, „dass ich die Meinungsfreiheit abschaffe wegen dieses Gesetzes. Heute würde ich sagen: Es ist viel zu lasch gewesen.“

„Wir hatten die Meinungsfreiheit ja schon, bevor es das Internet gab“

Dass sich die Betreiber der Social-Media-Plattformen - etwa Mark Zuckerberg oder Elon Musk - als Verfechter der Meinungsfreiheit positionieren, sei „Quatsch“, betont Martin Andree. „Wir hatten die Meinungsfreiheit ja schon, bevor es das Internet gab.“ Er hält die Debatte um die vermeintliche Zensur für ein Ablenkungsmanöver: „Das ist wie bei Zauberern: Interessant ist, was hinter dem Rücken abgeht.“

Von derartigen Thesen hält Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner nichts. „Ich glaube nicht an die große Verschwörungstheorie, dass da finstere, James-Bond-Film-artige Figuren sitzen, die die Weltverschwörung planen und die Menschen entmündigen wollen.“ Döpfner zufolge habe „Big Tech in Summe viel Gutes“ für die Gesellschaft getan.

Und doch, da sind sich die Macher des Films sicher, könnte Big Tech hierzulande in Zukunft zur großen Bedrohung werden. Seit 2018 dürfen US-Behörden durch den CLOUD Act auf Daten zugreifen, die von US-Unternehmen gespeichert werden - auch, wenn diese in Deutschland liegen und deutschen Nutzern gehören. Mit Blick auf die aktuelle Regierung unter US-Präsident Donald Trump sagt Martin Andree: „Wir müssen momentan davon ausgehen, dass alle Daten, die auf US-Infrastrukturen liegen, missbraucht werden können.“

Sorgenvoll zeigt sich auch EU-Digitalpolitikerin Alexandra Geese, die sich dafür einsetzt, den Tech-Riesen mit schärferen Gesetzen Einhalt zu gebieten. Als das ARD-Kamerateam sie im Juni 2025 begleitet, wird bekannt, dass die Bundeswehr bei ihrer digitalen Modernisierung auf Technologien des US-Konzerns Google setzen will. „Es ist unfassbar“, findet die Grünen-Frau. „Wir müssen doch eigentlich gelernt haben: Es geht um unsere Sicherheit!“ Etwas so „Sensibles wie Bundeswehrdaten kann doch nicht in einer amerikanischen Cloud liegen“, schüttelt sie den Kopf.

Als die Reporter Geese fragen, ob Europa von den USA erpresst werde, lacht die Europaabgeordnete - und sagt dann: „Ja.“ Weiter zulassen dürfe man dies jedoch nicht: „Man soll nie eine gute Krise verschwenden.“

Zu sehen ist die „ARD Story: Digitale Ohnmacht - Deutschland im Bann von Big Tech“ am Dienstag, 19. August, um 22.50 Uhr, im Ersten. In der ARD Mediathek ist der Film bereits vorab zu sehen. (tsch)