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Für den EM-Titel gab's ein KaffeeserviceDoku blickt tief in die Geschichte des deutschen Frauenfußballs

Lesezeit 4 Minuten
Dokumentarfilm „Mädchen können kein Fußball spielen“: Ausnahmetalent Birgit Bormann, heute 60 Jahre alt, beim Fußballspielen Mitte der 70-er. Sie war immer die Beste - auch unter Jungs. Ein Länderspiel bestritt Birgit 1982 als 17-Jährige. Wegen einer Burnout-Erkrankung mit langem Klinikaufenthalt hängte sie den Fußball danach früh an den Nagel. (Bild: © rbb/Brigit Dahlke)

Dokumentarfilm „Mädchen können kein Fußball spielen“: Ausnahmetalent Birgit Bormann, heute 60 Jahre alt, beim Fußballspielen Mitte der 70-er. Sie war immer die Beste - auch unter Jungs. Ein Länderspiel bestritt Birgit 1982 als 17-Jährige. Wegen einer Burnout-Erkrankung mit langem Klinikaufenthalt hängte sie den Fußball danach früh an den Nagel. (Bild: © rbb/Brigit Dahlke)

Vom 2. bis 27. Juli findet die UEFA Frauen-EM 2025 in der Schweiz statt. Der bewegende Dokumentarfilm „Mädchen können kein Fußball spielen“ erinnert daran, dass Frauenfußball in Deutschland bis 1970 verboten war und bis zum EM-Titel 1989 belächelt wurde. Top-Spielerinnen von einst erinnern sich.

Das berühmte Kaffeeservice von Villeroy und Boch, das der DFB den Frauen zum EM-Titel 1989 schenkte, gab es wirklich. Zweite Wahl übrigens. Marion Isbert, Torhüterin und EM-Siegtorschützin, holt es ab und zu für Gäste aus dem Schrank hervor. (Bild: © rbb/DOCDAYS)

Das berühmte Kaffeeservice von Villeroy und Boch, das der DFB den Frauen zum EM-Titel 1989 schenkte, gab es wirklich. Zweite Wahl übrigens. Marion Isbert, Torhüterin und EM-Siegtorschützin, holt es ab und zu für Gäste aus dem Schrank hervor. (Bild: © rbb/DOCDAYS)

Ja, das berühmte Kaffeeservice von Villeroy und Boch, das der DFB den Frauen zum EM-Titel 1989 schenkte, gibt es wirklich. Zweite Wahl übrigens. Marion Isbert, damals Torhüterin und EM-Siegtorschützin, erzählt im Dokumentarfilm „ARD History: Mädchen können kein Fußball spielen“, dass ihre Gäste immer wieder mal danach fragen. „Ich hatte schon jede Menge Leute zu Hause, die wollten mal das Kaffeeservice sehen. Dann habe ich mit denen Kaffee getrunken, und es war wieder gut“, erzählt die 61-Jährige trocken. Kitschig wird es in der filmischen Zeitreise vom Frauenfußball-Underground in den 70-ern bis zum ersten deutschen EM-Titel 1989 selten. Obwohl der Film mit dem Untertitel „Eine Hommage an die Pionierinnen des Frauenfußballs“ aufwartet.

Nationaltorhüterin (links), Europameisterin 1989 und Siegtorschützin: Marion Isbert bei der EM 1989 und heute. (Bild: © rbb/Imago/DOCDAYS)

Nationaltorhüterin (links), Europameisterin 1989 und Siegtorschützin: Marion Isbert bei der EM 1989 und heute. (Bild: © rbb/Imago/DOCDAYS)

Nüchtern, humorig - und doch auch immer wieder mit Genugtuung und Stolz in Augen und Stimme berichten ehemalige deutsche Spitzenspielerinnen von ihrem Kampf um Anerkennung. Ein bewegender Dokumentarfilm, der viel Freude - aber auch Leid und Diskriminierung offenlegt.

Die Bochumerin Petra Landers, Europameisterin 1989, erzählt, wie der Chef ihr die Teilnahme an der Heim-EM in Deutschland verbieten wollte - weil er selbst in Kur gehen müsse. „Es haben immer wieder Leute versucht, mir das zu nehmen, das mir am wertvollsten war“, sagt Landers heute mit 63 Jahren.  (Bild: © rbb/WDR Sport Extra)

Die Bochumerin Petra Landers, Europameisterin 1989, erzählt, wie der Chef ihr die Teilnahme an der Heim-EM in Deutschland verbieten wollte - weil er selbst in Kur gehen müsse. „Es haben immer wieder Leute versucht, mir das zu nehmen, das mir am wertvollsten war“, sagt Landers heute mit 63 Jahren. (Bild: © rbb/WDR Sport Extra)

„Was man heute Sexismus nennt, war in den 70-ern normal“, berichtet eine der Spielerinnen im Film. Zahlreiche Ausschnitte holte Regisseur Torsten Körner aus dem Archiv, in denen die Verachtung und das Gespött deutscher Sportjournalisten offenbar wird. Noch bis tief in die 80-er hinein boten Frauen-Kicks den damals meist kommentierenden Männern noch Vorlagen für „witzige“ Wortspiele. Da wurde der Ball in die Ecke gehäkelt, oder es wurde eine heiße Partie „gekocht“.

Als Frauenfußball 1970 endlich nicht mehr vom DFB verboten war - spät im internationalen Vergleich -, sollten die Damen erst mal mit kleineren Bällen spielen. Die Spielzeit wurde anfangs auf zweimal 25 und dann auf zweimal 30 Minuten begrenzt, um die Damen nicht zu überfordern. Auch die Idee, nur bei schönem Wetter zu spielen, wurde ernsthaft diskutiert. Dazu erinnern sich Spielerinnen an Prototypen für Brustpanzer, die Frauen nach Meinung männlicher Fachleute besser schützen sollten.

Die DDR-Nationalmannschaft spielte nur ein einziges Mal

Spielerin Doreen Meier (links) und die DDR-Nationalmannschaft: Ab 1989 gab es sie. Am 9. Mai 1990 bestritt sie ihr erstes und einziges Spiel. In Potsdam verlor man 0:3 gegen die Tschechoslowakei. Dann kam die Wiedervereinigung.
 (Bild: © rbb/diverse privat)

Spielerin Doreen Meier (links) und die DDR-Nationalmannschaft: Ab 1989 gab es sie. Am 9. Mai 1990 bestritt sie ihr erstes und einziges Spiel. In Potsdam verlor man 0:3 gegen die Tschechoslowakei. Dann kam die Wiedervereinigung. (Bild: © rbb/diverse privat)

Torsten Körner hat viele Spielerinnen von damals vor die Kamera geholt und lässt sie sich erinnern. Oft sieht man die Frauen in Interviews sowie Spielszenen von damals und heute im Splitscreen-Verfahren: Bärbel Wohlleben, 81 Jahre alt, schoss 1974 das erste von einer Frau erzielte „Tor des Monats“. Birgit Bormann, die heute Birgit Dahlke heißt, galt in ihrer Fußball-Kindheit unter Jungs als Jahrhunderttalent. Beim ersten offiziellen Länderspiel einer deutschen Fußballnationalmannschaft, das 1982 in Koblenz stattfand, war sie als 17-Jährige dabei. Mit Burnout und Depressionen hängte die Vielbeachtete, aber auch Angefeindete, die Fußballschuhe früh an den Nagel. Heute tut es gut, die 60-Jährige im Film wieder lächeln zu sehen. „Dieses erste Länderspiel kann mir keiner mehr nehmen“, sagt sie.

Die Nationalmannschaft der (westdeutschen) Frauen in den 1980er-Jahren. Das erste offizielle Länderspiel bestritt man erst 1982. (Bild: © rbb/Birgit Dahlke)

Die Nationalmannschaft der (westdeutschen) Frauen in den 1980er-Jahren. Das erste offizielle Länderspiel bestritt man erst 1982. (Bild: © rbb/Birgit Dahlke)

Torsten Körner, der preisgekrönte Filme über schwarze deutsche Nationalspieler (“Schwarze Adler“) oder auch die frühen Politikerinnen der Bonner Republik drehte (“Die Unbeugsamen“), ist ein präziser, ja fast nüchterner Filmemacher. Oft tut das gut, wenn man bedenkt, wie emotional aufgeladen seine Themen sind. In der Rückschau auf die Diskriminierung des Frauenfußballs funktioniert Körners Nüchternheit bestens, denn erst so kommt die ganze Wucht des damaligen Sexismus zur Geltung. Selbst in der DDR, wo Frauen im Sinne des Sozialismus gleichberechtigt waren, lugen Vorurteile in den alten Kommentaren und Spielberichten hervor. Die Protagonistinnen berichten von mangelnder Förderung, weil Frauenfußball lange Zeit nicht olympisch war. Spielerinnen der DDR-Nationalmannschaft kommen zu Wort, die es ab 1989 gab und die am 9. Mai 1990 nur ein einziges Mal spielte. In Potsdam verlor man 0:3 gegen die Tschechoslowakei. Dann kam die Wiedervereinigung

Erste Live-Übertragung eines Frauenfußballspiels erst 1989

Was sie tat, war damals verboten: Fußballerin Christa Kleinhans heute und - rechts - circa 1963. (Bild: © rbb/Christa Kleinhans/DOCDAYS)

Was sie tat, war damals verboten: Fußballerin Christa Kleinhans heute und - rechts - circa 1963. (Bild: © rbb/Christa Kleinhans/DOCDAYS)

Anne Trabant, heute 76 Jahre alt, war früher Ausnahmespielerin und -trainerin. 1984 leitete sie die Mannschaft der SSG 09 Bergisch Gladbach an, als diese das inoffizielle WM-Turnier in Taiwan gewann. Heute wäre Trabant wohl ein Fußball-Weltstar. Doch zu ihren Zeiten, die Anfang der 90-er im Fußball endeten, arbeitete sie als diplomierte Sportlehrerin an einer Schule. Immer wieder berichten die Kickerinnen früherer Zeit im Film vom Widerstand der Gesellschaft und oft auch ihrer Familien sowie Partner gegen ihre Leidenschaft. Die heute 63-jährige Bochumerin Petra Landers, Europameisterin von 1989, erzählt, wie der Chef ihr die Teilnahme an der Heim-EM in Deutschland verbieten wollte - weil er selbst auf Kur gehen müsse.

„Es haben immer wieder Leute versucht, mir das zu nehmen, das mir am wertvollsten war“, sagt Landers. Das Problem löste sie 1989 auf ihre Art. Sie kündigte und spielte die Europameisterschaft in Deutschland. Das Endspiel gegen Italien, das erst im Elfmeterschießen entschieden wurde, gilt als Durchbruch des deutschen Frauenfußballs. Millionen Zuschauer verfolgten am Fernseher, wie die Partie im Siegener Leimbachstadion spät für Deutschland entschieden wurde. Sogar die „Tagesschau“ wurde damals wegen der ersten Live-Übertragung eines Frauenfußballspiels im deutschen Fernsehen verschoben. Geschichten wie aus einer anderen Zeit, die gerade einmal 36 Jahre zurückliegen. Es hat sich eine Menge getan im Frauenfußball - und es wurde Zeit.

ARD History: Mädchen können kein Fußball spielen - Fr. 04.07. - ARD: 23.15 Uhr (tsch)