Seit heute kontrolliert Polen die deutsch-polnische Grenze, um unzulässige Rückführungen von Geflüchteten durch die deutsche Grenzpolizei zu verhindern.
„Ich kritisiere auch Dobrindt“Als Moderator nachhakt, wird SPD-Politikerin deutlich

Katarina Barley stellte sich im ZDF-“Morgenmagazin“ den Fragen von Moderator Mitri Sirin. (Bild: ZDF)
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Die neuen Grenzkontrollen auf der polnischen Seite der deutsch-polnischen Grenzen könnten der nächste Beitrag einer Entwicklung sein, die den Schengen-Raum und den Binnenmarkt - und damit auch die deutsche Wirtschaft - gefährden. Diese Sorge äußerte SPD-Politikerin Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, im ZDF-“Morgenmagazin“. Die Maßnahme sei „ein weiterer Dominostein, der fällt“ und deren Konsequenzen sich „in ganz Europa zeigen“ würden. Das Schengen-System würde so an seine Grenzen gebracht werden.
Die Anordnung zu strengeren Grenzkontrollen durch die polnische Regierung sei abzusehen gewesen, so Barley: „Der Schritt ist für mich in erster Linie eine Retourkutsche für die deutliche Verschärfung der Grenzkontrollen, die Alexander Dobrindt an der deutsch-polnischen Grenze angeordnet hat.“ Besonders bedenklich findet sie, dass es mit Bundeskanzler Friedrich Merz und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zwei politisch Gleichgesinnte sind, zwischen denen sich „ein Streit so hochschaukelt“.
Die europäische Sichtweise unterscheidet sich von der der Bundesregierung
Als Moderator Mitri Sirin sie darauf hinwies, dass während der letzten Legislaturperiode mit Nancy Faeser eine SPD-Innenministerin bereits Grenzkontrollen angeordnet hatte, sprach Barley von einer „ganz anderen Dimension“ der von Dobrindt angeordneten Kontrollen, was auch an der Reaktion Polens abzulesen sei. Doch Sirin ließ nicht nach: „Ist es nicht scheinheilig“, wollte er wissen, „wenn einerseits Polen für Kontrollen kritisiert wird, während gleichzeitig das europäische Asylsystem auf Abschottung und Abschreckung an den Außengrenzen setzt?“
Barley konnte angesichts des Vorwurfs der Scheinheiligkeit Fassung bewahren, reagierte aber dennoch deutlich: „Ich kritisiere nicht nur Polen, wenn sie das richtig gehört haben, sondern ich kritisiere auch Alexander Dobrindt für diese deutliche Verschärfung, die er da vorgenommen hat.“
„Die, die SPD auch mitgetragen hat“, warf Sirin direkt ein, um die Involvierung von Barleys eigener Partei in die Eskalation des Konflikts erneut hervorzuheben. „Wenn sie im europäischen Kontext auch mal die Kollegen von der Union fragen“, antwortete die Europapolitikerin, „da werden sie auch ähnliche Aussagen (wie meine) finden“.
Mit dem Hinweis, dass es nichts Außergewöhnliches sei, wenn sowohl sie selbst als SPD-Politikerin als auch Unions-Politikerinnen und -Politiker im Europaparlament die deutsche Bundesregierung kritisieren, verdeutlichte sie, dass die von Sirin unterstellte Scheinheiligkeit viel mehr auf den unterschiedlichen Fokus von Europa- und Bundespolitikerinnen und -politikern zurückzuführen ist.
Barley sprach eher in ihrer Funktion als Vizepräsidentin des Europaparlaments denn als SPD-Mitglied. Das verdeutlichte auch ihr abschließender Satz: „Aus europäischer Sicht ist das einfach nicht der beste Weg, dass man den Binnenmarkt erschwert oder Schengen zum Erliegen bringt, dadurch dass alle Länder die Grenzen in dieser Weise wieder undurchlässiger machen.“ Auch der Konflikt zwischen gleichgesinnten Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der Bundesregierung dürfte kein gutes Zeichen sein. (tsch)