Bei „Maybrit Illner“ geriet Innenminister Alexander Dobrindt gleich mehrfach in die Defensive. Besonders mit „Spiegel“-Journalistin Melanie Amann kriegte sich der CSU-Politiker in die Haare.
„Vorwurf der Heuchelei“Journalistin treibt Dobrindt bei Illner in die Enge

Bei „Maybrit Illner“ sah sich Alexander Dobrindt vielen Vorwürfen ausgesetzt. (Bild: ZDF)
Copyright: ZDF
Das fängt ja gut an: Schon an seinem zweiten Amtstag stand Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bei Maybrit Illner gehörig unter Erklärungsdruck. Als „Debakel, Desaster, Blamage“ habe die Niederlage in der ersten Runde der Kanzlerwahl Schock ausgelöst, leitete die Moderatorin die Diskussion zu „Fehlstart mit Folgen - wie stark ist Kanzler Merz?“ ein. Dobrindt wollte die Niederlage anders verstanden wissen: „Lieber am Start eine große Herausforderung, die gelöst ist als Honeymoon zu Beginn und dann den Riesenkrach.“
Das sei ein „deutlich besseres Zeichen für eine künftige, stabile Regierung im Parlament und Bundestag (...).“ Dass man nicht - wie durchs Grundgesetz Artikel 63 geregelt - „drei verdammt lange Tage“ bis zur nächsten Wahl warten musste, sondern noch am selben Tag eine zweite, erfolgreiche Abstimmung stattfand, sei das „Positive an diesem Tag“.
„Sie haben es ja nicht aus eigener Kraft geschafft, sondern mit der Hilfe von Leuten, die Sie diffamiert haben“, korrigierte ihn Melanie Amann, stellvertretende „Spiegel“-Chefredakteurin und warf ihm vor, die Wahl des Kanzlers und damit das Bilden einer Regierung als Formalie zu beschwichtigen. „Sie haben keine Lösung konzipiert, sondern die Grünen und die Linken“, fuhr die Journalistin fort: „Sie suchen sich die Leute in der Not, die Sie sonst verteufeln und ablehnen. Am Montag brauchen Sie die, und am Sonntag von der Kanzel heißt es: Die sind grüner Spuk.“
Dobrindt verteidigt sich gegen Kritik von allen Seiten

Spiegel-Journalistin Melanie Amann ging mit Alexander Dobrindt hart ins Gericht. (Bild: ZDF)
Copyright: ZDF
Einen Vorwurf, den Dobrindt (“Überinterpretation“) nicht so auf sich sitzen lassen wollte: Man habe sich - mit allen außer der AfD - an einen Tisch gesetzt, um einen Kanzler zu wählen. An den „schweren politischen Unterschieden“ verändere das nichts.
„Die werden aber übersehen, wenn Sie sie brauchen“, hielt diese Erklärung für Amann nicht stand. Nein, es ginge nur ums gemeinsame Ziel, nicht um Chaos zu haben, entgegnete Dobrindt. Den „Vorwurf, du hast mit den falschen Leuten geredet. Wie konntest du nur“, wies er von sich. Die Spiegel-Vize machte ohnehin einen anderen: „Ich mache den Vorwurf der Heuchelei“, fügte später aber versöhnlich hinzu: „Wir wollen doch nur helfen.“
Mit wir meinte sie wohl die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach, die sich ebenfalls besorgt über das Vorgehen zeigte: „Es geht um die Konsistenz: Wie schlüssig sind für Wählerinnen und Wähler die Position und Vorgehensweisen“, warnte sie, dass sich die „AfD an solchen Tagen die Hände reibt“. Man könne nicht Menschen auf öffentlicher Bühne diffamieren und lächerlich machen und sich dann in Verfahrensfragen an einen Tisch setzen. Das sei nach außen unglaubwürdig und schädige das Vertrauen in die politische Mitte.
Grünen-Vorsitzende Dröge über Merz: „Seine Politik geht in die falsche Richtung“

Am Donnerstagabend erörterte Maybrit Illner (Mitte) mit ihren Gästen den holprigen Start der neuen Bundesregierung. (Bild: ZDF)
Copyright: ZDF
Mit eben diesem sieht es offensichtlich selbst in den Fraktionen von CSU/CDU und SPD nicht rosig aus, interpretierte Grünen-Vorsitzende Katharina Dröge den Fehlstart von Friedrich Merz als „schlechtes Zeichen“. Angesichts dieses „Denkzettels“ stehe die Koalition auf wackeligen Beinen und brauche immer die Hilfe der Opposition, um den nächsten Schritt zu wagen. Dass sich die Union jetzt mit SPD, Grüne und der Linke an einen Tisch gesetzt habe, um über die Geschäftsordnung zu sprechen, erkannte sie als „positive Entwicklung im Vergleich zu den letzten Wochen an“, bezog sie sich auf die Abstimmung der Union mit der AfD zum Thema Migration.
„Bei Verfahren helfen wir“, betonte sie, fügte aber hinzu: „Merz hat keine Stimme von uns gekriegt, weil seine Politik in die falsche Richtung geht. Mehrheiten müssen sie alleine schaffen.“ Ob dafür die Brandmauer nach links eingetreten werden müsse, wollte Maybrit Illner von Dobrindt wissen. Bekennen wollte sich der Innenminister dazu nicht, meinte aber: „Es braucht andere Parteien, die Fraktion der Linken. Weitere gibt es nicht. Weil wir mit der AfD nicht gemeinsame Sache machen.“
Dass die Partei jüngst vom Bundesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde - wenn auch jetzt mit Stillhalteklausel aufgrund einer AfD-Klage - habe seinen Eindruck bestätigt. Gelesen habe Dobrindt den Bericht zwar noch nicht, „in den Schrank stellen“ würde er ihn aber nicht, versicherte er. Nach Gesprächen mit dem Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes und einer Einweisung würde er entscheiden, „wie man mit dem Gutachten umgeht und ob man es veröffentlicht“, kündigte er an. Zudem stünde der AfD selbst das Gutachten und der Prozess dessen Herstellung im Rahmen des Gerichtsverfahrens zur Verfügung.
Melanie Amann (Spiegel) über Bundespolizei: „Ich möchte nicht in der Haut der Leute stecken“
Nicht nur innerhalb Deutschlands sorgte der Fehlstart von Bundeskanzler Merz für Schlagzeilen, warf Maybrit Illner schließlich noch die Frage auf: „Wie wird ein Politiker, der nicht mal eine Koalition zusammenbringen kann, Europa zusammenhalten?“ Die europäischen Länder würden erwarten, dass Deutschland ein stabiles Land wäre, betonte Dobrindt - „und dazu gehört auch die Migrationspolitik“. Anschließend wurde er emotional: „Seit zehn Jahren hören wir in diesem Land, was alles nicht geht.“ Jetzt müsse man darüber reden, was möglich sei, denn die Überforderung sei zu hoch.
Vor dieser „Überforderungsrhetorik“ hielt Reuschenbach nichts, schließlich seien durch die Verschärfungen der Vorgängerregierung die Zahlen deutlich gesunken. Für sie zeichnete sich in den letzten Monaten ein Muster im Vorgehen von Merz und seiner Mannschaft ab: Bei der Schuldenbremse, beim Sondervermögen, bei der Kanzlerwahl - stelle sich die Frage nach dem Politikstil: „Wie vorausschauend, wie durchdacht sind die Dinge?“
„Geordnet und gesteuert sieht anders aus“, beurteilte Spiegel-Journalistin Amann die Migrationspolitik. In den letzten 48 Stunden habe Chaos geherrscht, was an der Grenze passieren sollte. Dass die Bundespolizei Menschen zurückweisen können, sei ein Verstoß gegen das Europarecht. Zudem würde das Ganze auf dem Rücken der Bundespolizei ausgetragen: „Ich möchte nicht in der Haut der Leute stecken“, fehlte ihr die Klarheit.
Für Dobrindt hingegen war „sehr klar, was wir tun“: Schon in der Vergangenheit seien Zurückweisungen erhöht worden. Jetzt würden auch Menschen, die Asyl beantragen, zurückgewiesen werden können, weil sie aus einem sicheren Drittstaat kämen. „Wir müssen es tun können, darum geht es an dieser Stelle“, wolle er damit das europäische System wieder funktionsfähig machen. Politisch sei das nicht richtig, widersprach Dröge und sah darin einen Bruch europäischen Rechts: „Wenn sich Deutschland von den Asylregeln verabschiedet, dann hat kein anderes Land der Europäischen Union Interesse an einer Zusammenarbeit.“ (tsch)