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Kinderzimmer-Ikone als MördermausDas sind die Kino-Highlights der Woche

Lesezeit 5 Minuten
Blutiges Chaos auf einer Fähre - und mittendrin eine Figur, die einem sehr bekannt vorkommt: Bei „Screamboat“ handelt es sich um eine Horror-Adaption des Micky-Maus-Zeichentricks „Steamboat Willie“. (Bild: Tiberius Film GmbH)

Blutiges Chaos auf einer Fähre - und mittendrin eine Figur, die einem sehr bekannt vorkommt: Bei „Screamboat“ handelt es sich um eine Horror-Adaption des Micky-Maus-Zeichentricks „Steamboat Willie“. (Bild: Tiberius Film GmbH)

„Grüße vom Mars“, „Kein Tier. So Wild.“ und „Screamboat“, eine Horror-Adaption des inzwischen gemeinfreien Trickfilm-Klassikers „Steamboat Willie“: Das sind die Kino-Neustarts am 8. Mai.

Die Maus steht glückselig pfeifend hinter dem Steuer eines Dampfers, kabbelt sich ein wenig mit Kater Karlo, bändelt mit Minnie Maus an: Viel mehr passiert nicht in den knapp acht Minuten von „Steamboat Willie“ (1928). Und doch schrieb dieser kurze Zeichentrick Geschichte als erster Auftritt von Micky Maus, dem bis heute prominentesten Aushängeschild von Disney. In der Unterhaltungsindustrie und speziell für die Walt Disney Company war seither kaum etwas so heilig wie Micky Maus. Aber so ein Heiligtum hat laut US-Gesetz auch ein Verfallsdatum. Und wenn das überschritten ist ... dann kann es auch solche Filme geben wie jetzt den Horrorstreifen „Screamboat“.

David Howard Thornton, bekannt aus den „Terrifier“-Filmen, verkörpert die Horror-Version von Micky Maus. Süße Träume! (Bild: Tiberius Film GmbH)

David Howard Thornton, bekannt aus den „Terrifier“-Filmen, verkörpert die Horror-Version von Micky Maus. Süße Träume! (Bild: Tiberius Film GmbH)

Außerdem neu auf der Leinwand: „Grüße vom Mars“ erzählt von einem autistischen Jungen, der hoch hinaus will, und in „Kein Tier. So Wild.“ wird die Geschichte von Shakespeares „Richard III.“ ins moderne Berlin verlegt.

Screamboat

Die Koffer sind gepackt, der Raumanzug sitzt: „Grüße vom Mars“ erzählt von einem autistischen Jungen (Theo Kretschmer), der hoch hinaus will. (Bild: Farbfilm Verleih)

Die Koffer sind gepackt, der Raumanzug sitzt: „Grüße vom Mars“ erzählt von einem autistischen Jungen (Theo Kretschmer), der hoch hinaus will. (Bild: Farbfilm Verleih)

Am 1. Januar 2024 lief das Urheberecht zu „Steamboat Willie“ ab und ging in die „Public Domain“ über. Heißt: Man kann (und darf) „Steamboat Willie“ jetzt auf unterschiedlichste Weise weiterverwerten. Eine zeitgemäß aufgehübschte Animationsfilm-Variante wäre beispielsweise denkbar, um auf dem Wege ein neues, junges Publikum mit einer lustigen Bootsfahrt zu unterhalten. Oder ein FSK-18-Slasher, in dem die Maus zum hinterlistigen, blutrünstigen Serienmörder wird. Der Autor und Regisseur Steven LaMorte entschied sich für Zweiteres. Das Urheberecht für „Steamboat Willie“ war Anfang 2024 kaum ausgelaufen, da hatte LaMorte schon seinen Film „Screamboat“ angekündigt, der jetzt in den Kinos startet.

Und die Geschichte zu diesem Albtraum aus dem Kinderzimmer geht so: Spätnachts, als die meisten Menschen in New York schon schlafen, entschließt sich Cindi (Kailey Hyman) noch zu einer Bootsfahrt im Big Apple. Dann aber verschwindet auf der Fähre ein Fahrgast nach dem anderen. Wo sind sie nur geblieben? Alle abgemurkst von Screamboat Willie! Kann Cindi der grausamen Killermaus (verkörpert von „Terrifier“-Star David Howard Thornton) entkommen und sich zwischen all den „großen Morden“ und „lauten Lachern“, die der Film verspricht, in Sicherheit bringen?

Tom (Theo Kretschmer) ist fasziniert von allem, was mit Sternen und Raumfahrt zu tun hat. (Bild: Farbfilm Verleih)

Tom (Theo Kretschmer) ist fasziniert von allem, was mit Sternen und Raumfahrt zu tun hat. (Bild: Farbfilm Verleih)

Mit „Steamboat Willie“ gelang Walt Disney vor knapp hundert Jahren ein echter filmischer Meilenstein, von „Screamboat“ wird das jetzt oder auch in Zukunft wohl niemand behaupten. Aber dieser eigenwillige Spaß wird sein Publikum gewiss finden, so wie zuletzt auch schon „Winnie the Pooh: Blood and Honey“ (2023). Derweil sind schon weitere Horror-Adaptionen populärer Zeichentrick-Klassiker nach ähnlichem Schema in Arbeit. Neben „Pinocchio: Unstrung“, „Peter Pan's Neverland Nightmare“ und „Bambi: The Reckoning“ soll es demnächst sogar ein „Mickey vs. Winnie“-Crossover geben. Süße Träume!

Grüße vom Mars

Rashida (Kenda Hmeidan) ist die zentrale Figur in „Kein Tier. So Wild.“, einer freien Interpretation von William Shakespeares „Richard III.“. (Bild: Lukasz Bak/Port au Prince Pictures)

Rashida (Kenda Hmeidan) ist die zentrale Figur in „Kein Tier. So Wild.“, einer freien Interpretation von William Shakespeares „Richard III.“. (Bild: Lukasz Bak/Port au Prince Pictures)

Kinder verstehen das schon ganz früh und wissen es in der Regel auch sehr zu schätzen: Wenn sie Oma und Opa besuchen, dann gelten da ganz eigene Gesetzmäßigkeiten. Das betrifft etwa die Zeit, die vor dem Fernseher verbracht werden darf, oder auch den Zugang zu Süßigkeiten. Für den zehnjährigen Autisten Tom geht es in „Grüße vom Mars“ aber noch viel weiter - da wird der Aufenthalt bei den Großeltern glatt zur eigenständigen „Weltraummission“, bei der selbst die Gesetze der Physik nur noch bedingt zu gelten scheinen.

„Ich bin Tom. Ich möchte der erste Mensch sein, der zum Mars fliegt“, stellt der wuschelköpfige Protagonist (verkörpert von Nachwuchsdarsteller Theo Kretschmer) sich vor. Andere halten ihn für einen „Spinner“. Aber der autistische Junge meint es todernst mit seiner Marsmission. Deshalb passt es ihm auch gar nicht in den Kram, als er stattdessen seine Großeltern (Hedi Kriegeskotte, Michael Wittenborn) besuchen soll, um dort den Sommer zu verbringen. Aber immerhin, die Mama verspricht: „Wenn du Oma und Opa schaffst, dann schaffst du's bestimmt auch zum Mars.“

Elisabet (Verena Altenberger, links) gehört zu Rashidas (Kenda Hmeidan) engsten Vertrauten. (Bild: Lukasz Bak/Port au Prince Pictures)

Elisabet (Verena Altenberger, links) gehört zu Rashidas (Kenda Hmeidan) engsten Vertrauten. (Bild: Lukasz Bak/Port au Prince Pictures)

Großelternbesuch als Alternative zu einer Reise zum Mars: Die Idee basiert ursprünglich auf einem Roman von Thomas Möller und Sebastian Grusnick. Fürs Kino wurde der Stoff nun mit viel Herz von Regisseurin Sarah Winkenstette inszeniert. Tom nimmt die Herausforderung an und erzielt durchaus beachtliche Erfolge. Er simuliert Kapseltraining in einer engen Schublade, träumt sich im Spaceshuttle in den Himmel, baut ein eigenes Observatorium und überwindet mit dem BMX sogar kurzzeitig die Schwerkraft. Am Ende kommt er den Sternen viel näher, als irgendjemand es ihm je zugetraut hätte.

Kein Tier. So Wild.

Der erbitterte Rosenkrieg zwischen den britischen Adelshäusern York und Lancaster und ein missgestalteter Unhold, der sich skrupellos in der Thronfolge nach oben mordet: „Richard III.“ gehört zu den großen Klassikern von William Shakespeare. Und der Stoff scheint bis heute, über 400 Jahre nach der Veröffentlichung, immer noch viele Kreative zu inspirieren. Die anhaltende Faszination steht nach zeitgenössischen Adaptionen mit Lars Eidinger (2015) und Benedict Cumberbatch (2016) auch hinter einem neuen Film von Burhan Qurbani, der Shakespeares Historiendrama mit „Kein Tier. So Wild.“ ins moderne Berlin verlegt.

„Ein Pferd, ein Pferd, mein Königreich für ein Pferd!“, lautet eines der berühmtesten Zitate aus „Richard III.“. In „Kein Tier. So Wild.“ wäre es wohl eher ein tiefergelegter 600-PS-Schlitten mit funkelnden Protz-Felgen. Aber die Parallelen sind doch unverkennbar. Burhan Qurbani erzählt von einer schlimmen Fehde zweier krimineller Clans in Berlin. Und von einer vermeintlichen Hinterbänkler-Figur, die sich mit allen Mitteln nach oben kämpft. Hier ist es jedoch, was damals bei Shakespeare in der Form noch undenkbar gewesen wäre, eine Frau.

Rashidas (Kenda Hmeidan) Platz in der Hierarchie der Yorks scheint fest zementiert. Als jüngste Tochter einer Familie, in der traditionell die Männer den Ton angeben, hat sie eigentlich keine Chance, jemals selbst in der ersten Reihe zu stehen. Aber genau das ist ihr Ziel, das sie mit großem Eifer und ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt.

Intrigen, Machtspiele und Gewalt als Mittel zum Zweck: Was Shakespeares „Richard III.“ im Kern auszeichnete, treibt auch die Handlung der „freien Interpretation“ von Burhan Qurbani (“Berlin Alexanderplatz“) voran - bis zum bitteren Ende. Qurbani führte Regie und schrieb gemeinsam mit Enis Maci das Drehbuch zu „Kein Tier. So Wild.“. Neben Hauptdarstellerin Kenda Hmeidan steht unter anderem auch Verena Altenberger auf der Besetzungsliste. Die Premiere des Films fand im Frühjahr 2025 im Rahmen der Berlinale statt. (tsch)