Wie werden wir in Zukunft Babys bekommen? Könnte eine künstliche Gebärmutter die Alternative zur in Deutschland verbotenen Leihmutterschaft darstellen? Die dreiteilige BR-Doku „Sex and the Scientists - Wie wir künftig Kinder bekommen“ widmet sich komplexen und ethisch hochdiskutablen Fragen.
Mäuse mit zwei VäternBR-Wissenschaftsdoku über Fortpflanzung der Zukunft

Noch ist ein künstlicher Uterus, in dem ein Menschenbaby heranwächst, Zukunftsmusik. Doch erste Experimente in diese Richtung reichen schon jetzt erstaunlich weit, wie die dreiteilige Doku „Sex and the Scientists - Wie wir künftig Kinder bekommen“ zeigt. (Bild: BR)
Copyright: BR

Ein künstlicher Uterus könnte in Zukunft nicht nur Babys außerhalb des menschlichen Körpers heranreifen lassen. Er könnte ebenso Frühchen retten. (Bild: BR)
Copyright: BR
Es ist eine Szene, wie sie bislang nur im Kino denkbar ist: Die skurrile Sci-Fi-Satire „Baby to Go“ (2024) von Sophie Barthes erzählt von einem Paar (gespielt von Emilia Clarke und Chiwetel Ejiofor), das mithilfe einer künstlichen Gebärmutter ein Baby außerhalb des weiblichen Körpers bekommt. Dass die im Film gezeigten eierförmigen Brutkästen doch schon 2025 mehr als reine Fiktion sind, zeigt die hochspannende dreiteilige Doku-Serie „Sex and the Scientists - Wie wir künftig Kinder bekommen“, die ab Mittwoch, 11. Juni, in der ARD Mediathek abrufbar ist.

Die menschliche Vorstellung von Fortpflanzung, Geburt und Familie unetrliegt einem ständigen Wandel. (Bild: BR )
Copyright: BR
Der im Auftrag des BR realisierte Dreiteiler begleitet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit der Entstehung des Lebens beschäftigen und stetig neue Fortpflanzungsmethoden entwickeln. Neue Entwicklungen werden dabei mit der Legende um Rosalind Franklin verknüpft: Der britischen Biochemikerin (1920-1958) wird nachgesagt, den Grundstein für die Entdeckung der DNA-Struktur gelegt zu haben. Wie leider oft in der Wissenschaftsgeschichte geschehen, sollen ihre Ergebnisse allerdings von männlichen Kollegen gestohlen worden sein. In der Doku wird Franklin von der deutschen Schauspielerin Marie Jensen verkörpert, die gleichzeitig als Erzählerin fungiert.
„Ich denke, dass sich unsere Vorstellungen von Familie weiterentwickeln werden“

Die deutsche Biophysikerin und Molekularbiologin Kerstin Göpfrich forscht an sogenannten DNA-Origamis, mit denen in Zukunft womöglich Leben künstlich im Labor geschaffen werden könnte. (Bild: BR)
Copyright: BR
Um zu erforschen, wie viel Wahrheit in der Geschichte der betrogenen Wissenschaftlerin steckt, besucht der Film unter anderem das Newnham College an der Universität Cambridge. Es war eines von zwei Colleges, die Frauen zur Zeit von Franklin ein Studium ermöglichten. Dass die gesellschaftliche Rolle der Frau eng mit den generellen Fortpflanzungsmöglichkeiten verknüpft ist, zeigt die Ökonomin Debora Spar: „Ich denke, dass sich unsere Vorstellungen von Familie weiterentwickeln werden“, betont sie: „Die Familie, wie wir sie kennen, die Kernfamilie aus Mann, Frau und ihren biologischen Kindern ist ein Produkt der Neolithischen Revolution oder genauer gesagt der Landwirtschaft.“ Damals konnten Männer ihr Land nur an ihre biologischen Kinder weitergeben. Die Einführung von Verhütungsmitteln, insbesondere von der Pille, führte, laut Spar dazu, dass Frauen vermehrt arbeiten gehen. Könnte die Entwicklung von alternativen Fortpflanzungsmethoden wie der sogenannten In-vitro-Gametogenese (kurz: IVG) zu einer erneuten Veränderung des allgemeinen Familienbegriffs führen?

Der Stammzellenforscher Katsuhiko Hayashi ist ein Pionier auf seinem Gebiet. In der Doku erklärt er, wie er Mäusebabys mit zwei Vätern geschaffen hat. (Bild: BR)
Copyright: BR
„Bei der In-vitro-Gametogenese stellt man im Labor aus Stammzellen Eizellen und Spermien her“, erklärt der japanische Stammzellenforscher Katsuhiko Hayashi das Verfahren: „2023 ist es uns dann auch gelungen, die Geschlechtschromosomen zu beeinflussen. Wir haben männlichen Mäusen Hautzellen entnommen, sie zu Stammzellen umprogrammiert, die Geschlechtschromosomen verändert und dann Eizellen daraus gemacht. Diese Eizellen stammen also von männlichen Mäusen. Sie ließen sich mit Spermien befruchten und wurden zu Mäusen, die zwei Väter haben.“
Kommen Babys in Zukunft aus dem Labor?
Was zunächst ein wenig gruselig und ethisch sicher nicht unproblematisch klingt, könnte in nicht allzu ferner Zukunft die lang ersehnte Hoffnung für ungewollte kinderlose Paare darstellen. So wie für Idán Sagiv Richter und Max Appenroth, die in der Doku zu Wort kommen: Appenroth beschreibt sich als „trans-nicht-binäre Person“, die Testosteron einnimmt, jedoch weiterhin über die für die Austragung eines Fötus nötigen körperlichen Voraussetzungen verfügt. „Wenn ich die Möglichkeit hätte, die Hormone nicht absetzen zu müssen, um mir Eizellen entnehmen zu lassen, sondern wenn es mit einer einfachen Hautzelle getan ist, würde ich sagen: 'Yes, count me in“, sagt Max Appenroth im Film.
Welche Möglichkeiten es gibt, ein Baby auch ohne einen angeborenen Uterus auszutragen, zeigen die Folgen zwei und drei der dreiteiligen Doku: So arbeitet ein Neonatologe in Aachen an einem künstlichen Uterus, der Frühchen retten könnte, auch klärt die Doku-Reihe über Gebärmutter-Transplantationen für Frauen auf, die aus genetischen oder medizinischen Gründen keinen eigenen Uterus besitzen. Der Ausblick auf die Schaffung von gänzlich künstlichem Leben aus dem Labor ist sicher der kontroverseste Aspekt der Doku, der im Nachgang zu weiteren Diskussionen und Gedankenspielereien anregen wird. (tsch)